Titel: Ueber die chemischen Vorgänge beim Ammoniaksodaprozesse.
Fundstelle: Band 270, Jahrgang 1888, S. 566
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Ueber die chemischen Vorgänge beim Ammoniaksodaprozesse. Ueber die chemischen Vorgänge beim Ammoniaksodaprozesse. H. Schreib veröffentlicht in der Zeitschrift für angewandte Chemie, 1888 S. 283, seine Untersuchungen über die chemischen Vorgänge beim Ammoniaksodaprozesse und speciell bei der sogen. Carbonisation, d. i. die Umsetzung des Kochsalzes durch Ammoniumbicarbonat in Natriumbicarbonat und Salmiak. Diese Operation ist jedenfalls in chemischer Beziehung die wichtigste im ganzen Prozesse; die übrigen Theile desselben treten in dieser Hinsicht zurück, wenn auch die rein technischen Schwierigkeiten an anderen Stellen bedeutender auftreten mögen. Die genannte Umsetzung wird bekanntlich ausgedrückt durch die einfache Formel NaCl + NH4HCO3 = NaHCO3 + NH4Cl. Für die Praxis müſste man die Umsetzung richtiger durch eine andere Formel ausdrücken, da nicht Ammoniumbicarbonat direkt der Lösung zugesetzt wird, sondern Ammoniak als Gas, welches dann im weiteren Verlaufe durch eingeleitete Kohlensäure zuerst in Carbonat und dann in Bicarbonat umgewandelt wird; die Formel wäre also: NH3 + NaCl + CO2 + H2O = NaHCO3 + NH4Cl. Wie man sich leicht durch Experimente überzeugen kann, tritt in nicht zu verdünnten Lösungen die Ausfällung des Natriumbicarbonates auch unter den verschiedensten Verhältnissen von Ammoniak und Kochsalz zu einander stets ein, aber es wird je nachdem nur ein mehr oder weniger kleiner Theil des Natriumchlorides zersetzt. Will man eine möglichst quantitative Umsetzung des angewendeten Kochsalzes, so muſs die Concentration und das Verhältniſs der beiden Stoffe zu einander sehr sorgfältig gewählt werden. In der Praxis ist es nun wohl durchweg der Fall, daſs eine möglichst starke Ausnutzung des Kochsalzes gewünscht wird, nur zuweilen ist eine Einschränkung dieses Bestrebens geboten, so z.B. durch die Rücksichtnahme auf die Zeitdauer der Carbonisation, Ammoniakverluste u. dgl., wobei jedoch immer der jeweilige Salzpreis in Betracht kommt. Was nun die Umsetzung selbst betrifft, so ist eine vollständige Ausfällung des Natriums als Bicarbonat nicht möglich, wenigstens nicht aus wässeriger Lösung. Wie weit in der Lösung selbst die Umsetzung in Natriumbicarbonat vor sich geht, ist schwer zu sagen. Nach einer Mittheilung bei LungeLunge, Handbuch der Soda-Industrie, S. 669. hat Solvay zwar behauptet, daſs er alles Kochsalz umsetze, indeſs bemerkt Lunge dazu, daſs alle Anderen dem widersprechen. Dieser letzteren Ansicht tritt auch Schreib bei; es ist ihm nie gelungen, eine vollständige Ausfällung zu erreichen. Obwohl er eine Menge der verschiedensten Versuche anstellte, konnte er eine höhere Ausfällung als ⅘ des Natriums nicht erzielen. Ob das nach vollendeter Carbonisation in der Lösung noch verbleibende Alkalibicarbonat als Ammonium- oder Natrium Verbindung vorhanden ist, dürfte schwer zu entscheiden sein. Schreib nimmt das Erstere an, da in der Lösung das Natrium als stärkere Basis auch mit der stärkeren Säure verbunden sein wird. Hinsichtlich der Höhe der Ausfällung sei bemerkt, daſs dieselbe hauptsächlich bedingt wird durch das Verhältniſs von Ammoniak und Kochsalz zu einander, nebenbei kommt noch die Temperatur in Betracht. Der Einfluſs des Druckes, unter welchem die Umsetzung vor sich geht, scheint nach Schreib nur unbedeutend zu sein. Zunächst ist es von Wichtigkeit, auf die anfänglich herzustellenden ammoniakalischen Chlornatriumlösungen einzugehen. In 1l concentrirter Kochsalzlösung sind bekanntlich bei 15° 3178,8 Chlornatrium enthalten; diese Löslichkeit wird aber durch die Gegenwart von Ammoniak beeinträchtigt. Um den Einfluſs des letzteren darzustellen, hat Schreib aus verschiedenen Bestimmungen eine Tabelle berechnet, welche hier folgt. Es sei bemerkt, daſs dieselbe zwar nicht auf wissenschaftliche Genauigkeit Anspruch machen kann, indeſs wird man immerhin ein klares Bild über den Einfluſs des Ammoniaks auf die Löslichkeit des Chlornatriums erhalten. NH3Proc.* NaClProc. NH3Proc. NaClProc. 3,5 29,5   8,0 26,8 4,0 29,2   8,5 26,4 4,5 28,9   9,0 26,1 5,0 28,6   9,5 25,7 5,5 28,3 10,0 25,4 6,0 28,0 10,5 25,1 6,5 27,7 11,0 24,8 7,0 27,4 11,5 24,4 7,5 27,1 12,0 24,1 * Die Procente in dieser und auch in den folgenden Tabellen sind als sogen. Volumenprocente zu verstehen; es wird dadurch direkt die Gewichtsmenge der Salze u.s.w. in Grammen auf 100cc angezeigt. Die Lösungen, auf welche sich diese Tabelle bezieht, sind solche, die mit Chlornatrium völlig gesättigt sind, also davon so viel enthalten, wie der Ammoniakgehalt der Lösung zuläſst. Es ist bei diesen gesättigten Lösungen nur eine einzige möglich, in der das molekulare Verhältniſs von Ammoniak und Natriumchlorid wie 1 : 1 ist; dieselbe hat einen Gehalt von 7,8 Proc. Ammoniak und 26,8 Proc. Chlornatrium. Diejenigen Lösungen, in denen die Menge des Ammoniaks mehr als 7,8 Proc. beträgt, enthalten dasselbe im molekularen Ueberschusse zum Kochsalze, anderenfalls ist letzteres in gröſserer Menge vorhanden. Dies gilt, wie gesagt, nur für gesättigte Lösungen; man kann natürlich noch auſserdem ammoniakalische Chlornatriumlösungen mit molekularem Verhältnisse von Ammoniak und Kochsalz wie 1 : 1 herstellen, dieselben haben dann aber nicht den Gehalt an Kochsalz, den sie bei ihrem Ammoniakgehalte aufnehmen können; es sind das also verdünnte Lösungen. Wir haben nach obigen Betrachtungen zwei Reihen von ammoniakalischen Kochsalzlösungen, nämlich: 1) Concentrirte Lösungen, das sind solche, die so viel Kochsalz enthalten, als beim vorhandenen Ammoniakgehalte aufgenommen wird. 2) Verdünnte Lösungen, die weniger Kochsalz enthalten, als sie bei ihrem Ammoniakgehalte zu lösen vermögen. Da in jeder der beiden Reihen eine Menge Abstufungen möglich sind, so ist ersichtlich, daſs der Ammoniaksodatechniker unter einer Unzahl Lösungen zu wählen hat. Um die richtigste Lösung für die gegebenen Verhältnisse auszusuchen, ist es nöthig, den Einfluſs der verschiedenen Concentrationen auf die Ausfällung des Bicarbonates festzustellen. Die Versuche, deren Resultate die unten folgende Tabelle enthält, sind fast sämmtlich doppelt ausgeführt, und es sind dabei stets dieselben Bedingungen eingehalten. Dies ist durchaus nöthig, da man sonst mit Lösungen von ein und derselben Concentration verschiedene Resultate erhalten wird. Es muſs stets bis zur völligen Erschöpfung carbonisirt und dieselbe Temperatur eingehalten werden, durch letztere wird die Löslichkeit des Bicarbonates beeinfluſst. Bei den vorliegenden Versuchen ist die Temperatur ziemlich hoch gehalten (bei 18°), um das Ausfallen von Chlorammonium zu verhüten, dadurch würde bei der von Schreib gewählten Bestimmung der Umsetzung das Resultat stark beeinfluſst sein. Zu den Versuchen ist jedesmal 0l,5 der ammoniakalischen Kochsalzlösung verwendet, die Carbonisation geschah in Woulff'schen Flaschen, die Kohlensäure wurde aus einem Kipp'schen Apparate entwickelt. Hierbei waren Vorsichtsmaſsregeln getroffen, daſs aus letzterem weder Feuchtigkeit noch Salzsäure in die als Carbonisatoren dienenden Flaschen gelangen konnten, um zu verhüten, daſs die Carbonisirflüssigkeit verdünnt wurde bezieh. daſs sich Ammoniumchlorid bildete. Die Menge des ausgefällten Bicarbonates kann nicht direkt bestimmt werden, da dasselbe ganz mit der Mutterlauge durchtränkt ist. Diese müſste vorher entfernt werden, was nur durch Auswaschen möglich ist. Hierbei läſst sich aber nicht vermeiden, daſs ein Theil des bereits ausgefällten Bicarbonates wieder in Lösung geht. Schreib hat daher zur Feststellung der stattgefundenen Umsetzung den folgenden Weg gewählt. 10cc der vom Bicarbonate abfiltrirten Flüssigkeit wurden in der Platinschale eingedampft, bei 105° getrocknet und gewogen, hierauf geglüht und wieder gewogen. Auf diese Weise wurde bei der ersten Wägung die Gesammtmenge an Salzen, bei der zweiten der Gehalt an Chlornatrium bestimmt, die Differenz zwischen den beiden Wägungen ist Chlorammonium. Die so gefundenen Resultate sind, wie mehrfache Controlbestimmungen ergeben haben, vollständig genau; sämmtliche in der Tabelle enthaltenen Bestimmungen sind doppelt ausgeführt, die Zahlen stellen das Mittel dar. Jedes Molekül des gefundenen Chlorammoniums entspricht einem Molekül Kochsalz, welches in Natriumbicarbonat umgewandelt ist; es kann darnach also die Menge des ausgefällten Bicarbonates leicht berechnet werden. Aus dem Verhältnisse des direkt gefundenen Chlornatriums zu der dem gefundenen Chlorammonium äquivalenten Menge Chlornatrium plus direkt gefundenes Chlornatrium wird dann die Gröſse der Umsetzung berechnet, also z.B. Gefunden direkt = 16,110,2 Proc. NH4ClNaCl 16,1 NH4Cl = 17,5 Proc. NaCl + 10,2 direkt gefunden –––––––––––––––––––     27,7 Proc. NaCl     17,5 : 27,7 = x : 100. x = 63,1. Es sind also 63,1 Proc. des ursprünglich angewendeten Chlornatriums als Bicarbonat ausgefällt. Bei einigen Versuchen ist auch das Bicarbonat ausgewaschen und gewogen; die Resultate sind nicht ganz zuverlässig, da das Auswaschen in diesem Falle eine Operation ist, welche sich nicht so gleichmäſsig ausführen läſst, daſs nicht gröſsere Differenzen vorkommen. Das gefundene Bicarbonat ist in der folgenden Tabelle als Natriumcarbonat von 100 Proc. berechnet aufgeführt. Concentrirte Lösungen. Ursprüngliche Lösung Carbonisirte Lösung Nr. ° B. NH3Proc. NaClProc. ° B. NH3Proc. NaClProc. NH4ClProc. Grad derUmsetzung Na2CO3Grammeim Liter   1 22,4   3,4 29,6 21,4 0,6 20,1   9,1 33,1      90,0   2 21,0   4,5 29,1 20,2 1,0 17,9 10,8 40,0   3 20,8   4,9 28,6 14,8 14,9 52,3   4 19,1   5,9 27,9 11,0 16,8 62,5   5 19,0   6,1 27,6 17,2 0,7 11,0 16,4 62,0   6 19,0   6,3 27,4 17,1 1,2 10,9 16,4 62,5 138 7 18,9   6,6 27,3 1,3 10,2 16,1 63,1 146   8 18,7   6,8 27,4   9,9 19,0 67,6 156   9 18,4   7,2 27,2 1,3   9,3 17,9 67,8 154 10 17,4   8,9 25,8   7,4 18,8 73,6 168 11 14,4 11,5 24,3 1,3   7,3 18,5 73,6 145 12 13,4 13,2 23,5 2,9   9,5 14,2 62,0 132 In vorstehender Tabelle ist der Gehalt der carbonisirten Lösungen an NH3 wie auch das specifische Gewicht nicht immer angegeben,; diese beiden Angaben sind ja auch für die Beurtheilung nicht von Belang. Bei hohem Ammoniakgehalte der ursprünglichen Lösung ist in der carbonisirten Lösung immer verhältniſsmäſsig viel Alkalicarbonat bezieh. Bicarbonat vorhanden. Die Tabelle bedarf keiner weiteren Erläuterung, der Einfluſs der verschiedenen Mengen von Ammoniak und Kochsalz ist deutlich zu ersehen. Natürlich sind die gefundenen Resultate nicht direkt auf die Praxis übertragbar, da die Bedingungen, unter denen sich der Prozeſs im Groſsen vollzieht, ganz andere sind als bei Versuchen im Kleinen, indessen wird der richtige Weg doch deutlich angezeigt, Lösungen mit sehr hohem oder niedrigem Ammoniakgehalte können nicht in Betracht kommen. Bei niedrigem Ammoniakgehalte vollzieht sich zwar die Carbonisation sehr schnell, man kann häufigere Fällungen in den Absorptionsapparaten vornehmen, die Ausbeute ist jedoch gering, es geht viel Salz verloren, und man hat verhältniſsmäſsig groſse Flüssigkeitsmengen zu destilliren. Bei Anwendung eines hohen Ammoniakgehaltes hat man den Vortheil, daſs die Ausbeute gröſser und der Salzverlust geringer ist, gegenüber steht der Mehrverbrauch an Ammoniak, die Carbonisation dauert länger und der Betrieb ist schwieriger, da durch mitgerissenes Ammoniumcarbonat bezieh. -bicarbonat leicht Verstopfungen in den Rohrleitungen eintreten. Es wird daher immer Sache des Praktikers sein, für seine örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der Preise von Kochsalz, Ammoniak, Kohlen u. dgl. die richtigste Concentration auszuwählen, eine allgemeine Norm läſst sich nicht aufstellen. Es sei hier nur erwähnt, daſs die Grenze für die in der Praxis angewendeten Lösungen bei den Nr. 3 bis 9 der Tabelle liegen; Lösungen wie die Nr. 6 und 7 dürften für viele Verhältnisse die richtigsten sein. Wie schon bemerkt, fallen die Resultate in der Praxis nicht so aus wie im Kleinen. Namentlich ist eine so starke Carbonisation, wie bei verschiedenen Proben in der Tabelle angegeben ist, im Betriebe nicht immer zu erreichen. Von den verdünnten Lösungen seien nur die drei folgenden Versuche angeführt: Verdünnte Lösungen. Ursprüngliche Lösung Carbonisirte Lösung Nr. ° B. NH3 NaCl ° B. NH3 NaCl NH4Cl Grad derUmsetzung Na2CO3Grammeim Liter 4 15,8 5,9 22,9 7,4 15,2 69,1 8 13,6 6,8 20,5 5,9 14,7 70,3 9 14,8 7,2 22,6 6,9 15,3 70,5 Hinsichtlich ihres Ammoniakgehaltes entsprechen die drei angeführten Lösungen den correspondirenden Nummern in der Tabelle B, es kann also der Einfluſs des Salzgehaltes durch direkten Vergleich gefunden werden. Wir sehen, daſs der Grad der Umsetzung ein etwas höherer ist als bei den concentrirten Lösungen; dieser Vortheil wird aber aufgewogen durch die weit schwierigere Carbonisation bei verdünnten Lösungen, ferner ist die Ausbeute geringer. Dadurch wird an Kohlen, Arbeitskosten u. dgl. mehr verbraucht, als die Ersparniſs an Salz beträgt. In der Praxis werden verdünnte Lösungen nicht angewandt. Die höchste aus obigen Tabellen ersichtliche Umsetzung des Salzes beträgt demnach 73,6 Proc. in der Praxis wird dieser Grad wohl selten erreicht. Diese Umsetzung bedeutet, wie schon erwähnt, die Menge des dem ausgefällten Bicarbonate äquivalenten Chlornatriums. Es ist ja möglich, daſs auſserdem sich noch in der Lösung Natriumbicarbonat gebildet hat, welches nicht mit ausgefallen ist. Dieses würde bei der von Schreib angewendeten Bestimmungsmethode nicht gefunden worden sein. Die wirkliche Umsetzung kann also höher gewesen sein, als in der Tabelle angegeben ist. Uebrigens ist die Entscheidung dieser Frage für die Praxis ziemlich gleichgültig. Es ist selbstverständlich nicht möglich, eine dem umgesetzten Chlornatrium entsprechende Menge Natriumbicarbonat zu gewinnen. Das ausgefällte Bicarbonat muſs von der Mutterlauge durch Auswaschen befreit werden, wobei stets Bicarbonat in Lösung geht. Der auf diese Weise eintretende Verlust ist in der Praxis sehr verschieden, je nach Art des Betriebes. Bei Versuchen im Kleinen fand Schreib einen Verlust von nur 5 Proc. des Salzes (procentisch berechnet auf das erhaltene Natriumcarbonat), in der Praxis gelingt es indeſs nicht, beim Auswaschen mit so geringem Verluste zu arbeiten, derselbe wird immer 10 Proc. und mehr betragen. Der starke Verlust an Kochsalz ist entschieden als ein Hauptfehler des Ammoniaksodaprozesses anzusehen. Derselbe macht sich namentlich fühlbar bei denjenigen Fabriken, welche ihr Salz von weither beziehen müssen, während die auf dem Salze stehenden Betriebe weniger betroffen werden; indeſs ist der Verlust für diese immerhin groſs genug. Man kann rechnen, daſs in der Praxis zu 100k Soda von 97 bis 99 Proc. mindestens 200k Salz verbraucht werden. Die Theorie verlangt nur 110k Natriumchlorid, also unter Berücksichtigung der Unreinheiten des gewöhnlichen Salzes etwa 115k. Der genannte Verbrauch von 200k ist übrigens sehr niedrig gegriffen, für gewöhnlich kann man 220k rechnen, und es gibt auch Fabriken, die noch mehr gebrauchen. Das liegt indeſs an der Art des Betriebes, die Zahl 220 kann überall leicht erreicht werden. Nach Obigem ist also ein Verlust von 100k Salz als durchschnittlich anzunehmen. Da dieser Verlust für Fabriken, welche hohe Fracht auf Salz zu tragen haben, immerhin etwa 1,20 M. auf 100k Salz beträgt, so ist es von hohem Werthe, Verfahren aufzufinden, welche ohne zu groſse Schwierigkeiten eine Ersparniſs an Salz ermöglichen. Man kann hierzu zwei Wege einschlagen, indem man einerseits den Verbrauch an Salz direkt einzuschränken, andererseits dasselbe aus der abfallenden Lösung wiederzugewinnen sucht. Dies letztere Verfahren ist, wenn man nicht zugleich auch sonstige Zwecke verfolgt, entschieden zu theuer; es muſs daher der andere Weg betreten werden, nämlich durch besondere Concentration die Ausfällung des Natriumbicarbonates zu vermehren. Nach GünsburgLunge, Handbuch der Soda-Industrie, S. 669. soll man darauf hinarbeiten, eine möglichst gesättigte Salmiaklösung zu erhalten, welche dann ein möglichstes Minimum von Natriumverbindungen enthalten wird. Er empfiehlt eine Lösung, in der bei gewöhnlicher Temperatur auf 58,5 Th. Kochsalz 18,72 Th. Ammoniak enthalten sind; es entspricht das einem Verhältnisse von etwas mehr als 1 Aeq. NH3: 1 Aeq. NaCl. Nimmt man eine an Salz concentrirte Lösung in diesen Verhältnissen, so würde dieselbe enthalten müssen im Liter 261g NaCl und 83g NH3. Der Gedanke, daſs man stets auf eine an Salzen möglichst gesättigte Lösung hinarbeiten müsse, um dadurch das Bicarbonat möglichst unlöslich zu machen, ist unzweifelhaft richtig; dieses Ziel wird aber mit der von Günsburg vorgeschlagenen Lösung nicht erreicht. Schreib hat eine derartige Lösung hergestellt und carbonisirt, dabei aber gefunden, daſs dieselbe nach der Carbonisation noch Kochsalz zu lösen vermochte, also keine an Salzen concentrirte Lösung darstellte. Dies führte den Verfasser zu weiteren Versuchen. Concentrirte ammoniakalische Chlornatriumlösungen, welche kein Salz mehr zu lösen vermögen, sind nach beendigter Carbonisation (bezieh. schon in einem gewissen Stande derselben) wieder im Stande, mehr oder weniger groſse Mengen davon aufzunehmen. Die Bedingungen, unter denen die Lösung des Kochsalzes erfolgt, sind nach der Carbonisation ganz verändert, die vorher vorhandenen Salze sind in andere Verbindungen umgewandelt. An Stelle des Kochsalzes und Ammoniaks ist Chlorammonium und kohlensaures bezieh. doppeltkohlensaures Ammoniak getreten, ein groſser Theil des Natriums bezieh. des Ammoniaks ist als Bicarbonat ausgefällt. Schreib hat gefunden, daſs eine fertig carbonisirte Lösung stets noch eine gewisse Menge Kochsalz löst; die Lösung tritt aber auch schon vor beendeter Carbonisation ein, wie es scheint, schon sofort nach erfolgter Bildung von Ammoniumchlorid und Ausfällung von Natriumbicarbonat. Behandelt man eine carbonisirte Lösung, welche noch viel Ammonbicarbonat enthält, mit Chlornatrium, so tritt bei geeigneter Temperatur direkt eine Abscheidung von Natriumbicarbonat ein. In die Lösung eingehängte Salzstücke werden in ganz kurzer Zeit mit Natriumbicarbonat incrustirt. Dieser Vorgang gibt einen werthvollen Fingerzeig, in welcher Weise eine höhere Ausbeute zu erhalten ist. Es ist nicht möglich, eine ammoniakalische Kochsalzlösung von vornherein so stark mit Salz zu sättigen, daſs nach Schluſs der Carbonisation eine an Salzen gesättigte Lösung vorhanden ist 5 letzteres ist aber zu einer möglichst vollständigen Ausfällung des Bicarbonates nöthig. Der gewünschte Zweck läſst sich jedoch erreichen, wenn man der zu carbonisirenden Lösung von Anfang an einen Ueberschuſs an Ammoniak gibt (im Verhältnisse zum Kochsalze) und eine diesem Ueberschusse entsprechende Menge Chlornatrium in festem Zustande während der Carbonisation der Lösung zusetzt. Bei fortschreitender Behandlung mit Kohlensäure löst sich dann in dem Maſse, wie sich Natriumbicarbonat ausscheidet, Kochsalz in der Flüssigkeit auf, es wird eine immerwährende Concentration an Salzen bewirkt, wodurch die möglichste Unlöslichkeit des Natrium bicarbonates erreicht werden muſs. Die Versuche, welche Schreib in dieser Richtung anstellte, haben auch ein der Theorie entsprechendes Resultat ergeben; es ist ihm gelungen, eine Umsetzung von etwa 80 Proc. des angewendeten Kochsalzes zu erzielen. Hinzu tritt hierbei noch der Vortheil, daſs die Carbonisation, welche bei dem gewöhnlichen Verfahren mit zunehmender Ausfällung des Bicarbonates immer langsamer vor sich geht, in einer stets concentrirt bleibenden Lösung viel leichter und schneller sich vollzieht, die Kohlensäure wird besser verwerthet. Ferner gibt jede Fällung eine höhere Ausbeute, da durch die stärkere Concentration eine weit gröſsere Menge Salz in Lösung geht und von dieser gröſseren Menge ein höherer Procentsatz zersetzt wird. Hierdurch werden die Apparate, die Maschinenkraft, wie überhaupt die ganze Anlage besser ausgenutzt, auch sind die zu destillirenden Flüssigkeitsmengen kleiner. Die Anwendung des Verfahrens ist in der Praxis leicht und ohne gröſsere Anlagekosten auszuführen. Eine einfache Vorrichtung, welche die leichte Einführung des Salzes in die Carbonisatoren gestattet, findet sich abgebildet im Wagner'schen Jahresberichte 1886 * S. 281. Schreib ist es gelungen, noch ein anderes Verfahren aufzufinden, durch welches es ermöglicht wird, den Salzverlust auf ein Minimum zu beschränken. Es wurde eine vom Bicarbonate abfiltrirte Lösung mit Salz gesättigt und dann Ammoniakgas hineingeleitet. Die so hergestellte Flüssigkeit wurde zum zweiten Male carbonisirt, um festzustellen, wie weit durch diese doppelte Behandlung die Umsetzung gebracht werden konnte. Es entstand hierbei, als ungefähr sämmtliches Ammoniak in einfaches Carbonat verwandelt war, ein auffallend groſser Niederschlag von Ammonchlorid. In der abfiltrirten Flüssigkeit, welche vorher eine gröſsere Menge Salmiak als Kochsalz enthalten hatte, war jetzt das umgekehrte Verhältniſs eingetreten. Die Fortführung der Carbonisation in der vom Ammonchlorid getrennten Flüssigkeit ergab dann die Ausfällung von Natriumcarbonat. Weitere Versuche zeigten, daſs sich auf diese Erscheinung ein Verfahren gründen läſst, welches die stetige Regenerirung der im Ammoniaksodaprozesse abfallenden Salmiak-Kochsalzlaugen gestattet, so daſs dieselben stets von Neuem in den Betrieb eingeführt werden können. Leitet man nämlich Ammoncarbonat in Gasform bezieh. Ammoniak und Kohlensäure in die vom Bicarbonate abfiltrirten Endlaugen und bringt zugleich festes Kochsalz mit denselben in Berührung, wobei die Temperatur am besten etwas hoch gehalten wird, so scheidet sich nach der Abkühlung Chlorammonium in groſser Menge aus, während Ammoncarbonat und Kochsalz in Lösung bleiben. Die so erhaltene Flüssigkeit ist nach der Trennung vom ausgeschiedenen Salmiak direkt wieder zur Carbonisation fertig, wie aus folgendem Beispiele ersichtlich ist: Die Endlauge von der Carbonisation enthielt:   9,4 Proc. NaCl 19,8 NH4Cl Dieselbe Lauge ergab nach der Behandlung mit NaCl und (NH4)2CO3: 23,1 Proc. NaCl   5,9 NH4Cl 18,5 (NH4)2CO3. Wie man sieht, ist die Zusammensetzung dieser Lösung derart, daſs sie ohne Weiteres in den Prozeſs wieder eingeführt werden kann.