Titel: | Der gegenwärtige Stand der Motorluftschiffahrt. |
Autor: | Ansbert Vorreiter |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 150 |
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Der gegenwärtige Stand der
Motorluftschiffahrt.
Von Ingenieur Ansbert
Vorreiter.
(Fortsetzung von S. 137 d. Bd.)
Der gegenwärtige Stand der Motorluftschiffahrt.
Textabbildung Bd. 324, S. 149
Drachenflieger (Doppeldecker) der Gebrüder Wright; A Höhensteuer. B obere. C untere Tragfläche. D
Seitensteuer. E Sitz für den Führer. F Sitz für einen Passagier. G, G1 die Pfeile zeigen die
Drehrichtung an. J, K Ketten zum Antrieb der
Schrauben. Linke Kette. J, gekreuzt Beide Ketten in
Rohren geführt. H Motor. L Kühlapparat für den Motor. M, N2 Steuerhebel für das Höhensteuer und für das
Seitensteuer und zum Verwinden der Tragflächen. O
Schlitten.
Der in Fig. 9 bis 12 dargestellte Drachenflieger (Doppeldecker) der
Gebrüder Wright ist ohne Zweifel der beste aller bisher
konstruierten Drachenflieger. Nachdem die Erfolge der Wrights lange angezweifelt wurden, weil die Brüder ihre Versuche im
geheimen machten und niemandem ihren Apparat zeigten, haben die seit Anfang August
von Wilbur Wright in Le Maus öffentlich ausgeführten
Flüge bewiesen, daß ihre früheren Angaben auf Wahrheit beruhen. Es zeigte sich, daß
dieser Flieger besser als jeder andere lenkbar ist, beliebige Kurven beschreiben
kann und selbst bei starkem Wind stabil ist. Diese vorzügliche Lenkung wird dadurch
erreicht, daß die Enden der Tragflächen mittels Spannseilen, die über Rollen an
Hebel geführt sind, verwunden werden. Fig. 12 zeigt
an einer schematischen Zeichnung der Tragflächen diese sinnreiche Konstruktion. Die
Tragflächen, die eine Breite von 12,5m haben, sind über ein Gerüst aus Holz
gespannt. Die Holzleisten sind biegsam und der Stoff (Continental) diagonal
gespannt. Der ganze Apparat ruht auf einem Schlittenkufen. Vorn am Ende der
Kufen ist das Höhensteuer angebracht, das ebenfalls 2 übereinander angeordnete
Flächen hat. Hinten ist an 2 Armen das Seitensteuer befestigt; auch dieses hat 2
parallele Flächen von zusammen etwa 3 qm. Das Höhensteuer hat etwa 3,5 qm Fläche,
die Tragflächen bei einer Breite von etwa 2 m, etwas über 48 qm. Auf der unteren
Fläche ist rechts von der Mitte der Motor untergebracht. Dieser hat 4 Zylinder und
leistet bis 28 PS. Mittels 2 Ketten, von denen die linke längere gekreuzt ist,
werden die 2 hinter den Tragflächen gelagerten Schrauben angetrieben und zwar in
entgegengesetztem Drehsinne. Beide Ketten sind in Stahlrohren geführt. Der Führer
und ein Mitfahrer nehmen links vom Motor auf der unteren Tragfläche Platz. Dort sind
auch die Hebel zur Bedienung der Steuer untergebracht und zwar 1 Handhebel links zur
Bedienung des Höhensteuers und ein zweiter Handhebel für das Seitensteuer, womit
auch die Enden der Tragflächen verbunden sind. Dieser Hebel ist mittels
Doppelgelenken nach allen Seiten und vor- und rückwärtsschwingbar. Wird der Hebel
vor- oder rückwärts bewegt, so wird allein das Seitensteuer betätigt.
Textabbildung Bd. 324, S. 149
Fig. 12. Das Verwinden der Tragflächen im Drachenflieger Wright; A Hebel in Stellung beim Geradeausfliegen. B Hebel in Stellung beim Kurvenfliegen nach links.
C Seil. D
Verbindungsseil. 1 Stellung der Tragflächen beim Geradeausfliegen, 2 beim
Kurvenfliegen nach links. E Führungsrolle.
Das Verwinden der Tragflächen findet derart statt, daß beim
Umlegen des Steuerhebels nach links die linken Hinterkanten nach oben, die rechten
nach unten gebogen werden, beim Steuern nach rechts umgekehrt. Neigt sich der
Apparat beim Fliegen nach links, so werden die linken Hinterkanten nach unten
gebogen, die rechten nach oben, wodurch sich der Flieger wieder grade aufrichtet.
Damit die Flächen leicht biegsam sind, fassen die vertikalen Streben zwischen den
Tragflächen mittels Gelenken an. Als Ruhe für die Füße befindet sich eine Stütze
zwischen den Beinen des Führers. Die Schrauben sind zweiflügelig- und aus Holz
gefertigt.
Textabbildung Bd. 324, S. 150
Fig. 13. Mittlerer Teil des Biplanes Wright mit Motor, Kühlapparat,
Kettenantrieb und Sitzen für Führer und Passagier. Links vom Führersitz der
Steuerhebel für das Höhensteuer. Rechts, zwischen beiden Sitzen, der Steuerhebel
für das Seitensteuer und zum Verwinden der Tragflächen.
Sie drehen sich mit etwa ein Drittel der Tourenzahl des
Motors, 450 Touren in der Minute, während der Motor über 1200 macht. Der Motor, Fig. 13, von Wright
selbst konstruiert, hat vier Zylinder mit Wasserkühlung. Der Kühlapparat für das
Wasser ist rechts vom Motor vorn angebracht und besteht aus mehreren etwa 1¾ m
langen senkrechten, flach gedrückten Röhren. Zur Zündung dient ein Magnetapparat.
Bemerkenswert ist die Art des Startens beim Drachenflieger von Wright. Während alle anderen Drachenflieger ein
Anlaufgestell mit Rädern haben, das am Flügapparat fest ist, läßt Wright sein Anlaufgestell (Fig. 14) auf der Erde zurück. Zm Auffliegen wird der Wrightsche Flieger (Fig.
15) auf einem Bock mit 2 Rollen welche Rollen tandemartig hintereinander
stehn. Die Rollenspuren auf einer Holzschiene von etwa 20 m Länge. Diese ruht auf
Böcken, welche mittels Holzpflöcken in der Erde befestigt sind. Ein Seil faßt an
einem Ende den Drachenflieger an einem auslößbaren Haken, während das andere Ende
des über 2 Rollen an beiden Enden der Schiene geführten Seiles über eine dritte oben
an einem etwa 6 m hohen Gestell angebrachte Rolle geführt ist und ein Gewicht trägt.
Dieses Gewicht von 700 kg zieht, wenn ausgelöst, bei seinem Fall den Flugapparat an
und bringt ihn sehr schnell in Schwung, so daß schon nach einem Lauf von 10 bis
höchstens 20 m der Drachenflieger sich von der Erde erhebt.
Textabbildung Bd. 324, S. 150
Fig. 14. Apparat zum Starten des Drachenfliegers der Gebrüder Wright; FF1F2 Führungsrollen
für das Seil T. G Gerüst für das Fallgewicht Z. S Laufschiene aus Holz für die Aulaufsrollen R. An dem einen Ende des Seiles hängt das
Fallgewicht Z, das andere Ende ist am Flugapparat
D befestigt:
Die Startmethode von Wright hat
den Vorteil, daß der Flugapparat mit dem Gewicht des Anlaufgestelles mit Federn und
Rädern nicht belastet wird, und die Unebenheiten des Bodens durch die Anlaufschiene
in bequemer Weise leicht überbrückt werden können, andererseits aber den
Nachteil, daß der Flieger nicht selbsttätig aufsteigen kann.
Die Gebrüder Wright haben für das Signal-Korps der Armee
der Vereinigten Staaten die Lieferung eines Drachenfliegers übernommen, der 2
Personen tragen kann und Brennstoff für eine Stunde mitführt. Die größte
Geschwindigkeit muß über 60 km betragen. Diese Bedingungen lassen sich mit dem
Drachenflieger von Wright erfüllen, das haben die
bisherigen Flüge in Le Mans bewiesen. Auf der Grundlage der Wrightschen Konstruktion läßt sich ein für Sportzwecke sehr geeigneter
Drachenflieger aufbauen, und es ist daher wahrscheinlich, daß in Jahresfrist
derartige Luftautomobile auf dem Markte sind. Unzweifelhaft dürften nun die Gebrüder
Wright ihre Patente in allen Industriestaaten
verwerten können, was sie lange versucht haben, aber ihnen nicht gelang, da sie erst
nach dem Kaufabschluß das Geheimnis ihrer Konstruktion preisgaben wollten.
Textabbildung Bd. 324, S. 150
Fig. 15. Biplan Wright wird zum Start gefahren.
Biplan oder Monoplan ist augenblicklich die erste Frage auf dem Gebiete der
dynamischen Flugapparate. Da ist es sicher von größter Bedeutung, daß Bleriot, einer der ersten Anhänger des Monoplans
nunmehr mit dem Bau von Biplanen beginnt. Im Salon de l'Aironautique, dem zweiten
Teil des Salon de l'Automobile in Paris, Dezember 1908, hatte Bleriot seinen ersten Biplan ausgestellt. Bei der
Konstruktion desselben macht sich augenfällig der Einfluß von Wright erkennbar, und die Erfolge Wilbur Wrights gaben jedenfalls Bleriot die Veranlassung, sich dem Biplan zuzuwenden, nachdem er bereits
10 Monoplane gebaut und versucht hat. Der Biplan Bleriot ist auch deshalb bemerkenswert, weil an demselben eine neue Art
der Seitenstabilität versucht wird, und zwar durch Benutzung von 2 hinter den
Tragflächen rechts und links angebrachten Höhensteuern. Diese beiden Flächen lassen
sich sowohl im selben als verschiedenen Sinne drehen, und zwar erfolgt die
Betätigung mittels des bekannten Doppelcardan-Lenkhebels von Bleriot. Wird dieser Hebel nach vorn bewegt, so werden die Vorderkannten
beider Höhensteuer gehoben, nach hinten, also zum Führer hin bewegt, senken sich die
Vorderkanten der Steuer. Im ersteren Falle fliegt der Apparat abwärts, im zweiten
Falle aufwärts. Wird jedoch der Hebel nach rechts geschwenkt, so senkt sich nur die
Vorderkante des rechten Höhensteuers, während sich das linke hebt, dadurch wird der
Drachenflieger nach rechts geneigt. Beim Schwenken des Steuerhebels nach links ist
die Wirkung natürlich umgekehrt. Bleriot kann also auf
diese Weise seinen Flugapparat wieder aufrichten, falls er kippen wollte, genau wie
Wright mittels des Verwindens der Tragflächen. Bleriot strebt jedoch auch wie Voisin
an den Biplanen von Farman, Delagrange und Zipfel eine automatische Stabilität mittels vertikaler
Flächen an. Diese sind rechts und links vom Motor zwischen den Tragflächen eingebaut
und dienen gleichzeitige als Kühlapparat für den Motor. Zu diesem Zwecke sind die
Flächen aus Aluminium-Blechen hergestellt, auf die Bleche sind hohle Messingscheiben
genietet, die durch kurze Gummischläuche miteinander in Verbindung stehen. Die
einzelnen Reihen dieser Scheiben stehen oben und unten mit Rohren in Verbindung,
durch welche das Kühlwasser zu- und abgeführt wird.
Textabbildung Bd. 324, S. 151
Fig. 16. Biplan Bleriot, links von vorn gesehen.
Bei seinem Biplan ist Bleriot vom direkten Antrieb der
Schraube abgekommen und treibt die hinter den Tragflächen gelagerte Schraube wie Wright und mehrere andere Konstrukteure mittels Kette
an. Der Antoinette-Motor von 80 PS macht etwa 1300
Touren i.d. Minute, die Schraube, da 1 zu 2 übersetzt, 650. Die 2 Flügel sind aus
Holz gefertigt und in einer Stahlgußnabe verschraubt. Auch die Lagerung des Motors
an einer Seite und die Anordnung der zwei Sitze für Führer und Passagier rechts vom
Motor erinnern an Wright. Nur sind die Sitze bei Bleriot als Rohrsessel komfortabler als bei Wright ausgeführt. Der Motor ist im Gegensatz zu den
bisherigen Antoinette-Motoren mit einem Vergaser
ausgerüstet, der zwischen den Zylindern angebracht ist und jeden Zylinder durch ein
besonderes Rohr speist. Durch einen unter dem Handrad am Lenkhebel angebrachten
Hebel läßt sich der Motor durch Drosseln regeln. Ferner kann durch einen zweiten
Hebel unter dem Sitz des Führers die Zündung eingestellt werden. Auf diese Regelung
des Motors verzichtet bekanntlich Wright, er kann nur
mittels einer Schnur, die eine Stange mit Sperrklinken unter die Ventilstößel der
Auspuffventile schiebt, den Motor ganz abstellen.
Auffallend am Bleriot-Biplan ist, daß das Seitensteuer,
bestehend aus 2 parallelen Flächen, vor den Tragflächen angebracht ist. Bei anderen
Drachenfliegern, wie den ersten Biplanen von Santos-Dumont hat sich diese Anordnung nicht bewährt, denn sie hat den
Fehler weit mehr vom Seitenwind beeinflußt zu sein als die Anbringung des
Höhensteuers hinten.
Beachtenswert ist noch, daß Bleriot kein federndes
Anlaufgestell hat, die Anlaufräder sind aber mit sehr starken Pneumatics versehen.
Dadurch stehen die unteren Tragflächen nur wenig über dem Boden, ein Vorteil, der
sich beim Biplan Wright bemerkbar macht, indem beim
Landen die Luft zwischen Tragflächen und Erdboden etwas verdichtet wird und so das
Aufsetzen des Fliegers auf die Erde sehr sanft erfolgen läßt.
In den Vereinigten Staaten wird jetzt durch die
Erfolge der Gebrüder Wright angeregt von mehreren
Konstrukteuren an Drachenfliegern gearbeitet. Der beste dieser Drachenflieger
(abgesehen von dem der Gebrüder Wright) ist der von Curtis gemeinsam mit einigen Freunden konstruierte
Doppeldecker, genannt „Red Wing“ (Ila) (Fig. 17–19). Bemerkenswert
ist, daß die Tragflächen nicht nur in der Flugrichtung, sondern auch in der Breite
gekrümmt sind, so daß sie an den Enden näher stehen als in der Mitte. Die Anordnung
der Schwanzfläche und der Steuer ähnelt der an französischen Fliegern von Farman und Delagrange. Zur
Stabilität und Seitensteuerung sind jedoch noch an den Enden der Tragflächen
bewegliche kleine Flächen von Dreieckform, ähnlich den an den Fliegern von Bleriot
und Mengin angebracht. Die Betätigung der Steuer erfolgt wie bei Farman, Delagrange und Ferber durch ein Steuerrad wie an Automobilen üblich. Der Antrieb der,
hinter den Tragflächen wie bei Farman, untergebrachten
Schraube mit 2 Flügeln, erfolgt durch einen 8 Zylinder Curtis-Motor, der etwa 25 PS leistet. Der Motor arbeitet mit Luftkühlung.
Wie bei den französischen Apparaten ist ein Anlaufgestell vorhanden mit einem in
einer Gabel gelagerten lenkbaren Rad vorn und 2 Rädern mit fester Achse hinten. Die
Tragflächen verjüngen sich nach den Enden. Bei einer Breite von 12 m haben dieselben
ungefähr 32 qm Fläche. Als Ueberzug ist Seide verwandt worden. Das Gewicht des
betriebsfertigen Apparates beträgt nur etwa 180 kg. Schon bei den ersten Versuchen
gelangen mehrere Flüge und sind bereits in freiem Fluge über 1300 m zurückgelegt
worden. Der Flieger erwies sich als sehr stabil.
Textabbildung Bd. 324, S. 151
Biplan „Red Wing“; A Höhensteuer. B obere. C untere
Tragfläche. D Schwanzfläche. G Schraube. H Motor.
K Führersitz. L
Lenkrad. M, O linke, N,
R rechte Stabilißierungsfläche. P
Seitensteuer.
Auch Herrings, ein Schüler von Chanute im Gleitfluge, arbeitet an einem Drachenflieger, der für das
Signal-Korps der Armee der Vereinigten Staaten bestimmt ist. Es ist ebenfalls ein
Doppeldecker mit etwa 50 qm großen Tragflächen mit einem Motor von 50 PS ausgerüstet.
Dieser Flieger wird 2 Personen tragen können.
Textabbildung Bd. 324, S. 152
Fig. 20. Drachenflieger Jatho; B obere
Tragfläche, gleichzeitig Höhensteuer. C untere
Tragfläche. F Stabilitätfläche. G Schraube. K
Führersitz. L Lenkrad. M Motor. 1 Starthebel in Stellung zum
Anlauf. 2 in Stellung zum Auffliegen (punktierte
Stellung der vorderen Anlaufräder.)
Der erste deutsche Drachenflieger wurde von Jatho in
Hannover gebaut. Dieser Flugapparat (Fig. 20) ist
ein Doppeldecker, und zwar dient die obere Tragfläche gleichzeitig als Höhensteuer,
indem sie um eine Achse quer zur Flugrichtung schwingbar ist. Die Einstellung der
oberen Tragfläche geschieht wie bei den Drachenfliegern von Farman, Delagrange und anderen durch Verschieben des Lenkrades in
Richtungseiner Achse; durch die Drehung des Lenkrades
wird das Seitensteuer betätigt. Dieses ist doppelt
vorhanden und zwischen die Tragflächen eingebaut. Hinter den Seitensteuern sind
feststehende Kielflächen vorhanden. Auch die Welle der Schraube ist zwischen den
Flächen gelagert und wird mittels Riemen von dem unter der unteren Tragfläche
angeordneten Motor im Uebersetzungsverhältnis 1 : 4 angetrieben. Der Motor leistet
nur 12 PS. Diese geringe Kraftleistung dürfte wohl der Hauptgrund sein, daß Jatho noch keine richtigen Flüge gelungen sind.
Gegenwärtig ist Jatho damit beschäftigt, einen Motor
von etwa 30 PS einzubauen. Weitere Nachteile dieses Drachenfliegers sind der sehr
tief liegende Schwerpunkt, infolgedessen der Apparat im Fluge stark pendeln dürfte,
ferner die geringe Länge, wodurch die Stabilität in der Flugrichtung schwieriger zu
erhalten sein wird. Der Antrieb der Schraube mittels Riemen ist auch kein Vorteil;
denn wenn auch der Wirkungskreis langsam rotierender Schrauben etwas besser ist als
der von sehr schnell rotierenden, wird in der Riemenübertragung doch etwa 10% v.H.
der Motorleistung verloren gehen, dazu kommt, daß Riemen, den Einflüssen der
Witterung ausgesetzt, ein unsicheres Uebertragungsmittel abgeben. Aus diesem Grunde
haben sich Riemen zur Kraftübertragung bei Automobilen gar nicht bewährt und sind
durch Zahnradübersetzungen ersetzt, Auch für Drachenflieger dürften daher Zahnräder
vorzuziehen sein, sofern man nicht überhaupt die Schraube direkt antreibt. Dieses
hat den Vorteil einer erheblichen Gewichtsersparnis, weshalb die meisten
Konstrukteure von Flugapparaten die Schraube auf die Motorwelle setzen.
Die Schraube am Jatho-Flieger hat einen Durchmesser von
2,50 m und macht 500 Touren i.d. Minute. Die Schäfte sind aus Stahlrohr, die Flügel
aus Magnaliumblech hergestellt.
Bemerkenswert am Jatho-Drachenflieger ist die
Konstruktion des Anlaufgestelles. Dasselbe hat 2 Räder vorn, 2 hinten. Die
Vorderräder sind an einer schwingbaren Gabel angebracht, die durch einen langen
Hebel vom Sitz des Führers umgelegt werden kann. Zum Anlauf wird das Gestell der
Vorderräder so umgelegt, daß sich der Flugapparat vorn senkt, wodurch die
Tragflächen parallel mit dem Erdboden stehen, also einen geringen Luftwiderstand
haben. Dadurch kommt der Apparat schneller in die zum Auffliegen notwendige
Geschwindigkeit, d.h. die Anlaufstrecke ist kürzer. Ist die richtige Geschwindigkeit
erreicht, so stellt der Führer den Hebel am Vorderradgestell um, so daß sich
die Tragflächen vorn heben und in einen Winkel von etwa 5 Grad zur Wagerechten
einstellen. In der Zeichnung ist diese Stellung punktiert gezeichnet.
Jatho versuchte zuerst 3 übereinander angeordnete
Tragflächen, gab aber die unterste Fläche, weil wenig wirksam im Verhältnis zum
Gewicht, bald auf. Die Flächen sind sowohl in der Flugrichtung als quer zu derselben
gewölbt. Die untere Tragfläche ist wesentlich größer, 24 qm bei einer Breite von 8
und Länge von 3,6 m. Die 2 m darüber befindliche Höhensteuerfläche hat 12 qm. Jedes
Seitensteuer hat 2,3 qm. Das Gerüst für die Tragflächen und Steuer ist aus
Eschenholz hergestellt, der Ueberzug ist Continentalstoff.
Richtige Flüge sind mit dem Jatho-Drachenflieger noch
nicht gelungen.
Schüler in Chemnitz baute einen Biplan, der etwa
bezüglich seiner Konstruktion in der Mitte zwischen den Systemen Voisin und Wright steht.
Jedoch ist das Gestell nicht aus Holz gebaut, sondern aus Stahlrohren autogen
zusammengeschweißt (Fig. 21). Der mit Stoff
überzogene spindelförmige Körper hat zwei hintereinanderstehende Räder zum Anlauf,
ferner sind an den Enden der Tragflächen, ähnlich wie bei Esnault Pelterie kleinere Räder angebracht. Die Anordnung der Höhen- und
Seitensteuer ist ähnlich wie bei Wright angeordnet,
ebenso auch der Antrieb der zwei hinter den Tragflächen gelagerten Schrauben mittels
Ketten, von denen die rechte gekreuzt ist. Die Tragflächen sind etwas größer als bei
Wright, da der Drachenflieger 3 Personen tragen
soll. Die Sitze sind tandemartig hintereinander angeordnet. Vor dem vorderen Sitz
befinden sich 2 Handräder zur Betätigung von Höhen- und Seitensteuer. Bei einer
Breite von 12,5 Meter ergeben die Tragflächen ca. 58 Quadratmeter. Schwierigkeiten
macht noch der Motor, daher konnte Schüler mit seinem
Drachenflieger noch keine Erfolge erzielen.
Der Drachenflieger von Ellehammer in Lindholm-Dänemark
unterscheidet sich namentlich dadurch von allen anderen Doppeldeckern, daß die
Stabilität in der Flugrichtung selbsttätig erhalten wird. Zu diesem Zwecke ist der
Sitz des Führers pendelnd aufgehängt und mittels einer Schubstange mit dem hinter
den Tragflächen angebrachten Höhensteuer verbunden. Der Motor, der eine Schraube mit
4 Flügeln direkt antreibt, hat 5 im Kreise angeordnete Zylinder mit Luftkühlung. Bei
900 Touren leistet der von Ellehammer selbst
konstruierte Motor 30 PS bei einem Gewicht von nur 34 kg. Der ganze Drachenflieger
hat infolge des leichten Motorgewichts, das auf die Pferdestärke nur etwa 1,15 kg
ergibt, ein Gewicht von etwa 130 kg. Die Tragflächen haben eine Fläche von 37 qm.
Das Anlaufgestell hat 3 Räder und ist ähnlich dem der französischen Drachenflieger
konstruiert.
Textabbildung Bd. 324, S. 152
Fig. 21. Biplan von Schüler.
Ellehammer benutzte ursprünglich wie Jatho 3 übereinander angeordnete Tragflächen, hat aber
später die unterste 3te Fläche, weil wenig wirksam im Verhältnis zur Gewichtsvermehrung,
fortgelassen. Bereits am 12. September 1906 gelang Ellehammer mit seinem ersten Triplan ein Flug von 40 Metern, demnach wäre
er einer der ersten, dem in Europa ein freier Flug mit einem durch Motor getriebenen
Flugapparat, schwerer als Luft, gelungen ist. Einen Tag später machte Santos Dumont in Bagatelle bei Paris seinen bekannten
Rekordflug, wobei er vor vielen Zuschauern etwa 200 m zurücklegte. Ellehammer dagegen machte ebenso mit Ader seine Flugversuche im geheimen, daher war nichts
darüber in die Zeitungen gelangt.
Textabbildung Bd. 324, S. 153
Fig. 22. Triplan Goupy.
Während die meisten neuen Drachenflieger mit doppelten oder einfachen Tragflächen
gebaut werden, ist in den Werkstätten der Gebrüder Voisin-Paris nach der Konstruktion von Goupy
ein Dreidecker ausgeführt worden. Dieser Drachenflieger (Fig. 22) hat also drei übereinander gebaute Tragflächen, ähnlich wie sie
zuerst Ellehammer in Lindholm bei Kopenhagen und Jatho in Hannover versuchte. Beide gaben bekanntlich
bald die dritte oberste Tragfläche auf, da dieselbe im Verhältnis zum Gewicht zu
wenig wirksam war. Auch ein Doppeldecker hat im Verhältnis zum Flächeninhalt niemals
dasselbe Tragvermögen als ein Monoplan mit gleich großer Tragfläche, da die obere
Fläche gewissermaßen im Schatten der unteren liegt. Erfahrungsgemäß kann man die
beiden übereinanderliegenden Flächen eines Biplanes nur mit ⅔ des Gewichts belasten,
das ein Monoplan tragen kann. Beim Triplan dürfte das Verhältnis noch ungünstiger
sein.
Der Körper des Drachenfliegers von Goupy erinnert in
seiner Raupenform an den neuen Farman, wie dieser ist
er sehr lang. Die Schraube ist beim Flieger von Goupy
vorn untergebracht. Die Steuerung erfolgt wie beim Farman mittels eines Handrades, durch Drehen die Seitensteuerung,
durch Anziehen und Abstoßen des Steuerrades die Höhensteuerung.
Das Höhensteuer ist zwischen den Schwanzflächen eingebaut. Diese Schwanzflächen
sowohl als die drei Tragflächen sind zu beiden Seiten durch vertikale Flächen
verbunden, ähnlich wie bei den Biplanen von Voisin (Farman, Delagrange), um die Seitenstabilität zu
erhalten. Hierzu dienen auch noch kleine verstellbare Flächen zu beiden Seiten des
Schwanzes.
Textabbildung Bd. 324, S. 153
Fig. 23. Drachenflieger Phillips; A Schwanzfläche
mit Höhensteuer A1.
B1
Tragflächen-Gitter. G Schraube. H Motor. K Führersitz.
Q Reservoir.
In England wurde vor 6 Jahren von Maxim ein Drachenflieger gebaut, der, weil sehr schwer, keine guten
Resultate gab. Jetzt ist nach einem Konstruktionsprinzip von Wenham durch den Ingenieur Phillips ein
Drachenflieger gebaut worden, der sich von allen bisher bekannt gewordenen
Konstruktionen wesentlich unterscheidet. Man könnte diesen Drachenflieger (Fig. 23) mit seinen vielen übereinander angeordneten
schmalen Tragflächen im Gegensatz zu den Doppeldeckern und Monoplanen als Jalousieflieger bezeichnen. Es sind 20 schmale Flächen
aus dünnen Holzleisten vorhanden. Die Breite in der Flugrichtung beträgt etwa 8 m,
die Länge der Tragflächen, Breite der einzelnen Leisten beträgt nur etwa 12 cm. Die
Flächen sind auf einem Fahrgestell mit 3 Rädern untergebracht, das vorn 2, hinten 1
Rad hat. Auf dem Gestell ist vor den Tragflächen der Motor angeordnet, der etwa 25
PS leistet und die Schraube mit 1200 Touren direkt antreibt. Hinter den Flächen
sitzt der Führer des Apparates und bedient mittels Hebel Höhen- und Seitensteuer,
die hinten an einer etwa 5 m langen Stange angebracht sind. Das Gewicht des
Drachenfliegers beträgt etwa 200 kg. Bisher sind nur kurze Flüge gelungen, weil der
Apparat in Richtung der Flugbahn nicht stabil ist. Gegenwärtig wird daher dieser
Drachenflieger umgebaut, indem mehrere Systeme von Tragflächen hintereinander
angeordnet werden. Der Nachteil eines solchen Drachenfliegers ist, daß beim Versagen
des Motors der Apparat sehr schnell zur Erde fällt, weil die schmalen Flächen nicht
so gut als Fallschirm wirken können als die ausgedehnten Tragflächen der
Doppeldecker und Eindecker. Durch die vielen die Luft schneidenden Kanten muß der
Widerstand auch weit größer sein, als bei einem normalen Drachenflieger. Diese
Konstruktion erscheint daher wenig aussichtsreich.
(Fortsetzung folgt.)