Titel: Ueber den Graphit; von Joh. Stingl.
Fundstelle: Band 208, Jahrgang 1873, Nr. LVII., S. 225
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LVII. Ueber den Graphit; von Joh. Stingl. Aus den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft in Berlin vom Verfasser mitgetheilt. Stingl, über den Graphit. Im 4. Hefte dieser Berichte (1873) befindet sich eine Abhandlung von Prof. C. Rammelsberg über den Graphit, welche mich veranlaßt, eine vorläufige Mittheilung über denselben Gegenstand zu veröffentlichen, da ich seit längerer Zeit mit der Untersuchung von Graphit und Graphitsäure beschäftigt bin.Polytechn. Journal, 1871, Bd. CXCIX S. 429 und Bd. CC S. 55. Behufs Darstellung der Graphitsäuren muß der zur Verwendung kommende Graphit von seinen Aschenbestandtheilen befreit werden, was nur dann vollständig gelingt, wenn man den Graphit sehr fein zerkleinert und die Operationen der Reinigung mit schmelzendem Alkali, Königswasser und Flußsäure wiederholt. Am schwierigsten läßt sich der blätterige Graphit, besonders Ceylongraphit, von seinem Gehalte an Kieselsäure befreien. So gab derselbe, nachdem er, wie Brodie angibt, unter Wasser in der Achatreibschale zu feinen Blättchen zerkleinert war, nach zweimaligem Behandeln mit obigen Reinigungsmitteln noch 0,42 Proc. unverbrennlichen Rückstand. Wurde die so gereinigte Partie abermals in der Reibschale, wie früher erwähnt, gerieben und nochmals der Einwirkung der angegebenen Agentien unterworfen, so ergab sich in 100 Theilen ein unverbrennlicher Rückstand von 0,12 Proc. Böhmischer und steierischer Raffinade-Graphit, die nach dem Zerreiben ein sehr zartes Pulver darstellten, auf die angegebene Art gereinigt, ergaben unwägbare Spuren von unverbrennlichen weißen Flocken.Siehe Gottschalk Journal für prakt. Chemie, 95, 326 und Löwe Journal für prakt. Chemie, 66, 186. Der Gehalt an unverbrennlichem Rückstande in einem und demselben gereinigten Graphit ist daher sehr veränderlich und richtet sich nach dem Grade der Feinheit des zerkleinerten Materials, was erklärlich ist, wenn man berücksichtigt, daß der in schmelzendem Kali, Königswasser und Flußsäure unlösliche Graphit die Aschenbestandtheile umhüllt und vor der Einwirkung der Lösungsmittel theilweise schützt. Was die Einschlüsse und Aschenbestandtheile betrifft, so sey vorläufig erwähnt, daß gewissen Graphiten ein großer Theil des Eisenoxydhydrates durch Salzsäure entzogen werden kann, während bei anderen Graphiten dieß nicht gelingt, da die ganze Menge des Eisenoxyds in der in Säuren unlöslichen Modification enthalten ist. Im steierischen Graphit kommt ferner Quarz in Stücken vor, die so mürbe sind wie geglühter und hierauf abgeschreckter Kiesel. Bezüglich des Unterschiedes zwischen „amorphem“ und „blätterigem“ Graphite, wie ihn Brodie zuerst aufstellte, muß ich bemerken: Graphitsäure nach den Methoden von Brodie Ann. Chem. Pharm. 114, S. 6. und Gottschalk Journal für prakt. Chemie, 95, S. 326. aus fein geschlemmtem und auf die oben beschriebene Art gereinigtem steierischen Graphite dargestellt, zeigt unter dem Mikroskope keine Krystallblättchen, sondern stellt ein schön gelbes amorphes Pulver dar, welches die von Brodie angegebenen, nachher von Gottschalk bestätigten Eigenschaften der Graphitsäure und deren Zusammensetzung besitzt. – Dieselben Eigenschaften zeigt Graphitsäure aus böhmischem geschlemmten und nachher gereinigten Graphite. Die Graphitsäuren, erhalten aus Ceylongraphit, sowie aus dem sogenannten Flintze des Passauer Graphites, ferner aus dem, aus feinen Blättchen bestehenden Graphite, der bei der Oxydation der Soda-Rohlauge mittelst Luft sich in einem bestimmten Momente an der Oberfläche der rothglühenden Schmelze abscheidet, erscheinen unter dem Mikroskope aus Krystallblättchen bestehend. Wird ferner Graphitsäure aus böhmischem und steierischem Graphite durch Erhitzen zersetzt, so besitzt die hierbei sich bildende schwarze Masse (eine Verbindung von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff) außer den schon von Gottschalk angegebenen Eigenschaften noch die, daß selbe ein bedeutendes Abfärbungsvermögen und große Deckkraft besitzt, so, daß selbe in der Hinsicht den feinsten Kienruß bei weitem übertrifft; während der Zersetzungs-Rückstand, herrührend aus den Graphitsäuren mit blätteriger Structur nicht abfärbt und gar keine Deckkraft besitzt. Diese letzteren Eigenschaften, Farbe und Deckkraft, scheiden in der Praxis scharf die Graphite in „amorphe“ und „blätterige“; denn überall, wo es gilt, Graphit als Färbematerial zu verwenden, wird nur nach dem amorphen, also dem böhmischen, steierischen, österreichischen u.s.w. Raffinade-Graphite gegriffen. Handelt es sich hingegen um Graphit für die Schmelztiegelfabrication, so ist neben den Aschenbestandtheilen und dem Grade der Verbrennbarkeit die Blättchenstructur eine der Anforderungen, die an den Graphit gestellt werden, da man weiß, daß solcher Graphit, weil dichter, länger dem Feuer wiedersteht und die Blättchenstructur dem Reißen der Tiegel entgegenwirkt, indem bei raschem Temperaturwechsel die Blättchen sich leicht verschieben und dabei doch einen Zusammenhang beibehalten. Deuten diese Eigenschaften nicht auf eine krystallinische Structur, auf eine dichtere Atomlagerung im blätterigen Ceylongraphite, im Passauer Flintze und im Graphite aus der Soda-Rohlauge? Ich bin übrigens damit beschäftigt zu untersuchen, ob die Graphitsäure wirklich eine krystallinische Verbindung ist. Die folgende Tabelle enthält die Ergebnisse der Elementar-Analyse der Graphitsäure a) aus steierischem, b) aus böhmischem Graphite verglichen mit den Resultaten der Analysen anderer Graphitsäuren: Brodie.  Gottschalk. a. b   C  61,11     61,04     56,89     56,99     55,73     56,23   H    1,85   1,85   1,72   1,77   1,87   1,83 O  37,04 37,11 41,39 41,24 42,35 41,94 Was nun den Graphit aus Soda-Rohlauge betrifft, wie selber in der Aussiger Sodafabrik erhalten wurde, so habe ich aus demselben die Graphitsäure dargestellt, mit deren weiterer Untersuchung ich beschäftigt bin, und denselben einer quantitativen Analyse unterzogen, obschon mir keine bedeutenderen Quantitäten zur Verfügung standen. Die Analyse ergab: C 79,70 Proc., Asche 21,04. Der Kohlenstoff wurde nach Art der Elementar-Analyse bestimmt. Wasserstoff konnte in der durch stärkeres Erhitzen getrockneten Partie nicht nachgewiesen werden. Die Asche stellte ein zinnoberrothes Pulver dar und enthielt in 21 Theilen: Eisenoxyd 11,27 Theile Kieselsäure 10,05      „ Um über die Natur der Eisenverbindung Aufschluß zu bekommen, wurde eine abgewogene Partie mit saurem schwefelsaurem Kali geschmolzen, hierauf mit verdünnter Schwefelsäure digerirt, die filtrirte Lösung durch Wasserstoff reducirt und das Eisenoxydul mit Chamäleonlosung titrirt. 100 Theile des hierzu verwendeten Graphites enthalten 11,49 Proc. Eisenoxyd, was mit der oben angegebenen Menge dieses Oxydes (in der Asche) nahezu stimmt und zeigt, daß das Eisen als Oxyd-Verbindung in diesem Graphite enthalten ist. Dieser Gehalt an Eisenoxyd legt die Vermuthung nahe, daß der Graphit nicht dadurch entsteht, daß die Cyannatrium-Verbindungen der Rohlauge durch den Sauerstoff der Luft in Natriumhydroxyd, Stickstoff und Graphit zerlegt werden, wie allgemein angenommen wird, sondern daß die Graphit-Bildung in diesem Falle das Product eines secundären Processes ist, indem nämlich das Cyannatrium und Ferrocyannatrium zunächst durch den Sauerstoff der Luft in Kohlenoxyd, Stickstoff und Natriumhydroxyd – neben Eisenverbindungen – zerlegt werden. Gleichzeitig wird das als Doppelverbindung gelöste Schwefeleisen oxydirt. Das Kohlenoxyd kann nun auf das Eisenoxyduloxyd in der Art wirken, daß Kohlenstoff in Form von Graphit abgeschieden und das Eisenoxydul in Oxyd übergeführt wird.L. Grüner, Ann. Chem. Pharm. 161, S. 122. Für diesen Vorgang spricht auch der Umstand, daß man früher, als die Rohlauge mittelst Salpeter oxydirt wurde und man die unlöslichen Eisenverbindungen durch Absetzenlassen entfernte, bevor die Masse bis zur Rothgluth erhitzt wurde, keine Graphitbildung beobachtete. Ich bin damit beschäftigt, diese meine Ansicht experimentell zu prüfen. Zum Schlusse will ich noch einige Bemerkungen über die Art der Kohlenstoffbestimmung im Graphite erwähnen. Ich habe durch Untersuchung mehrerer verschiedener Graphite gefunden, daß die beste Methode zur Kohlenstoffbestimmung immer die nach Art der Elementar-Analyse ist, da nur nach dieser Methode der Kohlenstoffgehalt in den meisten Fällen richtig bestimmt werden kann, während eine Kohlenstoffbestimmung aus dem Glühverluste des Graphits an der Luft Fehler mit sich bringt, wenn die Graphite kohlensauren Kalk, Schwefeleisen und Eisenoxydhydrat als Aschenbestandtheile enthalten, was sehr häufig der Fall ist. Daß unter diesen Umständen beim Verbrennen an der Luft auch andere Processe als bloße Kohlensäure-Bildung aus dem Kohlenstoffe des Graphites und dem Sauerstoffe der Luft vor sich gehen, braucht nicht erst erwähnt zu werden. Welche Differenzen man im Kohlenstoffgehalte bekommen kann, je nachdem man einmal die gebildete Kohlensäure wägt, oder den Kohlenstoff aus der Differenz bestimmt, zeigen folgende Beispiele: Graphit aus Soda-Rohlauge gab: Glühverlust. Direct bestimmt. C 81,08 Proc. 79,7 Proc. Die Asche war nach dem Verbrennen des Graphits an der Luft blutroth und enthielt Eisenoxydul. Graphit von Kallwang im Paltenthale in Steiermark gab: Differenz. Direct bestimmt. C 43,6 Proc. 41,97 Proc. Dieser Graphit enthielt 6,4 Proc. kohlensaueren Kalk. Graphit von Sct. Lorensen in Steiermark enthielt: Differenz. Direct bestimmt. C 68,6 Proc. 69,1 Proc. Dieser Graphit enthielt 2,10 Proc. Kupferkies. Sobald meine Arbeiten über Graphit und Graphitsäure und über die Bildung des Graphites aus Rohlauge beendet sind, werde ich ausführlicher darüber berichten. Wien, Laboratorium des Prof. Bauer.