Titel: Ueber die Bestimmung des Sauerstoffes in Bleikammergasen; von Friedr. Bode, Freiberg, Sachsen.
Autor: Friedrich Bode
Fundstelle: Band 208, Jahrgang 1873, Nr. LVI., S. 223
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LVI. Ueber die Bestimmung des Sauerstoffes in Bleikammergasen; von Friedr. Bode, Freiberg, Sachsen. Bode, über die Bestimmung des Sauerstoffes in Bleikammergasen. Vor wenigen Monaten sind wir durch M. Liebig in Stolberg und kurz vor demselben durch Cl. Winkler in Pfannenstiel mit Apparaten bekannt gemacht worden, mittelst welcher man entweder nur Sauerstoff oder auch andere Gase in einer für technische Zwecke vollkommen hinreichenden Schärfe und Genauigkeit bestimmen kann. Der Liebig'sche Apparat ist beschrieben und abgebildet im polytechn. Journal 1873, Bd. CCVII S. 37, während man über Winkler's Gasburette nachsehen kann: Journal für prakt. Chemie, 1872, Bd. VI S. 301. Ich bin nun rücksichtlich der Bestimmung des Sauerstoffes in den abziehenden Bleikammergasen mehrfach gefragt worden, wie man es bei Ausführung des Versuches mit den sauren Gasen zu halten habe, welche in dem abziehenden Gasstrome noch enthalten sind; ob man diese sauren Gase (nämlich die während des Kammerprocesses vorkommenden Oxydationsstufen des Stickstoffs, außerdem vielleicht noch etwas schweflige Säure) zuvor entfernen, oder ob man sie sofort mit in den Apparat nehmen und durch das pyrogallussaure Kali mit absorbiren solle. Endlich sind mir auch Befürchtungen ausgesprochen worden, daß man indem letzteren Falle, wo man also Gase, die wirklich nicht Sauerstoff sind, durch das Pyrogallat als solchen mit bestimmt, falsche Resultate erhalten müsse. Falsch werden die Resultate ganz unzweifelhaft sein; die Frage ist nur, wie groß der Fehler ist. Da, wie gesagt, von mehreren Seiten Anfragen an mich in dieser Beziehung gerichtet worden sind, so nehme ich an, daß ein allgemeineres Interesse an der Sache vorhanden ist und erlaube mir daher, die Beantwortung der Frage nach der Größe des erwähnten Fehlers, wie ich sie mir selbst am Schreibtisch durch Rechnung (nicht an der Bleikammer durch den Versuch) gegeben habe, zu veröffentlichen. Wird die an die Bleikammern abzugebende schweflige Säure aus Schwefel erzeugt, so bedürfen 16 Kil. Schwefel auch 16 Kil. Sauerstoff (a) und man erhält 32 Kil. schweflige Säure. Um die letztere Menge in Schwefelsäure zu verwandeln, sind noch 8 Kil. Sauerstoff nöthig (b). Von der Sauerstoffsumme a + b = 24 Kil. bleiben, wenn solche aus der atmosphärischen Luft entnommen werden, an Stickstoff übrig (24 . 76,814)/23,186 = 79,511 Kil., welche unter den gewöhnlich angenommenen Bedingungen einen Raum von 63,276 Kubikmet. erfüllen. Man würde also bei der Schwefelverbrennung erhalten: 32       Kil. schweflige Säure = 11,187 Kubikmet.   8        „ Sauerstoff =   5,593 79,511  „ Stickstoff = 63,276 Nach stattgehabter Schwefelsäurebildung, sowie nach erfolgter Wiedergewinnung der Salpetergase würde man von diesem Gasgemenge lediglich die mit angeführten 63,276 Kubikmet. Stickstoff abzuführen haben. Man nimmt aber gewöhnlich an und befolgt diese Annahme auch thatsächlich mit Nutzen in der Praxis, daß die abzuführenden Bleikammergase noch 6 Volumenprocente freien Sauerstoff enthalten sollen. Unter dieser Bedingung würde das abziehende Gasgemenge von folgender Zusammensetzung sein: 63,276 Kubikmet. Stickstoff, 20,059       „  5,319       „ StickstoffSauerstoff in der Zusammensetzung wie in atm. Luft –––––––––––––– 88,654 Kubikmet. im Ganzen. Gibt man 9 Kil. Chilisalpeter auf 100 Kil. verbrannten Schwefel (ein Satz, wie er für unsere deutschen Verhältnisse schon etwas reichlich genannt werden kann), so hat man auf 16 Kil. Rohschwefel 1,44 Kil. Salpeter zu setzen, welche (reinen Natronsalpeter vorausgesetzt) noch nicht ganz 0,51 Kilogrm. Stickoxydgas liefern würden. Der Wirklichkeit entgegen, werden hier mit Absicht die Salpetergase durchaus als Stickoxydgas in die Rechnung gebracht und zwar, weil von den beim Bleikammerproceß in Rücksicht kommenden Salpetergasen dieses Gas das niedrigste specifische Gewicht hat, mithin auch das größte Volumen in Betracht auf eine gewisse Gewichtsmenge Salpeters ergeben wird. Man kann deßhalb auch mit Sicherheit annehmen, daß der in dieser Weise gefundene Fehler in Wahrheit noch kleiner sein wird, als die Rechnung ergibt. Obige 0,51 Kilogrm. Stickstoffoxydgas bilden nun bei 0° C. und 760 Millimet. Bar. 0,447 Kubikmet. Aspirirt man die Gasproben in den Apparat direct hinter den Kammern, noch bevor die Gase in den Gay-Lussac'schen Apparat gelangen und in demselben die Salpetergase an starke Schwefelsäure wieder abgeben, so besteht das Gasgemenge nunmehr aus: 83,335 Kubikmet.  5,319       „ StickstoffSauerstoff 88,654 Kubikmet. zusammen, wie vorher.   0,447       „ Stickstoff ––––––––––––––– 89,101 Kubikmet. Gase. Untersucht man nun das Gemenge auf Sauerstoff, indem man vorher die Salpetergase (z.B. durch Kalilauge) herausnimmt, so würde man finden müssen: (5,319 . 100)/88,654 = 5,9997 Proc. Sauerstoff; oder streng genommen genau 6 Proc. der gemachten Annahme gemäß. Stellt man aber die Untersuchung an, ohne vorher die Salpetergase zu binden, so absorbirt man: 5,319 Kubikmet. Sauerstoff, plus 0,447        „ Salpetergase, auf NO² berechnet, ––––––––––––– oder 5,766 Kubikmet. Gase, welche man als Sauerstoff bestimmt. Alsdann würde man aber finden müssen: (5,766 . 100)/89,101 = 6,4713 Proc. Sauerstoff. Man hätte mithin im letzten Falle um 0,47 Proc. zu viel Sauerstoff erhalten. Es ist nun aber weder nöthig noch empfehlenswerth, die Sauerstoffbestimmungen mit Gasen vorzunehmen, welche noch nicht im Gay-Lussac'schen Apparate denitrirt sind. Nimmt man also Gase zur Untersuchung, welche diesen Apparat bereits passirt haben, so muß der Fehler geringer ausfallen. Gewöhnlich werden im Durchschnitt 2/3 der Salpetergase im Gay-Lussac-Thurme wiedergewonnen. Obwohl es nun keineswegs gestattet ist, anzunehmen, daß deßwegen das übrige Drittel wirklich unabsorbirt aus dem Thurme davongeht, so mag hier dennoch diese Annahme untergelegt werden. In diesem Falle nun würden in den Abgangsgasen noch 0,447/3 = 0,149 Kubikmet. Stickoxydgas zugegen sein und man hätte folglich eine Gemenge von: 83,335 Kubikmet. Stickstoff,   5,319       „ Sauerstoff,   0,149       „ Stickoxyd ––––––––––––––– 88,803 Kubikmet. Gase im Ganzen. In diesem Volumen würde nach Entfernung der Salpetergase wiederum, wie vorher, 5,9997 Proc. Sauerstoff enthalten sein. Untersucht man jedoch bei Gegenwart der Salpetergase, indem diese mit als Sauerstoff gefunden werden, so würde man, da 5,319 + 0,149 = 5,468 Kubikmet. Gase als Sauerstoff vom Pyrogallat aufgenommen sind, erhalten: (5,468 . 100)/(88,654 + 0,149) = 6,1575 Proc. Sauerstoff. Hier wäre die Differenz nur noch 0,16 Proc. Ich halte dafür, daß man sich aller Bedenken wegen dieses Fehlers füglich entschlagen kann, der aus mehreren vorher angegebenen Gründen übrigens noch zu groß gefunden werden mußte. Wer sich nicht der geringen Mühe unterziehen will, die zur Untersuchung kommenden Gasproben, ehe sie im Apparate gemessen werden, zu entsäuern, der wird allerdings stets um ein Weniges zu viel Sauerstoff in den Bleikammergasen finden. Ob die Entfernung der Salpetergase mit Rücksicht auf die Absorptionsflüssigkeit eine Nothwendigkeit ist, wage ich weder zu bejahen noch zu verneinen.