Titel: Ueber Steinkohlentheer und über Steinkohlentheerpech; von Dr. E. A. Behrens.
Autor: E. A. Behrens
Fundstelle: Band 208, Jahrgang 1873, Nr. XCII., S. 362
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XCII. Ueber Steinkohlentheer und über Steinkohlentheerpech; von Dr. E. A. Behrens. Behrens, über Steinkohlentheer und über Steinkohlentheerpech. Steinkohlentheer im Allgemeinen. Die bei hoher Temperatur und unter Luftabschluß vor sich gehende trockene Destillation der Steinkohle erzeugt, neben dem Leuchtgase und dem ammoniakhaltigen Wasser, eine mehr oder weniger dickflüssige schwarze Substanz, die unter dem Namen Theer allgemein bekannt ist. Je nach dem Wärmegrade, unter welchem die Destillation der Steinkohle stattfindet, ändert sich die Zusammensetzung des Theeres, und selbst bei anscheinend geringen Differenzen in der Temperatur erhält man, wenigstens in quantitativer Hinsicht, ganz verschiedene Gemenge, und geht aus meinen Versuchen hervor, daß unter sonst gleichen Umständen die Summe der im Theer enthaltenen festen Körper mit der Temperatur zunimmt. Auf einigen Gasanstalten geschieht die Destillation der Kohle sowohl nach der gewöhnlichen Methode in eisernen oder vorzugsweise in thönernen Retorten und zugleich auch nach dem bekannten Pauwels'schen System in Kohksöfen, von deren näherer Beschreibung ich hier absehe, aber die Thatsache hervorhebe, daß in diesen Oefen die Temperatur niedriger ist als in Retorten. Während der von mir angestellten Versuche, um den Einfluß der Temperatur auf die Theerbildung zu bestimmen, wurden in genannten Oefen und in thönernen Retorten dieselben Sorten von Kohlen destillirt. Nun fand ich, daß der aus Retorten gewonnene Theer viel reicher war an Benzol und Toluol, zugleich aber auch Naphtalin und die übrigen festen Körper in größerer Menge enthielt, während in dem in Oefen, also bei weniger hoher Temperatur, erzeugten Theer die flüssigen Kohlenwasserstoffe überwiegend waren, und der Theer selbst war specifisch leichter. Zugleich habe ich beobachtet, daß im Kohksofentheer eine bedeutendere Menge von in Alkalien löslichen Körpern enthalten ist, aber unter diesen befindet sich die eigentliche Carbolsäure nur in verschwindend kleinem Maaße. Uebrigens läßt sich die Beobachtung, daß bei höherer Temperatur eine Zunahme stattfindet an Benzol und Naphtalin, sehr gut in Einklang bringen mit der Thatsache, daß, wenn man durch ein glühendes Rohr Theeröle leitet, diese sich theilweise in Benzol und Naphtalin zersetzen, unter Erzeugung von Leuchtgas und Ausscheidung von Graphit. Ueber diese Zersetzung habe ich Gelegenheit gehabt Versuche in sehr großem Maaßstabe anzustellen, welche darauf hinzielten, aus den schweren, sonst vornehmlich zum Creosotiren des Holzes verwandten Theerölen Leuchtgas zu bereiten. Die Anwendung von gußeisernen Retorten war hierbei praktisch unmöglich, indem dieselben in sehr kurzer Zeit außer Betriebsfähigkeit gesetzt wurden. Thönerne Retorten erfüllten den Zweck weit besser, aber am vortheilhaftesten war der Gebrauch eines aus feuerfesten Steinen gemauerten Ofens mit geheizter Sohle. Derselbe wurde bis zu einer zwischen der Roth- und Weißgluth gelegenen Temperatur erhitzt, alsdann wurde ein fingerdicker, continuirlicher Strahl schweren Oeles durch ein S-Rohr hineingeleitet. Die Verdichtungsvorrichtungen bestanden aus der gewöhnlichen Hydraulik und sehr weiten Röhren, welche, trotz ihres bedeutenden Durchmessers, noch häufig durch Naphtalin und dem, durch die Gase und Dämpfe mitgeführten Ruß verstopft wurden. In der Hydraulik, welche am Fuße des Ofens lag, verdichtete sich der größte Theil des nicht zersetzten Oeles, während der übrige Theil nebst Naphtalin und den gebildeten, flüchtigen Kohlenwasserstoffen sich erst in dem Kühlrohre von dem Gase abschieden. Ich habe nun gefunden, daß die schweren Oele auf diese Weise durchschnittlich 2 Proc. Benzol und Toluol lieferten, dann etwas Xylol und nur Spuren von Cumol und Cymol. Unter und über der vorhin erwähnten Temperatur verminderte sich die Ausbeute an leicht siedenden Kohlenwasserstoffen. Im ersteren Falle zersetzte sich nur ein geringeres Quantum schweren Oeles und im letzteren verwandelte sich das Benzol in Naphtalin. Die Producte, welche man am entferntesten Punkte der Kühlvorrichtung auffing, bestanden fast ausschließlich aus einem Gemische von Naphtalin, Benzol und etwas Toluol, aus dem, beiläufig bemerkt, reines Benzol viel leichter herzustellen war, als aus den sogenannten leichten Theerölen, in welchen zugleich die, zwischen dem Benzol und Naphtalin gelegenen Kohlenwasserstoffe stets in größerer Proportion enthalten sind. Auf der Sohle des Ofens bleibt Graphit zurück, welchen man in großen Stücken erhalten kann und der ein werthvolles Material für Erzeugung hoher Temperaturen bildet. – Andererseits sind Versuche angestellt worden, welche bewiesen haben, daß in thönernen Retorten die Gasausbeute bedeutend zunimmt, wenn man bei einer höheren Temperatur arbeitet, als die in den meisten Anstalten gebräuchliche, auch das Leuchtvermögen des so bereiteten Gases nicht beeinträchtigt wird unter der Bedingung, daß man zugleich die bei gewöhnlicher Temperatur übliche Füllung der Retorte steigert. Ohne letztere Maßregel würde durch eine erhöhte Temperatur das Leuchtvermögen der Gase verringert werden. Ich habe nun gefunden, daß bei dieser, für die Gasfabrication höchst vortheilhaften Betriebsmethode die im Theer enthaltenen festen Körper in sehr merklicher Weise zunehmen. Nicht allein die Destillationstemperatur, sondern auch die Natur der Kohle selbst hat großen Einfluß auf die Zusammensetzung des Theers. So liefert z.B. die bituminöse, wasserstoffreiche, schottische Bogheadkohle eine bedeutende Menge von Oelen, welche aber von denen des gewöhnlichen Steinkohlentheeres gänzlich verschieden sind. An die Stelle von Naphtalin, resp. Anthracen treten Paraffine, anstatt Benzol und Toluol findet man ganz andere Hydrocarbüre, von leichterem specifischem Gewicht, weniger reich an Kohlenstoff und die darum als Leuchtmaterial ihre besondere Verwerthung haben. Zwischen den beiden äußersten Gliedern der Kohlenreihe, der ganz mageren Anthracitkohle und der höchst bituminösen Bogheadkohle, befanden sich die anderen Varietäten von Steinkohlen, und je nachdem diese sich in ihren Eigenschaften mehr der einen oder der anderen nähern, sind auch die davon abstammenden und unter gleichen Umständen gebildeten Theere dem der Anthracitkohle oder dem Theere der Bogheadkohle ähnlicher. Aus Vorhergehendem ergibt sich, daß man mit Unrecht annehmen würde, der Steinkohlentheer sey ein constantes Gemenge von denselben Substanzen in immer gleichen Proportionen, aber betrachtet man besonders den Theer, wie er in den meisten Gasanstalten gewonnen wird, so findet man in dessen quantitativer Zusammensetzung oft bedeutende Differenzen, jedoch in qualitativer Hinsicht bleibt er sich wohl gleich. – Der in den Gasanstalten erzeugte Theer verdichtet sich bekanntlich theils in der Hydraulik, theils in den weiteren Kühlvorrichtungen. Letzterer ist natürlich der reichste an flüchtigen Stoffen und daher viel dünnflüssiger als der in der Hydraulik verdichtete, welcher im Winter, der Kälte ausgesetzt, meistens eine vollständig feste Masse bildet. In den meisten Gasanstalten werden beide Theere nicht separat gewonnen, sondern sie vereinigen sich mit dem verdichteten, ebenfalls bei der Kohlendestillation erzeugten Ammoniakwasser, in der sogenannten Theergrube, von welcher man letzteres zweckmäßig in ein besonderes Bassin ablaufen läßt, wodurch man Theer und Wasser möglichst trennt. Der Steinkohlentheer bildet eine dickflüssige, schwarze Masse von durchschnittlich 1,2 spec. Gewicht. Um die darin enthaltenen Producte zu trennen, unterwirft man ihn der fractionirten Destillation. Zu diesem Zwecke benutzt man am besten schmiedeeiserne Blasen, in Form eines stehenden Cylinders, mit nach innen gewölbtem Boden, an welchem ein gußeiserner Stutzen so angebracht ist, daß durch denselben der Ausfluß des Destillationsrückstandes vollständig stattfindet. Die Füllung der Blase geschieht am leichtesten vermittelst einer Kettenpumpe, deren Rohr fast bis auf den Boden der Theergrube reicht. Die Blase steht durch den Helm in Verbindung mit einer bleiernen oder besser aus gußeisernen Röhren zusammengesetzten Kühlschlange. Das Heizen findet durch directes Feuer statt. Anfänglich darf die Feuerung ziemlich stark seyn, bis der Geruch von Ammoniak am Ende der Schlange merklich wird, dann aber ist es unumgänglich nöthig, das Feuer sehr zu mäßigen, da sonst ein Uebersteigen des Theers unvermeidlich ist. Hat dann die Destillation begonnen und ist der größte Theil des im Theer theils mechanisch beigemischten, theils chemisch gebundenen Wassers übergegangen, so darf ohne Gefahr das Feuer unter der Blase vergrößert werden. Man erhält nun der Reihe nach folgende Producte: 1. Ammoniakhaltiges Wasser nebst leichten Oelen, von etwa 0,920 spec. Gew. 2. Leichte Oele (Mittelöle), von etwa 0,980 spec. Gew. Sie enthalten das Destillat von 0,920 bis 1,020. 3. Oele, specifisch schwerer als Wasser, von 1,06 spec. Gew. (Kreosotöle), deren letzter Theil die anthracenhaltigen Oele bildet. Die ersten leichten Oele sind natürlich die reichsten an Benzol und Toluol und können darauf direct verarbeitet werden.Die Verarbeitung zerfällt bekanntlich in 1. ein Reinigungsverfahren durch auf einander folgende Einwirkung von Schwefelsäure, Wasser und Natronlauge; 2. Trennung der Kohlenwasserstoffe durch fractionirte Destillation, über directem Feuer oder jetzt meistens vermittelst Dampf. Die Kochpunkte dieser Kohlenwasserstoffe sind folgende:Benzol = 80,4°Toluol = 108°Xylol = 130°.Cumol = 151°Cymol = 175°Naphtalin = 216°.Wenn die Gesetze über die Spannkraft der Gase auf die Dämpfe Anwendung fänden, welche ein Gemisch mehrerer, sich gegenseitig auflösender Flüssigkeiten abgibt, so müßten die leichten Oele, von denen die Rede ist, bei einer unter 80,4° gelegenen Temperatur in's Kochen gerathen, aber in Folge einer noch wenig erklärten Einwirkung der gemischten Substanzen auf einander verhalten sich diese in Betreff ihrer Spannkraft ganz anders als in getrenntem Zustande und befindet sich der Kochpunkt eines Gemisches meistens zwischen den Kochpunkten der am leichtesten und der am schwersten siedenden Flüssigkeit. Außerdem ist die eben erwähnte Einwirkung nicht constant und um so geringer auf die Spannkraft der Dämpfe als in dem Gemische der flüchtigste von den darin enthaltenen Körpern in überwiegender Menge vorhanden ist; z.B. geräth das leichte Oel bei einer um so niedrigeren Temperatur in's Kochen, je größer die Menge des darin enthaltenen Benzols ist. Vorstehende Thatsachen lassen sich leicht durch folgenden Versuch veranschaulichen. Ich füllte eine Retorte mit, bei 360° siedendem Theeröl und erwärmte dasselbe auf etwa 200°, welche Temperatur ich aufrecht erhielt. Darauf leitete ich durch eine Röhre, die fast am Boden der Retorte mündete, in dieselbe einen Strom von Benzoldampf, welcher in einer gewogenen Kochflasche erzeugt wurde. Zuerst wurde fast alles Benzol in der Retorte zurückgehalten, aber je länger ich dasselbe einleitete, desto weniger wurde davon absorbirt. Am Ende des Versuches fand ich, daß unter den Umständen, wie ich denselben anstellte, das Gewicht des Oeles und der Retorte sich fast um 50 Proc. des Verlustes an Benzol in der Kochflasche vermehrt hatte.Sobald der Kochpunkt eines Gemisches erreicht ist, destilliren zugleich alle darin befindlichen Körper, aber in einem Gewichtsverhältniß, welches durch die Spannkraft und die Dampfdichte jedes einzelnen Körpers, unter den besonderen Umständen, die ich vorhin bemerkt, bedungen wird, und wie schon angedeutet, kann man annehmen, daß die Spannkraft um so weniger beeinflußt wird, als die Proportion des betreffenden Körpers im Gemische überwiegender ist. – Im Allgemeinen destillirt der flüchtigste Körper zuerst in größter Menge, dadurch wird die Spannkraft der zurückbleibenden Flüssigkeit vermindert und das Steigen des Kochpunktes ist eine Folge davon. Wenn keine gegenseitige Einwirkung der Körper in der gemischten Flüssigkeit stattfände, so müßte die Zusammensetzung des Destillats constant bleiben, aber dieselbe wechselt fortwährend, der flüchtigere Körper nimmt stets ab und die weniger flüchtigen nehmen zu. – Nun ist noch die eine Thatsache zu erwähnen, nämlich daß ein Gemisch zweier Körper so zusammengesetzt seyn kann, daß bei der Destillation, unter einem gegebenen Drucke, das übergehende Product genau in demselben Gewichtsverhältniß die Körper enthält, wie sie in der Flüssigkeit vorhanden sind. In diesem Falle bleibt der Kochpunkt constant und die Trennung kann dann, unter demselben Drucke, durch fractionirte Destillation nicht vor sich gehen, wohl aber möglicherweise unter einem anderen Drucke, da alsdann der Kochpunkt des Gemisches sich verändert und die Spannkraft verschiedener Dämpfe nicht in gleichem Verhältniß zu der Temperatur steht. Am zweckmäßigsten wäre dann die Destillation im luftleeren Raume vorzunehmen, weil bei einer Temperatur-Erniedrigung die Spannkraft des flüchtigeren Körpers meistens weniger abnimmt als diejenige einer, bei höherer Temperatur siedenden Substanz. Jedoch hat in der Praxis diese Methode wenig Aufnahme gefunden, auch kann man leichter zu demselben Resultate gelangen, wenn man einfach das untrennbare Gemisch zerstört, indem man es z.B. in unserem speciellen Falle mit höher siedenden Kohlenwasserstoffen wieder versetzt.Aus Vorhergehendem sind leicht die großen Schwierigkeiten zu erklären, mit denen die Trennung der Körper durch fractionirte Destillation verknüpft ist. Vorzüglich in dem Falle, wo es sich darum handelt, ziemlich reine Producte herzustellen, gelingt dieß bekanntlich meistens nur nach oftmals wiederholten Rectificationen. Man hat die verschiedensten Apparate construirt, um die Trennung zu beschleunigen, die alle so zu sagen auf einer fractionirten Verdichtung der Dämpfe beruhen. Eine der einfachsten und zugleich der besten Methoden besteht darin, die aus der Blase kommenden Dämpft von unten nach oben durch eine Schlange zu leiten, welche mit Wasser oder eventuell einer, bei höherer Temperatur siedenden Flüssigkeit umgeben ist, welche man beliebig wärmen kann. Die weniger flüchtigen Stoffe verdichten sich theilweise in der Schlange und fließen in die Blase zurück. Dieser Apparat liefert recht gute Resultate, wenn die betreffende Schlange von weitem Durchmesser ist, so daß die Dämpfe die darin verdichtete Flüssigkeit nicht mechanisch mitführen können. Im Laboratorium hat mir eine Einrichtung sehr gute Dienste geleistet, welche darin bestand, die Dämpfe eines Gemisches durch eine gewisse Anzahl von leeren Kochflaschen zu leiten, die in der Weise eines Woulf'schen Apparates mit einander verbunden waren und deren jede sich in einem Oelbade befand, dessen Temperatur beliebig geregelt werden konnte und desto mehr abnahm, je weiter die Flasche von dem Behälter, in welchem die Destillation vor sich ging, entfernt war. Es ist schwierig, eine solche Einrichtung in großem Maaßstabe auszuführen, da die Fläche der Verdichtungsapparate sehr bedeutend seyn muß im Verhältniß zu der Menge der hindurchströmenden Dämpfe, wenn der Zweck erfüllt werden soll. Sie enthalten nur ganz unbedeutende Mengen, etwa 2–3 Proc., von in Alkalien löslichen Oelen. Wenn fast alles Wasser aus dem Theer entfernt ist, so tritt eine leicht zu erklärende Stockung in der Destillation ein. Diese findet nämlich anfangs durch die sich in der Theermasse entwickelnden Wasserdämpfe statt; nachher muß aber der Theer auf seinen wirklichen Kochpunkt erwärmt werden und daraus erfolgt der Stillstand in der Destillation. – Die zweiten leichten Oele oder sogenannten Mittelöle bestehen hauptsächlich aus Cumol, Cymol, besonders Naphtalin und durchschnittlich 20–25 Proc. in Alkalien löslichen Oelen, unter ihnen die Carbolsäure. Gewöhnlich werden diese Oele nochmals einer Rectification unterworfen, bevor zur weiteren Verarbeitung geschritten wird. Man fängt hierbei etwa 50 Proc. des rohen Oeles auf, d.h. man unterbricht die Operation, sobald das übergehende Destillat bei mäßiger Temperatur erstarrt; der Rückstand wird mit den Kreosotölen vermischt. Aus dem rectificirten Oele werden zuerst die Carbolsäure und homologe in Alkalien lösliche Oele entfernt. Die Fabrication der Carbolsäure beruht auf folgendem Princip, welches lange Jahre als Fabrikgeheimniß bewahrt wurde, nämlich: „Wenn ein Oel, in welchem sich zugleich Carbolsäure und andere homologe Säuren befinden, mit einem solchen Quantum verdünnter Natronlauge behandelt wird, welches ungenügend ist, um alle Säuren zu lösen, so wird die Carbolsäure zuerst aufgenommen. Sie ist also die stärkste Säure von denen der Phenolreihe, welche sich im Steinkohlentheer vorfinden.“ Die Oele, woraus die in Alkalien löslichen Stoffe entfernt sind, werden alsdann in ähnlicher Weise wie die ersten leichten Oele weiter verarbeitet und dienen, wie jene, zur Bereitung von sogenanntem Fleckwasser (welches bei der fractionirten Destillation mindestens 90 Proc. von 120° bis 150° geben muß), von Benzin zur Auflösung des Kautschuks, und in England wird außerdem noch ein sog. „Brennnaphta“ daraus bereitet, welches wegen seines billigen Preises, vorzüglich in offenen Buden auf Märkten, in besonders zu diesem Zwecke construirten Lampen verbraucht wird. Von Benzol enthalten die Mittelöle nur Spuren. Dieß wird, wie erwähnt, aus den ersten leichten Oelen gewonnen. Das im Handel gängige Product ist ein Gemisch von Benzol und Toluol. Man verwendet je nach der Anilinfarbe, welche man bereiten will, 90–50 oder 30procentiges Benzol, d.h. ein Gemisch, von welchem bei der Destillation 90 resp. 50 oder 30 Proc. bis 100° übergehen. Die Kreosotöle werden bekanntlich entweder nach Ausscheidung des Naphtalins oder mit diesem zusammen, oder auch häufig mit Steinkohlentheer vermischt, zum Kreosotiren des Holzes und insbesondere der Lagerschwellen auf Eisenbahnen verbraucht; bei Anwendung von Steinkohlentheer ist es wichtig, denselben möglichst frei von Ammoniak zu haben, da dasselbe einen nachtheiligen Einfluß auf die Conservation des Holzes ausübt. Die Kreosotöle enthalten etwa 15 Proc. von in Alkalien löslichen Körpern und bestehen sonst aus einem Gemisch von festen und flüssigen Kohlenwasserstoffen. Sie nehmen mit Leichtigkeit Schwefel auf und habe ich bemerkt, daß diese Lösung, wenn man sie erwärmt, die Eigenschaft besitzt, Ströme von Schwefelwasserstoffgas zu entwickeln. In dem letzten Theile der Kreosotöle befindet sich das Anthracen, welches sich nach Erkalten der Oele absetzt und durch eine hydraulische oder durch eine sogenannte Filterpresse von letzteren getrennt wird. Das so erhaltene rohe Product enthält etwa 25–30 Proc. reines Anthracen, welches durch Waschen mit Spiritus, Benzin, Petroleumäther oder Schwefelkohlenstoff, in denen Anthracen ziemlich schwer löslich ist, gereinigt wird. Nachdem die anthracenhaltigen Oele bis zu einem specifischen Gewicht von 1,12 abdestillirt sind, bleibt in der Blase ein Rückstand, welcher mit dem Namen Steinkohlentheerpech oder unrichtiger Asphalt bezeichnet wird.Es würde unzweckmäßig seyn, die Destillation in einer schmiedeeisernen Blase weiter fortzusetzen, da das Pech verkohten und die Blase selbst dabei zerstört würde. Im Nachstehenden werde ich das Pech einer eingehenderen Betrachtung unterwerfen. Steinkohlentheerpech. Man bezeichnet mit dem Namen Steinkohlentheerpech den bei genügend hoher Temperatur flüssigen Rückstand der Steinkohlentheerdestillation. Im industriellen Betriebe, wo die Zeit als ein wichtiger Factor im Kostenpreise betrachtet werden muß, würde es unzweckmäßig seyn, das Pech in der Destillationsblase selbst sich soweit abkühlen zu lassen, bis es ohne Feuersgefahr und zu große Entwickelung von Dämpfen in offene Gruben ausgeleert werden könnte. Bei den gewöhnlichen Kesseln, welche in einer Füllung 20–25,000 Kil. Theer verarbeiten und etwa 55 Proc., also 11–14,000 Kil. Pech liefern, würde der Aufenthalt in der Fabrication, bevor eine neue Füllung stattfinden könnte, mindestens 36 Stunden betragen. Daher zieht man vor, das Pech zuerst in einen, tiefer als der Auslaßhahn am Boden der Blase liegenden, oben mit einer kleinen Oeffnung versehenen, eisernen Behälter abzulassen, was etwa 9 Stunden nach Beendigung der Destillation geschieht und es darin zu verwahren, bis die Abkühlung soweit vorgeschritten ist, daß das Pech zwar noch gut flüssig, doch dem Erstarrungspunkte nahe ist. Dann läßt man es in eine offene, nur 1–1 1/2' tiefe, gepflasterte Grube abfließen, wo es fast sofort fest wird. In diesem Zustande bildet das Pech eine feste, glänzend schwarze Masse von durchschnittlich 1,3 spec. Gewicht. Auf der Zunge ist es fast geschmacklos. Sind die Oele daraus bis zum spec. Gewicht von 1,120 entfernt, so ist es sehr wenig elastisch und zerreibt sich zwischen den Zähnen zu Pulver. Läßt man jedoch im Pech 6–7 Proc. mehr Oel, d.h. unterbricht man die Theerdestillation, sobald das spec. Gewicht der Oele am Ausfluß der Schlange sich auf 1,090 gesteigert hat, so bleibt als Rückstand ein viel weißeres Pech, welches sich nicht zu Pulver zerreibt, sondern sich zwischen den Zähnen kneten läßt. Diese praktische Methode, die Härte eines Peches zu bestimmen, ist äußerst empfindlich und bei einiger Uebung kann man mit Sicherheit die Qualität erkennen. Zugleich ist dieß etwas weichere Pech glanzvoller und schwärzer wie das harte Pech, dessen Farbe mehr in's Graue spielt und dabei matter ist. Letzteres Pech ist auch poröser. Der Schmelzpunkt hängt natürlich von der Härte des Pechs ab, es ist schwierig, denselben genau zu bestimmen. Wenn man Pech erwärmt, so wird es zuerst weich und gestaltet sich nach und nach zu einer zähen Masse, in welchem Zustande man ihm jede beliebige Form geben kann; bei 150° wird es dickflüssig und nur bei höherer Temperatur dünnflüssig, fast wie Oel; es gibt dann Dämpfe ab, welche auf die Haut und namentlich auf die Augen einen äußerst reizbaren Einfluß ausüben. Die daraus entstehende Entzündung ist oftmals so stark, daß sie Veranlassung zu heftigen Schmerzen wird. Wie die Pechdämpfe, so wirkt auch das Pech selbst in fein zertheiltem Zustande, vorzüglich bei wärmerer Lufttemperatur. Die Arbeiter z.B., welche das Hauen des Pechs aus vorhin erwähnten Gruben besorgen, werden häufig durch Augenentzündungen belästigt. In der Anwendung von Brillen, deren Gläser in einem, das Auge ganz umschließenden, dichten Drahtgewebe liegen, besteht das beste Präservativmittel – außerdem ist es rathsam, die Arbeit möglichst Nachts zu unternehmen. Anstatt das Pech in eine Grube fließen zu lassen und es dann in losen Stücken zu versenden, wird es bei weicherer Qualität in Fässer gefüllt, worin es erstarrt. Aus folgenden Versuchen ergibt sich das Verhalten des Peches zu verschiedenen Lösungsmitteln. Ich nahm 10 Grm. fein gepulvertes Pech, aus welchem die Oele bis zum spec. Gewicht von 1,120 entfernt waren, digerirte solches zuerst mit 500 K. C. Benzol und filtrirte. Es blieb im Filter ein sehr fein zertheiltes Pulver, welches ich mit 250 K. C. Benzol auswusch. Dann behandelte ich das Pulver auf dem Filter mit 750 K. C. Schwefelkohlenstoff, welcher eine harzige Substanz auflöst. Da der zuletzt durchlaufende Schwefelkohlenstoff noch merklich gefärbt war, so kochte ich das Pulver mit 200 K. C. Schwefelkohlenstoff aus und filtrirte. Das zurückbleibende Pulver wurde dann nochmals mit kochendem Benzol behandelt und als dieses sich nicht mehr merklich färbte, wusch ich zuletzt das Pulver mit siedend heißem Alkohol nach und trocknete es darauf bei 120°. Ich bekam auf diese Weise 2,354 Grm., also 23,54 Proc. von einem feinen, schwarzen Pulver, welches bei der Elementaranalyse folgende Zahlen lieferte: C = 90,836H =   3,058 Asche = 0,398. Berechnet man diese Zahlen auf eine aschenfreie Substanz, so ergibt dieß: C = 91,200 Proc. H =   3,070    „ Vorstehende Zusammensetzung ist etwa die einer Anthracitkohle von Südwales. Ich nahm in einem zweiten Versuche 12 Grm. fein gepulvertes Pech, behandelte dasselbe zuerst mit 120 K. C. warmen Schwefelkohlenstoff, filtrirte und wusch das Filter, bis 260 K. C. Schwefelkohlenstoff durchgelaufen waren. Der Rückstand auf dem Filter, bei 100° getrocknet, betrug 5,778 Grm., also 48,15 Proc. Dieser Rückstand wurde alsdann mit 1 Liter reinem Benzol gekocht und gewaschen. Dasselbe löste nur 0,153 Grm. Das Gewicht des so behandelten, getrockneten Pulvers belief sich auf 5,625 Grm., also 46,9 Proc. vom Gewichte des Peches. Bei der Elementaranalyse ergab dieß Product folgende Zahlen: C = 91,120H =   3,129 Asche = 0,872, also aschenfreie Substanz: C = 91,921 Proc. H =   3,157    „ In einem dritten Versuche nahm ich 750 Grm. Pech, brachte dasselbe über langsamem Feuer zum Schmelzen und fügte dann nach und nach unter fortwährendem Umrühren 2 Liter gereinigtes SteinkohlenbenzinGemisch, bestehend aus Benzol, Toluol, Xylol und Cumol. hinzu. Es scheidet sich dadurch ebenfalls ein pulverförmiger Körper aus. Die Masse wurde durch Nesseltuch filtrirt, dann gepreßt, mit 1 Liter Benzol digerirt, wieder gepreßt, nochmals mit demselben Quantum reinem Benzol behandelt, von Neuem gepreßt und stark getrocknet. Ich bekam auf diese Weise 60 Proc. eines schwarzen Pulvers, welches in einem geschlossenen Platintiegel geglüht, 66 Proc. flüchtige Bestandtheile abgab. Wenn man 1 Theil geschmolzenes Pech mit 2 Theilen Benzol versetzt und darauf filtrirt, so hat die durchlaufende Flüssigkeit ein spec. Gewicht von 0,970 und gibt bei der Destillation von 100 Vol. von 100° bis   „  120°   „   „  150°   „Rückstand 120°150°250° === 70   Vol.  8     „  1,5  „20,5  „ 100 Dieser Rückstand hat bei 15° die Consistenz von weichem Pech, mit stark glänzender schwarzer Oberfläche, bei 50° wird er zähe, und bei 70° ist er vollständig flüssig. Er ist schwer löslich in siedendem Alkohol, löst sich aber leicht in Schwefelkohlenstoff. Diese Lösung, mit concentrirter Natronlauge behandelt, gibt nur Spuren von in Alkalien löslichen Oelen ab. Verdünnte Schwefelsäure coagulirt jene Lösung. Wenn man fein gepulvertes Pech bei gewöhnlicher Temperatur mit 2 1/2mal seinem Gewichte 90procentigem Alkohol behandelt, so löst derselbe etwa 1 Proc. seines Gewichtes einer hellbraunen, schmierartigen Substanz, leicht löslich in Benzol. Wird ein Theil geschmolzenes Pech mit 0,6 Theilen leichtem Theeröl von 9,95–0,97 spec. Gewicht versetzt, so findet keine Ausscheidung statt, sondern es bildet sich ein schöner, schwarzer Firniß, sehr gut verwendbar zum Lackiren von Eisen, sowohl um dasselbe gegen Rost zu schützen, als auch um ihm eine glänzende, schwarze Farbe zu geben. Derselbe ist auch sehr tauglich für Holz, um dasselbe gegen Fäulniß zu schützen. Im Vergleich zum Theer hat dieser Firniß den Vortheil, daß er kalt aufgetragen werden kann und dennoch schnell trocknet. Er ist, wenn gut zubereitet, sehr dauerhaft, bricht nicht, behält seinen ursprünglichen Glanz und kann äußerst wohlfeil hergestellt werden. – Wenn man Pech der trockenen Destillation unterwirft, so bekommt man zuerst anthracenhaltige Oele. In mehreren Fabriken werden nur diese zuerst übergehenden Oele wegen des zur künstlichen Alizarinbereitung verwandten Anthracens gewonnen. Die Destillation findet dabei, über directem Feuer, in einer gußeisernen Blase statt, und um die Abführung der Oeldämpfe zu erleichtern, wird überhitzter Wasserdampf über die Oberfläche des Peches geleitet. Nachdem die Anthracenöle übergegangen sind, ist die in der Blase zurückbleibende Masse zu spröde und mager, um noch zu den gewöhnlichen, technischen Verwendungen des Peches tauglich zu seyn. Um jedoch diesem Rückstande seine früheren Eigenschaften als Pech wieder zu erstatten, versetzt man ihn mit einer genügenden Quantität von dem bei der Theerdestillation gewonnenen Naphtalin. Ich habe bereits im Vorstehenden angedeutet, daß, wenn die Destillation des Theeres resp. des Peches vollständig ist, Kohks als Rückstand übrig bleiben. Ich habe Gelenheit gehabt, über die vollständige Destillation des Peches Versuche in sehr großem Maaßstabe auszuführen und werde deren Resultate im Nachstehenden weiter erörtern. Die von mir benutzte Retorte hatte die Form eines liegenden Kastens von 4 Meter Länge, 1,10 Meter Weite und 1,10 Meter Höhe, welcher aus vier, durch Flantschen und Schrauben verbundenen Theilen bestand, deren jeder selbst wieder aus vier, auf dieselbe Weise zusammengefügten, starken, gußeisernen Platten hergestellt war. Die Verbindungen waren durch gut eingestampften Rostkitt verdichtet. Die vordere und hintere Oeffnung der Retorte war durch gußeiserne Thüren geschlossen und mit Kalkbrei fest verkittet. Die Thüren waren oben in der Mitte an einer, auf einer horizontalen Schiene laufenden Welle befestigt. Von den oberen vier horizontalen Platten der Retorte war die eine mit einem Mannloche versehen, zum Füllen von Pech in Stücken, die andere mit einem Hahn, durch welchen die Retorte mit flüssigem Pech angefüllt werden konnte. Eine dritte Platte trug ein Sicherheitsventil und auf der mittleren war das Helmrohr angebracht, welches durch ein langes, 0,15 Meter weites Kühlrohr mit einem verschlossenen, eisernen Behälter in Verbindung stand. Letzterer war unten am Boden mit einem S-förmigen Ausflußrohr versehen. Von oben führte ein Rohr die noch nicht verdichteten Wasserdämpfe und andere flüchtigere Producte in eine Kühlschlange. Die Retorte ruhte vollständig, ihrer ganzen Länge nach, auf einem sehr flachen (0,10 Meter Pfeil), oben geebneten Gewölbe, unter welchem die Flamme des vorderen Feuerraumes hinstrich. An jeder länglichen Seitenwand der Retorte waren zwei über einander liegende Zugcanäle angebracht. Am hinteren Theile des Gewölbes trennte sich die Flamme in zwei Theile, wovon jeder zuerst den unteren Seitencanal bis zum vorderen Ende der Retorte durchzog, hier in den oberen Canal stieg und durch diesen zurück in den Schornstein, am hinteren Ende der Retorte, entwich. Durch diese Einrichtung ging das Heizen der Retorte in sehr regelmäßiger Weise vor sich. Die Füllung belief sich auf 3000 Kil. Pech. Im Anfange der Destillation bekommt man fast nur Wasser und ist es nothwendig, behutsam die Feuerung zu leiten, um ein Uebersteigen des Peches, vorzüglich wenn dasselbe sehr feucht ist, zu vermeiden. Sobald dann aber das Pech in's Kochen geräth, verdichten sich Oele und die Destillation geht, selbst bei mäßigem Feuer, mit einer solchen Geschwindigkeit vor sich, daß man in 3–4 Stunden 7–800 Kilogrm., also fast alles Oel, welches man von 3000 Kil. Pech überhaupt bekommt, abtreiben kann. Die gewonnenen Oele wurden gleich in zwei Theile getrennt, die ersten sind anthracenhaltig und werden als solche verarbeitet, während die letzten sehr fetten Oele als Schmieröl resp. Schmiere ihre besondere Verwerthung finden. Die Entwickelung von Wasserdampf, Gasen (unter denen Ammoniak und Wasserstoffgas sich in beträchtlicher Menge vorfinden) und flüchtigen, naphtalinhaltigen Oelen (worunter Benzol) von etwa 0,97 spec. Gewicht geht bald nach Anfang der Destillation vor sich und steigt fortwährend. Sobald ungefähr 2/3 der Oele überdestillirt sind, tritt die Kohksbildung ein, die Masse schwillt auf und bei starker Füllung der Retorte muß in diesem Moment das Feuer vorsichtig geschürt werden. Wenn die Oelproduction sich dem Ende nähert, so nimmt zugleich die Bildung von leicht siedenden Kohlenwasserstoffen ab, während die der Wasserdämpfe und Gase fortfährt zu steigen. Endlich bekommt man ein sublimirtes, rothgelbes harziges Product, welches nach und nach wieder verschwindet und zuletzt hört die Gasentwickelung selbst auf. In der Retorte bleibt ein Rückstand von Kohks. Dieselbe muß behutsam geöffnet und das daraus entweichende Gas angezündet werden. Ohne diese Vorsichtsmaßregel findet bei Zutritt der Luft eine Explosion statt. Nachstehende Zahlen geben das Verhältniß an, in welchem die bei der Pechdestillation übergehenden Producte gewonnen werden: Anthracenhaltige OeleChrysen- und Pyrenhaltige OeleSublimirtes rothgelbes Harz   27   30 Proc. Gase, Wasserdampf und (etwa    0,2 Proc.) leichtes Oel   25   28 Proc. Kohks   48   52 Proc. ––––––––––––––– 100 100 Die einzigen, näher untersuchten Producte des Peches sind Naphtalin, Anthracen, Pyren und Chrysen, wovon Anthracen in technischer Beziehung bis jetzt das wichtigste ist. Ich gehe auf die Beschreibung dieser Kohlenwasserstoffe nicht weiter ein, da dieß bereits vielfach geschehen ist. Wenn man die anthracenhaltigen Oele filtrirt, das klare Oel mit einem Ueberschuß von concentrirter Natronlauge schüttelt und dann das Gemisch einige Stunden stehen läßt, so setzt sich die Lauge zwar vollständig ab, aber Theilchen von Oel bleiben damit gemischt. Um diese zu entfernen, zieht man am besten die Lauge ab, verdünnt dieselbe mit etwas Wasser und fügt Benzol hinzu. Dieses löst die Oeltheilchen und trennt sich mit großer Leichtigkeit von der Lauge welche man dann vollständig klar erhält. Neutralisirt man nun diese Lauge mit H²SO⁴, so scheidet sich auf der Oberfläche ein ziemlich dickflüssiges Oel aus, welches wässerige Theile in Menge mechanisch zurückhält. Um diese zu entfernen, filtrirt man am einfachsten das Oel durch ein Tuch. Das Filtrat trennt sich sofort in zwei Schichten; nach Abzug der Wasserschicht bekommt man dann ein klares Product, welches nur noch chemisch gebundenes Wasser enthält. Das von mir behandelte, rohe, anthracenhaltige Oel lieferte 3 Proc. in Alkalien lösliches Oel. Dasselbe gibt bei der Destillation zuerst (zwischen 100 und 200°) Wasser, etwa 8 Proc., nebst etwas Oel. Dann steigt die Temperatur immer mehr, nach 300° wird das Destillat dickflüssiger, bis zuletzt bei sehr hohem Wärmegrade (über 360°), mit Spuren von Wasser ein harzähnliches Product übergeht, welches, nach dem Erkalten eine durchsichtige, weinfarbene, feste Masse bildet. In der Retorte bleibt ein schwacher Rückstand von Kohle. Die Beschaffenheit der durch die Pechdestillation erzeugten Kohks hängt von der Temperatur ab, bis zu welcher man geheizt hat und von der Dauer, während welcher dieselbe unterhalten ist. Sind beide ungenügend, so besteht der Kohk nur aus einer matten, schwärzlichen, durch wenige Spalten getrennten, compacten Masse. Beim Oeffnen der Retorte entzündet sich dieser Kohk und brennt mit leuchtender Flamme, welche durch die Spalten der Masse hervortritt. Man könnte allerdings wohl durch ein solches Ausbrennen eine etwas vollständigere Verkohkung erzielen und letztere durch Vermehrung der Spalten vermittelst eines Brecheisens beschleunigen, aber die Qualität des Productes würde dennoch sehr gering ausfallen. Der Pechkohk hat nämlich im höchsten Grade die Eigenschaft, wenn er nicht von vorn herein sehr hart gebrannt ist, im Feuer fast in Pulver zu zergehen und in Folge dessen besitzt auch ein, auf obige Weise nachträglich ausgebrannter Kohk äußerst wenig Cohäsion und hat außerdem noch den bedeutenden Uebelstand, sehr stark am Boden und an den Seitenwänden der Retorte zu haften, so daß schon beim Losbrechen und Herausziehen eine ungeheure Menge von Staub gebildet wird. Der nicht vollständig ausgeglühte Kohk muß nach dem ersten Löschen immer von Zeit zu Zeit bis zur fast vollständigen Abkühlung mit Wasser begossen werden, da er ungemein leicht wieder in Gluth geräth) und mit Flamme brennt. Um harte Kohks zu bereiten, muß nach dem Verschwinden der am Ende der Destillation entweichenden rothen Dämpfe die Temperatur im Inneren der Retorte bis zur hellen Rothgluth gesteigert und dieselbe während einer Dauer von mindestens 8 Stunden unterhalten werden. Eine vollständige Operation währt dann etwa 24 Stunden. Ein hart gebrannter Kohk haftet nur sehr schwach an den Wänden der Retorte, besitzt eine große Cohäsion und befindet sich in bereits zersplitterten, prismatisch stänglichen Stücken, die fast ohne Hülfe des Brecheisens aus der Retorte gezogen werden können. Auch geräth ein solcher Kohk nach dem ersten Löschen nicht wieder in's Glühen. Er hat eilte hellgraue Farbe, ist sehr dicht und zerfällt nicht im Feuer. Ich habe mit diesem Kohk in englischen Eisenwerken verschiedene Versuche angestellt, um seinen Werth für metallurgische Zwecke zu prüfen. Die Resultate waren folgende: In Kupolöfen zum Schmelzen von Gußeisen und ebenfalls beim Verfeinern des Schmiedeeisens auf Herden, wo sonst gewöhnlich Holzkohle verwandt wird, fielen die Versuche ungünstig aus; im letzteren Falle ließ sich die Schlacke schlecht vom Eisen trennen. Dagegen ist der hartgebrannte Pechkohk sehr tauglich zum Raffiniren des Roheisens nach englischer Methode (bei welchem Processe sonst meistens Gaskohks verwandt werden) und gab ein mit diesem Kohk, Schlacke und Luft behandeltes Gußeisen, nachher im Puddelofen ein sehr schönes, reines Stabeisen. Der Kohk ist ebenfalls sehr brauchbar zu Schmelzprocessen in Tiegeln. Obgleich die Destillation des reinen Steinkohlentheerpeches auf Oel und Kohks im Ganzen eine, in industrieller Hinsicht vortheilhafte Operation ist, so ist sie doch bis jetzt wenig zur Ausführung gekommen und dieß rührt namentlich daher, weil es schwierig ist, trotz der bereits gemachten Vorschläge, für den Behälter, in welchem die Destillation vor sich geht, eine passende Construction zu finden. Gußeiserne Retorten werden unter dem Einflusse einer hohen Temperatur und des Peches selbst ziemlich leicht zerstört. Thönerne Retorten in den Dimensionen, wie sie praktisch zur Anwendung kommen können, erheischen, im Verhältniß zu dem Quantum Pech, welches darin verarbeitet wird, zu viel Feuerungsmaterial. Aus feuerfesten Steinen construirte Oefen haben den Uebelstand der steten Undichtigkeit, da Pech bei hoher Temperatur dünnflüssig wie Oel wird. Außerdem liefern diese Oefen eine weit geringere Ausbeute an Oel und bedeutend mehr Gas als gußeiserne Retorten. In einigen Gegenden Englands hat man Pech mit feiner Kohle gemischt und dasselbe dann in den gewöhnlichen Oefen nur auf Kohks verarbeitet. Wenn man Steinkohlentheerpech durch ein glühendes Rohr leitet so zersetzt es sich, und habe ich in einigen Versuchen durchschnittlich aus 1 Kil. Pech 250 Liter Gas bekommen. Das Pech wurde in diesen Versuchen vorher geschmolzen und lief dann durch eine S-förmige Röhre in ein eisernes Rohr, dessen Temperatur bis zur hellen Rothgluth erhöht wurde. Bei niedriger Temperatur fand entweder gar keine oder doch nur eine sehr unvollständige Zersetzung statt. Das Gas strömte zuerst durch ein, mit der Laming'schen Reinigungsmasse angefülltes Gefäß und wurde darauf in einem graduirten Gasbehälter aufgefangen. Eine photometrische Messung bewies, daß das Leuchtvermögen dieses Gases beinahe = Null ist. Es ist schwefelhaltig und besteht hauptsächlich aus Wasserstoff. Zum Schlusse dieses Aufsatzes gebe ich im Nachstehenden noch eine kurze Uebersicht der verschiedenen Anwendungen, welche das Pech in der Industrie gefunden hat. Die größte technische Verwerthung des Peches liegt unstreitig in der Fabrication der Kohlenziegel oder Briquettes. Dieselbe absorbirt den bedeutendsten Theil der in den Handel kommenden ungeheuren Masse dieses Productes. Das Princip der Fabrication besteht darin, feinen Kohlengruß, dessen Werth sonst nur gering ist, vermittelst eines Zusatzes von Pech und nachheriges Pressen in Stückkohle zu verwandeln. Meistens aber enthält diese sogenannte Klein- oder Staubkohle so viel Asche, daß die daraus bereiteten Ziegel nur für wenige Zwecke tauglich seyn würden, und es ist nothwendig, die Kohle vorher zu reinigen, was am besten auf folgende Weise geschieht: Man trennt durch ein Sieb die gröbsten Theile bis zur Dicke eines SperlingskopfesDiese Stücke führen in Belgien den Namen têtes de moineaux.“ und diese werden in besonderen mechanischen Apparaten, die ich hier nicht näher erörtern kann, gewaschen. Das Waschen der feinen Kohle ist viel weniger zweckmäßig. Man erhält nun leicht auf diese Weise ein Product von nur 2 Proc. Asche und setzt alsdann demselben so viel feine Kohle zu, um den Aschengehalt auf 5–8 Proc. zu steigern. Zwischen diesen Zahlen liegt im Allgemeinen der von Eisenbahnverwaltungen stipulirte, äußerste Procentgehalt an Asche der für die Heizung der Locomotiven angewandten Briquettes.Namentlich werden diese Kohlenziegel auf französischen Bahnen in ungeheuren Massen verbraucht. Die so aufbereitete Kohle wird nun etwa mit 8 Proc. (mehr oder weniger, je nach dem eigenen Backvermögen der Kohle) fein gepulvertem Pech versetzt, das Gemisch durch Dampf erwärmt und dann durch besonders zu diesem Zwecke construirte Pressen, die in jüngster Zeit eine hohe Vollkommenheit erreicht haben, in viereckige oder cylindrische Formen gedrückt und darauf an der Luft getrocknet. Um eine solche Fabrication mit Vortheil betreiben zu können, ist es nothwendig, sie in großem Maaßstabe und in der Nähe von Kohlenzechen herzustellen. Eine mir bekannte Briquettesfabrik verarbeitet 160,000 Kil. Kohlen in 12 Stunden, bei einem Anlagecapital von 600,000 Franken, wovon auf die eigentliche Maschine ungefähr 100,000 Fr. kommen. Eine höchst interessante, obgleich weniger bekannte Fabrication ist die der sogenannten Asphaltröhren. Dieselben wurden von Jaloureau in Paris erfunden, aber erst in neuerer Zeit so vervollkommnet, daß sie in der Technik mit Erfolg auftreten konnten. Die Anfertigung dieser Röhren geschieht am besten auf folgende Weise: Ein sieben Fuß breites, endloses und aus Hanf angefertigtes Papier wird durch eine, in einem Ofen eingemauerte, halbcylinderförmige, horizontale Pfanne geleitet, welche mit heißem Pech angefüllt ist. Die darin sich bewegende Walze nimmt das Papier auf und führt, nachdem es mit Pech getränkt, dasselbe zu einer darüber sich bewegenden kleineren Walze, welche den Kern des Rohres bildet und ihr Durchmesser bedingt also dessen lichte Weite. Sobald die nöthige, etwa durch hundert über einander liegende Lagen Papier gebildete Wandstärke erreicht ist, wird vermittelst einer Walzenpresse, unter gleichzeitiger Bestreuung mit feinem Sande ein bedeutender Druck auf das Rohr ausgeübt und dadurch dessen Dichte und Homogenität vergrößert. Nach einer kurzen Abkühlung in kaltem Wasser wird der Kern des Rohres vermittelst einer Krahnvorrichtung entfernt und um dieß zu erleichtern, wird die Walze jedesmal kurz vor Gebrauch mit flüssiger Kaliseife bestrichen. Das Rohr wird darauf nochmals in kaltes Wasser getaucht. Die Verbindung der Asphaltröhren geschieht entweder durch darauf gesetzte eiserne Flanschen oder Muffen die durch den Abschnitt eines Asphaltrohres von größerem Durchmesser hergestellt werden. Zur Befestigung der Muffe auf dem Rohr wird ein Gemisch von Pech und Schwefel verwandt. Eine andere sehr vortheilhafte Verbindung und die zweckmäßigste, wenn sie von geübter Hand ausgeführt wird, besteht darin, Streifen von Leinwand in geschmolzenes Pech zu tauchen und mit diesen die an einander gelegten Enden der Röhren zu umwickeln, so daß 10–12 Streifen auf einander liegen. Auf letztere Art werden auch die verschiedenen Kniestücke und Krümmer hergestellt, welche so leicht anzufertigen sind, daß dieß häufig erst bei der Verlegung der Röhren geschieht. Die Eigenschaften dieser Röhren sind sehr von der Natur des zu ihrer Fabrication verwandten Peches abhängig, und ist es unumgänglich erforderlich, daß dabei Berücksichtigung auf die Art ihrer Verwendung genommen wird. Wenn das Pech weich, mithin ölhaltig ist, so widerstehen die Röhren ausgezeichnet dem Durchdringen von Wasser und sind vorzüglich zweckmäßig für Leitungen in einem sumpfigen Erdboden, dagegen leisten dieselben bei härterem Pech größeren Widerstand gegen eine, durch erhöhte Temperatur bewirkte Formveränderung. Selbstverständlich können Asphaltröhren nur zur Leitung von kalten Flüssigkeiten oder Gasen verwendet werden, aber unter dieser Beschränkung sind sie meistens mit großem Vortheil, sowohl wegen ihrer relativen Wohlfeilheit, als in Folge ihrer speciellen Eigenschaften zu verwenden. Verschiedene Versuche haben festgestellt, daß diese Röhren einem Drucke von innen nach außen von 500 Pfd. per Quadratzoll widerstehen. Sie sind elastisch genug, um bei einer etwaigen Bodensenkung an ihrer Verbindung keinen Bruch oder Schaden zu erleiden; da sie sehr schlechte Wärmeleiter sind, so bietet dieß ihnen Schutz gegen Verfrieren; sie werden weder durch verdünnte Säuren noch durch alkalische Lösungen angegriffen und können in jeden beliebigen Boden gelegt werden. Ihre Hauptanwendung besteht in Anlagen von Wasser-, Säuren- und Gebläseleitungen, sowie von Wetterlutten. Sie dienen auch zur Aufnahme von unterirdischen Telegraphendrähten. Als Sprachrohrleitungen sind dieselben sehr tauglich und bei genügend weitem Durchmesser sind sie für letzteren Zweck in langen Touren mit Erfolg verwandt. Selbst für Gasleitungen finden die Asphaltröhren Verwerthung. In diesem Falle scheint der Einfluß der in den Röhren sich verdichtenden, leicht siedenden Kohlenwasserstoffe praktisch unmerklich zu seyn. Der triftigste Grund, welchen man wohl gegen die Anwendung dieser Röhren angeben kann, beruht in der Formveränderung, welche sie unter der Einwirkung von Wärme erleiden. Steinkohlentheerpech wird auch noch auf eine andere Weise zur Röhrenfabrication benutzt, indem dasselbe mit Kies vermischt und dann in Formen gegossen wird. Um einigen Widerstand zu leisten, müssen aber die Wandungen dieser Röhren sehr stark genommen werden und besitzen dieselben daher ein bedeutendes Gewicht, wodurch sich ihre Transportkosten verhältnißmäßig sehr hoch stellen. Trotz der bedeutenden Wandstärken scheinen sie doch ziemlich zerbrechlich zu seyn und erleiden unter dem Einfluß der Wärme bedeutende Formveränderungen. – Steinkohlentheerpech wird auch wohl als Surrogat des natürlichen Asphalts und, mit demselben vermischt, zum Asphaltiren von Trottoirs und für Isolirschichten auf Grundmauern, zur Abhaltung der Feuchtigkeit benutzt. Man läßt auch wohl bisweilen, seines höheren Preises wegen, den natürlichen Asphalt vollständig weg und versetzt Pech mit Kalk und Thon, aber das so bereitete Präparat widersteht weniger gut dem Einfluß der Jahreszeiten. Im Sommer wird es weich und im Winter bekommt es leicht Risse. Man bereitet auch geformte Steine aus Pech und feinem Gestein, deren Fabrication ähnlich auf dieselbe Weise geschieht, wie die der Kohlenziegel. Seit einigen Jahren bereitet man ein sogenanntes Asphaltpapier, welches als Surrogat des Wachspapieres eine ausgedehnte Verwerthung gefunden hat. Zur Anfertigung dieses Papieres läßt man gewöhnliches Packpapier von einer Rolle über einen erwärmten Tambour gleiten, auf welchem eine Abstreichvorrichtung angebracht ist. Vor diese fließt geschmolzenes Pech, welches daselbst eine Höhe von etwa 0,04 Met. einnimmt. Das mit einer dünnen Lage Pech überzogene Papier läuft dann noch über einige Walzen und wickelt sich auf eine letzte Rolle auf. Man macht auf ähnliche Weise auch das sogenannte Doublepapier, bei welchem eine dünne Schicht Pech zwischen zwei Flächen Papier liegt. Dasselbe wird zum Bekleben feuchter Wände vielfach benutzt. Endlich weise ich noch auf die Anwendungen hin, welche das Steinkohlentheerpech in seiner Eigenschaft als kräftiges Reductionsmittel bereits gefunden hat (z.B. bei der Zersetzung des Baryumcarbonats in Baryt), und es unterliegt, glaube ich, keinem Zweifel, daß diese Eigenschaft in vielen Fällen weiter zu verwerthen wäre.