Titel: Ueber die Anwendung von Gußstahl-Drahtseilen beim Bergbau.
Fundstelle: Band 208, Jahrgang 1873, Nr. XCVIII., S. 418
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XCVIII. Ueber die Anwendung von Gußstahl-Drahtseilen beim Bergbau. Ueber die Anwendung von Gußstahl-Drahtseilen beim Bergbau. Nachdem die Entwickelung des Bergbaues bereits in früheren Jahren die gebräuchlichen Hanfseile durch Eisendrahtseile ersetzen ließ, tritt in letzter Zeit immer dringender das Bedürfniß für ein noch stärkeres, tragfähigeres Material hervor. Besonders macht die Massenproduction des Kohlen-Bergbaues stets höhere Ansprüche an ihre Förderseile geltend. Die Teufen der einzelnen Schächte werden von Jahr zu Jahr beträchtlicher und zudem erheischt die gewünschte größere Förderung eine entsprechende Vermehrung der einzelnen Arbeitslasten bei erhöhter Fördergeschwindigkeit. Unter solchen Umständen erhalten die bislang verwandten Aloë- und Eisen-Drahtseile vielfach solche Dimensionen und Gewichte, daß es kaum noch als rationell erscheint, sich jener Seile ferner zu bedienen. Man ist daher seit einiger Zeit zur Anwendung von Gußstahl-Drahtseilen übergegangen. Dieselben gestatten eine ganz bedeutende Verringerung des Seilgewichtes. Die so hindernd und kostspielig mitzuschleppende todte Last wird dadurch merklich vermindert und eine erhebliche Dampf- resp. Kohlenersparniß bewirkt. In manchen Fällen kann durch Anwendung der leichteren Gußstahlseile mit den bestehenden Fördereinrichtungen noch aus größeren Teufen als bisher gefördert werden, oder aber es können die jetzigen Förderlasten vergrößert werden, was bei Anwendung von Eisendrahtseilen die Anlage neuer Fördermaschinen jedenfalls bedungen hätte. Bekanntlich weisen runde Eisendrahtseile einen bedeutenden Verschleiß nach, wenn solche sich auf den Fördertrommeln übereinander aufwickeln. Da die Gußstahlseile eine geringere Dicke bei gleicher Tragfähigkeit besitzen, so kann man in vielen Fällen durch Anwendung von Gußstahlseilen das Uebereinanderwickeln der Seile und damit deren vorzeitige Abnutzung vermeiden. Die Verringerung der todten Last bei Gußstahlseilen gestattet eine raschere Fördergeschwindigkeit bei den bestehenden maschinellen Einrichtungen und wird jedenfalls die ganze Maschinen-Anlage, Schachtthürme etc. weniger zu leiden haben, als bei den schweren Eisendrahtseilen. Auch als Kabelseile zum Einbauen der schweren Drucksätze haben sich die Gußstahlseile schon vielseitig eingeführt; da deren Durchmesser bei gleicher Tragfähigkeit ein geringerer ist, als derjenige von Eisendraht- und Hanfseilen, so vergrößern sie bei weitem nicht wie letztere den Durchmesser der Windetrommeln. Der Krafteffect der Kabelwinde bleibt deßhalb mehr derselbe. Ferner leisten Gußstahl-Kabelseile gegen das Zerdrücken auf der Windetrommel größeren Widerstand (ein Hauptübelstand und Ursache des Verschleißes, dem die aus geglühtem Draht angefertigten Eisendraht-Kabelseile so sehr ausgesetzt sind) und schließlich widerstehen die Gußstahlseile besser den oft gar nicht zu vermeidenden Reibungen im Schachte. Die angeführten Vortheile, welche die Anwendung von Gußstahl-Drahtseilen bietet, sind eclatante und werden von den Technikern allgemein anerkannt. Folgende Zahlen dürften dieselben noch mehr verdeutlichen. Es ist nämlich gelungen Gußstahlseile herzustellen, welche bei der erforderlichen Biegsamkeit und Zähigkeit eine Tragfähigkeit von mindestens 120 Kil. pro Quadratmillimet. besitzen. Dagegen haben die besten Eisendrähte, wenn solche in blank gezogenem Zustande verwandt werden, nur 60 Kil. und wenn ausgeglüht, nur 40 Kil. Tragfähigkeit pro Quadratmillimet. Um dieselbe Tragkraft zu erreichen, müssen Eisen-Drahtseile also mindestens zwei, beziehungsweise drei Mal so schwer genommen werden, als Gußstahl-Drahtseile. Das Preisverhältniß stellt sich ebenfalls zu Gunsten der Gußstahl-Drahtseile, sowohl was Anschaffung wie Verschleiß anbetrifft. In Bezug auf die Gleichmäßigkeit der zu den Seilen zu verwendenden Gußstahldrähte ist es gelungen, durch ein neueres Verfahren solche völlig genügend zu erreichen. Das kgl. Oberbergamt zu Dortmund sowie viele andere Behörden haben in Folge angestellter Versuche und nachgewiesener Erfahrungsresultate constatirt, daß die Benutzung der Gußstahlseile, bei Befolgung der zu diesem Zwecke vorgeschriebenen Constructions-Bedingungen zur Menschenförderung eine ebenso sichere und zuverlässige ist, als bei Seilen aus irgend einem anderen Material. Es liegen uns ferner von Seiten der Firma Fetten u. Guilleaume in Cöln am Rhein eine Anzahl von Erfahrungsresultaten vor, welche mit Seilen, aus ihrem Patent-Gußstahldraht gefertigt, erzielt wurden; diese sprechen am besten für die Zuverlässigkeit und Vortheilhaftigkeit der Gußstahlseile, wenn solche wie hier, in geeigneter Qualität hergestellt werden. – Von Interesse dürfte es seyn, einige der hervorragendsten Beispiele anzuführen: „Auf dem Zwickauer Brückenberg-Schacht wurden mit solchen Gußstahlseilen (Bandseilen) vom 23. Febr. 1870 bis 19. Aug. 1871 aus einer Teufe von 804 Meter 108,597 Millionen Kilogramm-Meter gefördert. Auf dem Maaßner Förderschacht bei Lautenthal unter schwierigen Verhältnissen mit einem Gußstahl- (Rund-)seil von Januar 1871 bis März 1873 bei 378 Met. Teufe 5670 Millionen Kilogramm-Meter. Auf dem Richard-Schacht bei Teplitz von Juli 1872 bis Februar 1873 aus einer Teufe von 165 Met. 13,200 Millionen Kilogramm-Met. Auf dem Schacht Louise des Eschweiler Bergwerksvereins von October 1871 bis December 1872 aus einer Teufe von 300 Met. 18,750 Millionen Kilogramm-Meter. Auf dem Schweinitz-Schacht von Neurode von Januar 1872 bis März 1873 aus einer Teufe von 160 Met. 7068 Millionen Kilogramm-Met. Auf dem Segen-Gottes-Schacht der Freiherr v. Burgk'schen Werke bei Dresden vom 22. Juni 1871 bis 22. März 1873 aus einer Teufe von 454 Met. mit Gußstahl- (Band-)seilen 73,645 Millionen Kilogramm-Meter.“ Obige Seile wurden unter den verschiedensten Verhältnissen benutzt und dabei allgemein constatirt, daß die Seile noch nicht vollständig abgenutzt waren, sondern ferner noch zur Förderung benutzt werden, so daß sich die wirklichen Leistungen um ein Erhebliches höher als jene Angaben stellen. Bis dahin waren jedoch die mit früheren Seilen aus Eisendraht erzielten Resultate bereits bedeutend überschritten. Außerdem liegen noch Mittheilungen vor von verschiedenen anderen Gruben, auch solchen, wo die Gußstahlseile zu Bremsbergen benutzt worden waren. Dieselben sprechen sich sämmtlich lobend über die Leistungen und günstigen Verschleißkosten der Gußstahlseile aus. Hauptsächlich wird bei den Berichten hervorgehoben, daß an keinem der betreffenden Seile ein vorzeitiges Sprödwerden oder Brechen der Drähte beobachtet worden ist. Wir machen hierauf um so mehr aufmerksam, als mehrfach dieserhalb Zweifel herrschten und unerwartete Seilbrüche befürchtet wurden. Die Erfahrungen, welche man vor längeren Jahren, wo ebenfalls Stahlseile versuchsweise angewandt wurden, gemacht hat, berechtigten allerdings zu solchen Vermuthungen. Die Ursachen zu den damaligen schlechten Erfolgen lagen aber in der unrichtigen Wahl und Behandlung des Materiales selbst. Seitdem sind bedeutende Fortschritte gemacht worden und vermag man jetzt Gußstahldrähte herzustellen, welche mit den gerügten Uebelständen nicht behaftet sind. In England ist man mit der Anwendung der Gußstahlseile bereits früher vorgegangen und haben sich diese Seile dort in Folge der vieljährigen guten Resultate schon die allgemeinste Verbreitung verschafft. Es ist deßhalb als vollständig erwiesen zu betrachten, daß Gußstahlseile nicht die geringste Veranlassung zur Besorgniß bei deren Anwendung geben. Natürlich wird es, wie überhaupt bei allen Seilen, so besonders bei der Benutzung von Stahlseilen, rathsam seyn, sich über die Qualität der dazu verwandten Drähte in irgend einer Weise Gewißheit zu verschaffen. Im Handel werden vielfach sogenannte Gußstahldrähte geliefert, welche im Bruch allerdings ein stahlartiges Gefüge zeigen und im neuen Zustande auch eine große Biegsamkeit besitzen, deren Tragfähigkeit jedoch die der Eisendrähte (60 Kil.) nicht wesentlich überschreitet. Zu derartigen Drähten wird entweder wirklicher Gußstahl gar nicht verwendet oder nur geringe Qualitäten und können an solche derartige hohe Ansprüche nicht gestellt werden. Bei solchen ist die alte Calamität des vorzeitigen Spröde- und Brüchigwerdens eine natürliche Folge. – Der Herstellungspreis solcher Seile stellt sich aber auch nur unbedeutend höher als derjenige von gewöhnlichen Eisendrahtseilen und sie können folglich wesentlich billiger hergestellt werden, als wirkliche gute Gußstahlseile. Um durchaus sicher zu gehen, ist es deßhalb angezeigt, sich bei Anwendung von Gußstahlseilen nicht nur die Biegsamkeit, sondern auch die Tragfähigkeit der zu jenen verwandten einzelnen Drähte vom Seilfabrikanten garantiren zu lassen. Bei Anwendung geringerer Qualitäten von Stahlseilen ist dieselbe auch in sofern gefahrvoll, als die Seile unter Zugrundelegung einer größeren Tragfähigkeit in Wirklichkeit zu schwach ausfallen, oder aber man sucht sich, verlockt durch den geringen Kil.-Preis, durch entsprechende Verdickung des Seiles zu helfen; hierdurch geht aber die Kostenersparniß sowohl wie der Vortheil des geringen Seilgewichtes verloren und sind solche in der Anwendung höchst unvortheilhaft. Bei der Berechnung der Oberbergamtlichen Formel für Gußstahlseile ist die Tragfähigkeit des Drahtes auf 115 Kil. pro Quadrat-Millimeter angenommen und für Eisendraht auf 56 Kil. pro Quadrat-Millimeter. Wenn die Drähte diese Tragfähigkeit wirklich besitzen, so haben die angewandten Seile eine 6fache Sicherheit. Werden aber geringere Stahldrähte von nur circa 60 Kil. Tragfähigkeit pro Quadrat-Millimeter oder gar geglühte Stahldrähte angewandt, so ist die Sicherheit anstatt eine 6fache, nur eine 3- bis 2fache, was entschieden zu wenig. Dasselbe gilt aber auch für Eisendrahtseile, wenn zu solchen Förderseilen anstatt Draht von 56 Kil. nur geringere Sorten oder geglühter Eisendraht von 40 Kil. pro Quadrat-Millimeter Verwendung findet. Man verwende deßhalb überhaupt zu Förderseilen, besonders wo Menschenförderung besteht, nur die besten Seilqualitäten und suche sich über die Güte des verwendeten Drahtes Gewißheit zu verschaffen. Wir lassen noch einige Daten über Seilberechnungen folgen, welche von allgemeinem Interesse seyn dürften. Zur Berechnung des Gewichtes eines Gußstahlseiles pro Meter in Kilogrm. dient die Formel: n δ² . 0,0075; n = Anzahl der Drähte im ganzen Seil, δ = Dicke der Drähte in Millimeter. Zur Berechnung der Bruchbelastung in Kilogram. die Formel: n δ² . 90. Um die Drähtezahl eines Gußstahlseiles zu finden, welches der Oberbergamtlichen Formel zur Menschenförderung entspricht, benutzt man folgende Formel: n = F/δ²(15 – L 0,0075); F = Bruttoförderlast in Kilogram., L = Seillänge in Meter von der Seilscheibe bis zum Füllort. Die Drahtdicke δ kann man bei den Seiltrommel- und Seilscheiben-Durchmessern von mindestens: 3 Meter zu 2,7 Millimet. = Nr. 12 engl. Lehre 2–3 2,3 „   „ 13 2 2,0 „   „ 14 1–2 1,6 „   „ 16 annehmen. Wie bekannt, ist der Durchmesser der Trommel möglichst groß zu wählen und sind vorstehende Maaße als Minimal-Durchmesser zu betrachten. Bei der Oberbergamtlichen Formel ist eine 6fache Sicherheit der Berechnung zu Grunde gelegt, solche ist für die Sicherheit zur Menschenförderung allerdings genügend; es hat sich aber in der Praxis gezeigt, daß stets dann der billigste Seilverschleiß erzielt wurde, wenn die Seile im neuen Zustande eine 10fache Sicherheit besitzen. Es gilt dieses sowohl für Gußstahl- als wie für Eisen-Drahtseile. Zur Berechnung von Gußstahlseilen mit 10facher Sicherheit würde die Formel lauten: n = F/δ²(10 – L 0,0075), der gegenüber sich die Formel für Eisen-Drahtseile mit 10facher Sicherheit auf: n = F/δ²(5 – L 0,0075), stellte. (Berggeist, 1873, Nr. 45.)