Titel: | Zur Frage der Anwendung des Wasserdampfes als Feuerlöschmittel; von Emil Sommer. |
Autor: | Emil Sommer |
Fundstelle: | Band 208, Jahrgang 1873, Nr. LXV., S. 281 |
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LXV.
Zur Frage der Anwendung des Wasserdampfes als Feuerlöschmittel; von Emil Sommer.
Sommer, über Anwendung des Wasserdampfes als Feuerlöschmittel.
Der im 1. Decemberhefte vor. Jahrganges dieses Journals Bd. CCVI S. 411 veröffentlichte,
bemerkenswerthe Aufsatz „Anwendung des Wasserdampfes zum Feuerlöschen“ von Dr. H. Weidenbusch in Wiesbaden, worin der Verfasser, von theoretischen wie praktischen Gründen ausgehend, die
umfassende Verwendung des Wasserdampfes als Löschmittel auf's wärmste empfiehlt, hat sicherlich nicht verfehlt, das lebhafte
Interesse
der Leser zu erregen und der behandelten Frage durch die darin gegebenen neuen Gesichtspunkte und Winke vielseitige Aufmerksamkeit
zuzuwenden. Nichtsdestoweniger oder vielmehr gerade wegen des hohen Interesses, welches der vorliegende Gegenstand darbietet,
können
wir nicht umhin, auch unsererseits denselben einer kurzen Betrachtung zu
unterziehen, und hierdurch vielleicht zur Klarstellung desselben beizutragen, wobei wir allerdings nicht verhehlen können,
daß wir den
Standpunkt des Hrn. Verfassers in mannichfacher und namentlich principieller Beziehung nicht immer zu theilen vermögen.
Vor allem erscheint die in der fraglichen Mittheilung hervortretende Auffassung etwas eigenthümlich, nach welcher Wasser und
Wasserdampf in ihrer Anwendung zum Feuerlöschen als zwei gänzlich verschiedene und gesonderte Dinge behandelt und wegen ihrer
ungleichen, flüssigen und gasförmigen Natur einander fast ganz entgegengestellt werden, indem es darin unter Anderm heißt
„daß das Wasser ein rationelles Bekämpfungsmittel des Feuers nicht seyn kann, leuchtet dadurch ein, daß während sich das
Feuer nur durch die allseitige Ausdehnung und Fortpflanzung glühender Gase verbreitet, das Wasser eine
Flüssigkeit ist, welche als solche kein Expansionsvermögen hat, die Stelle zwar, welche es trifft, eine Zeit lang außer Kampf
setzt, sie aber immer nur einseitig trifft und keinen Vergleich mit der Wirkung gasiger Stoffe aushält.“
Die Anwendung des Wassers zum Löschen des Feuers wäre hiernach als irrationell zu bezeichnen und folglich das ganze bisherige,
hierauf
beruhende Löschverfahren als verfehlt zu verwerfen, während wir im Gegentheile das Wasser, von speciellen Fällen und besonderen
Feuersbrunstursachen abgesehen, für ein durchaus rationelles Löschmittel halten, und zwar in der Hauptsache aus denselben
Gründen, aus
welchen der Hr. Verfasser dem Wasserdampf einen so hervorragenden Rang als Feuerlöschmittel einräumt.
Für uns ist nämlich das gewöhnliche Löschverfahren mit Wasser und Feuerspritzen im Wesentlichen nichts Anderes, als eine besondere
Form, und fügen wir gleich hinzu, die einfachste, natürlichste und praktischste Form der Anwendung des Wasserdampfes zum Feuerlöschen,
und unterscheidet sich die als neu vorgeschlagene Dampffeuerlöschmethode von dem bisherigen uralten Löschverfahren eigentlich
strenggenommen nur dadurch, daß bei ersterer der zum Verdrängen und Abschließen der Luft bestimmte Dampf separat in besonderen
Apparaten (Dampfkesseln) und unter Anwendung eines besondern Feuers erzeugt und hierauf erst auf das zu löschende Feuer geleitet
werden soll, während bei der gewöhnlichen Löschmethode in ungleich directerer und naturgemäßerer Verfahrungsweise das Wasser
unmittelbar auf den Feuerheerd des Brandes gegossen, und so letzterer, respective dessen Hitze selbst zur Erzeugung des als
Hauptlöschmittel dienenden Wasserdampfes verwendet und somit die
Feuersbrunst selbst für den Zweck ihrer Bekämpfung und Unterdrückung dienstbar gemacht wird.
Man kann hiernach wohl behaupten, daß, seitdem die Welt überhaupt Feuersbrünste zu löschen hat, dieselben in der Hauptsache
eigentlich
mit nichts Anderem, als mit Wasserdampf gelöscht wurden. Wir sagen ausdrücklich „in der Hauptsache,“ denn,
anstatt bloß, wie der Wasserdampf, den Feuerherd einzuhüllen und die Luft davon abzuschließen, besitzt das Wasser, als Flüssigkeit
zum
Löschen angewendet, den großen Vorzug, auch noch in anderer, kaum minder wichtiger und dem fertigen Wasserdampfe nicht zukommender
Weise, nämlich durch intensive Abkühlung oder Wärmeentziehung zu wirken.
Jeder Körper bedarf, um verbrennen zu können nicht bloß des Sauerstoffes der Luft, sondern auch einer gewissen Temperatur,
unterhalb
welcher die Verbrennung nicht mehr stattfindet, und indem daher das auf das brennende Object gegossene Wasser zum großen Theile
verdampft, entzieht es hierdurch natürlich dem brennenden Körper die zu seiner Umwandlung in Dampf erforderliche kolossale
Wärmemenge
und trägt so in wirksamer Weise dazu bei, die Intensität der Verbrennung zu vermindern.
Es soll damit übrigens keineswegs in Abrede gestellt werden, daß die Anwendung des Wasserdampfes zum Löschen in zahlreichen
Fällen von
besonderer ausgezeichneter Wirkung sey und daher unter gewissen Umständen erhebliche Vorzüge, dem gewöhnlichen Löschverfahren
gegenüber, darbiete, und rechnen wir hierher namentlich alle diejenigen Fälle, wo, wie der bei von dem Verfasser als entscheidende
Probe citirten Feuersbrunst, es sich darum handelt, Brände in mehr geschlossenen oder gedeckten Räumen (Sälen, Theatern,
Fabrikräumlichkeiten etc.) zu löschen, resp. zu ersticken und zu diesem Behufe die betreffenden Räume möglichst rasch mit
irrespirabelm, die Verbrennung nicht unterhaltendem Gase anzufüllen, um so das Feuer von der äußeren Luft abzuschließen. Vor
allem
erscheinen die Vorschläge des Hrn. Weidenbusch für diejenigen Anstalten und Etablissements besonders
beachtens- und empfehlenswerth, welche schon ohnedieß des Wirthschafts- oder Fabrikbetriebes oder der Beheizung wegen
mit Dampfkesseln versehen sind und daher nicht nur fortwährend Wasserdampf zu ihrer Verfügung haben, sondern auch leicht und
mit
geringen Kosten mit der in Rede stehenden Dampflöscheinrichtung ausgerüstet werden können. Namentlich dürfte ferner in der
Anwendung
des Wasserdampfes, auch nach unserem Dafürhalten, das wirksamste Mittel liegen, um den fast mit der Unvermeidlichkeit des
Verhängnisses stets wiederkehrenden Bränden von Schauspiel- und Opernhäusern Einhalt zu gebieten, d.h. bei Ausbruch einer Feuersbrunst die Theaterräume sofort mit reichlichen Fluthen
von Wasserdampf zu überschwemmen und anzufüllen und so die Flamme gleichsam zu ersticken.
Wo es sich dagegen um Feuersbrünste gewöhnlicher Art und die Bekämpfung frei auflodernder Flammen handelt, wird die Anwendung
des
fertigen Dampfes diejenige des mittelst Pumpen oder Spritzen auf den Feuerherd geschleuderten Wassers nach unserer Ueberzeugung
niemals verdrängen, namentlich wenn man berücksichtigt, daß der aus dem Wasser durch die Wirkung des Feuers selbst gebildete
Dampf die
brennenden Objecte weit vollkommener, unmittelbarer und allseitiger einhüllen muß, als dieß ein von außen einseitig gegen
das Feuer
geleiteter Dampfstrahl vermag. Jedenfalls muß es als etwas durchaus Irrationelles erscheinen, die in einer Feuersbrunst gegebene
kolossale Wärme- und Kraftentwickelung nicht direct zur Unterdrückung des Brandes selbst zu verwerthen, sondern neben einem
bereits vorhandenen Feuer noch ein zweites anzuzünden, bloß um Dampf zu produciren, dessen Erzeugung ersteres eben so gut
selbst
übernommen hätte, und für dessen Production somit die Wärme des Hauptfeuers gänzlich verloren geht.
Wir möchten außerdem hinzufügen, daß wir jedenfalls den Wasserstrahl in ungleich vollkommenerem Grade, als den Dampfstrom
in unserer
Gewalt haben, um denselben auf einen bestimmten Punkt zu lenken und denselben wirksam zu bestreichen, sowie es andererseits
schwerlich
gelingen dürfte, den Dampfstrom auf gleiche Entfernungen hin mit demselben Erfolge wirken zu lassen, wie den durch mächtige,
vervollkommnete Pumpwerke und Spritzen weithin geschleuderten Wasserstrahl. Ebenso ist eine rasche Hülfe, wie dieselbe zur
Verhütung
oder Unterdrückung größerer Feuersbrünste hauptsächlich von Wichtigkeit erscheint, nach dem bisherigen Löschverfahren mit
dem überall
stets bereiten Wasser, d.h. mit dem durch die Feuersbrunst selbst sofort erzeugten Wasserdampfe sicherlich weit eher und leichter
gebracht werden, als mit dem in einem Dampfkessel erst noch zu producirenden Wasserdampfe. Ueberdieß darf man sich über die
praktische
Ausführbarkeit und allgemeinere Anwendung der für das Dampflöschverfahren vorgeschlagenen und in jedem Hause anzubringenden
Vorrichtungen keinen Illusionen hingeben, und beweisen analoge Erfahrungen zur Genüge, daß, selbst die volle Wirksamkeit des
Verfahrens vorausgesetzt, derartige, immerhin bloß auf die mögliche Eventualität eines Brandes berechnete, kostspielige und
umständliche Vorkehrungen doch immer nur in wenigen größeren und wichtigeren Gebäuden, dagegen in der großen Masse der Wohnungen
nicht
leicht zur Durchführung gelangen würden.
In besonderen, oben näher berührten Fällen mag die Anwendung des fertigen Dampfes, wie gesagt, sich als höchst wirksam und
nützlich
erweisen und hierin der gewöhnlichen Löschmethode vorzuziehen sein; im Großen und Allgemeinen aber, wird dagegen das Wasser
und mit
ihm das bisherige Löschverfahren, das, wie wir gesehen haben, in der Hauptsache gleichfalls nichts anderes als eine besondere
Form der
Anwendung des Dampfes darstellt, seinen prädominirenden Platz unter den Löschmitteln unverrückt behaupten, und dürfte daher
nach den
entwickelten Gesichtspunkten von dem Dampfkessel, trotz dessen sonstiger, reformatorischer Macht, wenigstens auf dem hier
erörterten
Wege nicht leicht eine Umgestaltung des herrschenden Löschwesens zu erwarten sein.