Titel: | Die Lentz-Ventilsteuerung an Lokomotiven. |
Autor: | Max Osthoff |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 180 |
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Die Lentz-Ventilsteuerung an
Lokomotiven.
Von Dr.-Ing. Max Osthoff, Reg.-Baumeister
in Duisburg.
(Fortsetzung von S. 168 d. Bd.)
Die Lentz-Ventilsteuerung an Lokomotiven.
7. In der Ventilsteuerung mit rechtwinkligem Kurvenschub
auftretende Kräfte.
a) Zeichnerisches Verfahren zur
Ermittelung der Kräfte an einem Einlaßventil.
Die in der vorliegenden Ventilsteuerung, welche den Fall des rechtwinkligen
Kurvenschubs darstellt, weil Ventilspindel- und Nokkenstangenachse (Fig. 2) lotrecht zueinander stehen, auftretenden
Kräfte sind zum Teil statischer, zum Teil dynamischer Natur. Die dynamischen
Kräfte werden durch die Massen der Ventile hervorgerufen. Wir wollen dieselben
zuerst zu bestimmen suchen, und zwar an einem Einlaßventil, weil bei einem
solchen diese Kräfte von größerer Bedeutung- sind als bei einem
Auslaßventil.
Für derartige dynamische Untersuchungen (man vergleiche den Aufsatz von Prof. Freytag in Z.d.V.D. Ing. 1902, S. 1924 und
Zuschrift in No. 11, 1903) stand bisher das rein zeichnerische Verfahren zur
Verfügung. Da dieses für den Betriebszustand von 25% Füllung- bei Vmax = 50 km/St.,
entsprechend u = 3,28 Umdrehungen/Sek., angewandt wurde, werde es hier kurz erläutert,
zumal es bezüglich seiner Genauigkeit später auch geprüft werden soll. Es
besteht bekanntlich darin, daß man die Ventilwege als Ordinaten auf die Zeit
bezieht und durch Differentiation, d. h durch Anlegen von Tangenten die
Geschwindigkeiten und aus diesen wieder die Beschleunigungen ermittelt.
Textabbildung Bd. 324, S. 180
Zeichnerisches Verfahren zur Ermittelung der
Ventilbewegungsverhältnisse.
In den Fig. 11a,
b und c entsprechenden
Originalzeichnungen, wo neben der Nockenstange mit Rolle auch das resultierende
Exzenter für 25% Füllung im Maßstab 2 : 1 dargestellt ist, wurde als Zeitmaßstab
1 Sek. = 3,5 m angenommen. Dann entspricht einer
Umdrehung, die
eine Zeit von \frac{1}{u}-\frac{1}{3,_{28}}=0,_{305} Sek.
erfordert, eine Länge von 0,306 . 3,6 = 1,098 m.
Diese Länge stellt sich in Fig. 11c als
Umfang des sogenannten Zeitkreises dar. Der Durchmesser desselben beträgt
demnach \frac{1,_{0,98}}{3,_{14}}=0,_{35} m. Der für Heben
des Ventils in Betracht kommende Teil des Zeitkreisumfanges wird in z.B. 6
gleiche Teile von 1'–7' geteilt und abgewickelt (Fig. 11b). Durch
Herunterloten auf die Ventilerhebungskurve usw. erhalten wir die Ventilwege
bezogen auf die Zeit.
Textabbildung Bd. 324, S. 181
Fig. 12.
Textabbildung Bd. 324, S. 181
Fig. 13. Steuerungsschema.
An die Ventilwege (Fig.
11b) legen wir Tangenten und zu diesen Parallelen durch den
Anfangspunkt Pb
dessen Abstand m zu 1/50 Sek. = 0,072 m gewählt werde. Die alsdann erhaltenen
Punkte stellen die Geschwindigkeiten v dar.
v=\frac{ds}{dt}\cdot m=m\cdot \mbox{tang}\,\alpha. Es ist
der Ventilweg s im Maßstab 2 : 1, also zweimal zu
groß, gezeichnet; m ist 1/50 Sek.
Daher v=1/50\cdot \frac{2\,ds}{dt}=1/25\cdot \frac{ds}{dt}
oder 1 cm Ordinate = 0,25 m/Sek.
Die Beschleunigungen f werden durch Tangenten an die
Geschwindigkeitskurve ermittelt, wobei die Polweite n zu 1/150 Sek. = 0,024 m gewählt werde. Der
Maßstab für f ist n\cdot
\frac{dv}{dt}=1/150\cdot \frac{1/25\,dv}{dt}=1\,:\,3750 oder 1 cm
Ordinate = 37,5 m/Sek.2
Die Masse der auf und nieder gehenden Teile: Ventil, Rolle und Feder (das
reduzierte Federgewicht wurde nach ähnlichen Ausführungen geschätzt) beträgt
\frac{G}{g}=\frac{5,_{24}}{9,_{81}} Einheiten. Die
Beschleunigungskraft ist also 0,534 . f. Betrachten wir das Beschleunigungsdiagramm
gleich als Kräftediagramm, so stellt in der Originalzeichnung 1 mm Ordinate
\frac{0,_{534}\cdot 3750}{1000}=2 kg Beschleunigungskraft
dar.
Ueber den Verlauf dieser so gefundenen Kurven ist folgendes zu bemerken. Die
Ventilwege lassen sich genau aufzeichnen. Anders wird es schon mit den
Geschwindigkeitskurven, weil sich die Tangenten nur ungenau an die Wegeskurve
legen lassen. Noch viel ungünstiger wird die Sache bei den
Beschleunigungskurven. Der Fehler, der bei Ermittelung der Geschwindigkeitskurve
gemacht ist, vervielfältigt sich bei der Konstruktion der Beschleunigungskurve.
Im vorliegenden Falle (Fig. 11b) sind die Endordinaten der Geschwindigkeits- und
Beschleunigungskurven nachträglich auf weiter unten angegebene Weise ermittelt,
so daß ein einigermaßen richtiger Verlauf der Kurven entstanden ist.
Zu welchen Fehlern das rein zeichnerische Verfahren. Anlaß gibt, zeigt Fig. 12. Dortselbst sind Wegesund
Geschwindigkeitskurve punktiert. Die ausgezogene Kurve ist die nach obigem
Verfahren erhaltene Beschleunigungskurve einer Originalzeichnung, während die
strichpunktierte Kurve die wirklichen Beschleunigungen darstellt.
b) Kinematisches Verfahren zur
Ermittelung der Kräfte an einem Einlaßventil.
Um die Fehler des rein zeichnerischen Verfahrens zu vermeiden und zugleich eine
möglichst einwandfreie Berechnung der Ventilfedern zu ermöglichen, wurde
folgendes kinematische Verfahren ausgearbeitet, welches die Beschleunigungen
ohne weiteres aus den geometrischen Abmessungen der Hubkurven usw. bestimmen
läßt.
Textabbildung Bd. 324, S. 181
Fig. 14.
Das Verfahren ergibt sich aus folgender Betrachtung: Bewegen wir in Fig. 13, wo die Steuerung schematisch dargestellt
ist, die Nockenstange in wagerechter Richtung nach links, (positive Richtung),
und lassen wir die Ventilrolle mit Ventil in lotrechter (positiver) Richtung
sich durch die Kurve I (Kreisbogen um A) heben, so
wird der Mittelpunkt A der Kurve I auf einer
Wagerechten und der Rollenmittelpunkt B auf einer
Lotrechten gerade geführt. Dabei bleibt der Abstand des Kurvenmittelpunkts A vom Rollenmittelpunkt B stets gleich b1. (Im folgenden sind die Größen, welche sich
auf Kurve I beziehen, mit dem Zeiger1 und die
sich auf Kurve II beziehenden mit dem Zeiger2
versehen.) Auf eine etwas andere Art kommen wir zu demselben Resultat. Wir
ersetzen die Kurve I durch das ihr zugehörige Stück der Ventilerhebungskurve und
die Ventilrolle durch eine Schneide (Fig. 14
rechts). Diese Schneide ist auf dem mittelsten Stabe eines Gitters in lotrechter
Richtung beweglich. Dieses Gitter bewegen wir mit Hilfe des resultierenden Exzenters in
wagerechter Richtung, wobei die Schneide durch die feststehende
Ventilerhebungskurve I gehoben wird. Wir können auch umgekehrt die
Ventilerhebungskurve in wagerechter Richtung bewegen, wodurch die Schneide des
feststehenden Gitters gehoben bzw. gesenkt wird.
Textabbildung Bd. 324, S. 182
Fig. 15.
Wir haben also den Bewegungsfall: Eine Gerade b1 (Fig. 14
links) gleitet mit ihren Endpunkten A und B auf den Schenkeln eines festen rechten Winkels.
Der augenblickliche Pol ist dann der Schnittpunkt der Lote in den Endpunkten A und B von b1. Die Gangpolbahn
ist in diesem Fall bekanntlich ein Kreis mit b1 als Durchmesser und die Rastpolbahn ein Kreis
mit b1 als
Halbmesser. In der Fig. 14, deren Original im
Maßstab 10 : 1 gezeichnet ist, ist der Zustand dargestellt, in welchem sich die
Gerade b1 bzw. die
Rolle im Wendepunkt B bzw. W (Fig. 13) d.h. in dem Punkt
befindet, wo sich Kurve II an Kurve I ansetzt.
Wir ermitteln nun zunächst in Fig. 13 die
Bewegungsverhältnisse der Nockenstange veranlaßt durch das resultierende
Exzenter, hier z.B. für 40% Füllung.
Auf Seite 146 haben wir gesehen, daß das resultierende Exzenter rr (rr in Fig. 4b = R in Fig. 13) in
bezug auf den Schieberweg die beiden Exzenter rk und rc ersetzt. Hieraus folgt, da die
Winkelgeschwindigkeit für alle 3 Exzenter die gleiche ist, daß auch die
Hubgeschwindigkeit und Hubbeschleunigung des resultierenden Exzenters gleich der
Schiebergeschwindigkeit bzw. Beschleunigung sind.
Wir nehmen, was praktisch zulässig ist (vgl. das auf Seite 147 ff. Gesagte), an,
daß L = ∞ sei (Fig.
13). Der Weg der Nockenstange (Fig.
13) ist
s' = R – R . cos α1.
Textabbildung Bd. 324, S. 182
Kinematisches Verfahren zur Ermittelung der
Ventilbewegungsverhältnisse.
Die Geschwindigkeit ist
c=\cdot \frac{ds'}{dt}=+R\cdot
\mbox{sin}\,\alpha^1\,\frac{d\,\alpha_1}{dt}.
\frac{d\,\alpha_1}{dt} ist die
konstante Winkelgeschwindigkeit w = 2 . π . u. Die Umfangsgeschwindigkeit U des Exzenters ist R
. 2 . π . u. Also
\frac{U}{R}=2\cdot\pi\cdot u=\frac{d\,\alpha_1}{dt}=w.
Daher c = U . sin α1. Das Geschwindigkeitsdiagramm (hier bei
V = 40 km/St.) ist ähnlich wie in Fig. 4a der
Halbkreis über 2R als Durchmesser mit cmax = U = w . R in Fig. 13.
Die Beschleunigung
p ist
=\frac{dc}{dt}=U\cdot \mbox{cos}\,\alpha_1\cdot
\frac{d\,\alpha_1}{dt}=\frac{U^2}{R}\cdot
\mbox{cos}\,\alpha_1.
Das Diagramm ist in Fig.
13 die Gerade durch O mit den
Endordinaten p_{max}=\frac{U^2}{R}=P. Unterhalb Th
– Tv ist die
Beschleunigung negativ (Verzögerung), oberhalb ist sie positiv.
Wir kuppeln jetzt (Fig. 14) das resultierende
Exzenter mit dem Punkt A der Geraden b1. Alsdann ergibt
sich der Weg des Punktest A zu s1' = b1 . sin ϕ1, die Geschwindigkeit:
c_1=\frac{ds'_1}{dt}=b_1\cdot \mbox{cos}\,\varphi_1\cdot
\frac{d\,\varphi_1}{dt}
und die Beschleunigung:
p_1=\frac{dc_1}{dt}=b_1\cdot \left[\mbox{cos}\,\varphi_1\cdot
\frac{d^2\,\varphi_1}{dt^2}-\mbox{sin}\,\varphi_1\cdot
\left(\frac{d\,\varphi_1}{dt}\right)^2\right]
Es ist nun klar, daß für die Bewegung des Exzenters vom Voreinströmungspunkt V.E. bis zum Wendepunkt W (Fig. 13) die Bewegungsverhältnisse
der Nockenstange, veranlaßt durch den Exzenterantrieb, gleich denen des Punktest
A sein müssen, weil derselbe als Mittelpunkt
der Hubkurve I (Fig. 13) gewissermaßen fest mit
der Nockenstange verbunden ist. Also ist:
s1' = b1 .
sin ϕ1
= R – R . cos α1 =
s1,
c_1=b_1\cdot \mbox{cos}\,\ und
p_1=b_1\,\left[\mbox{cos}\,\varphi_1\cdot
\frac{d^2\,\varphi_1}{dt^2}-\mbox{sin}\,\varphi_1\cdot
\left(\frac{d\varphi_1}{dt}\right)^2\right]-\frac{U^2}{R}\cdot
\mbox{cos}\,\alpha_1=p.
Wir berechnen hieraus \frac{d\,\varphi_1}{dt}=\frac{U\cdot
\mbox{sin}\,\alpha_1}{\mbox{cos}\,\varphi_1}
Der Weg zur Ventilspindel ist (Fig. 14):
s1
= b1
– b1 . cos ϕ1.
Die Geschwindigkeit ist:
\begin{array}{rcl}v_1&=&\frac{d\,s_1}{dt}=+b_1\cdot
\mbox{sin}\,\varphi_1\cdot \frac{d\,\varphi_1}{dt}=b_1\cdot
\mbox{sin}\,\varphi_1\cdot \frac{U\cdot \mbox{sin}\,\alpha_1}{b_1\cdot
\mbox{cos}\,\varphi_1}\\ &=&U\cdot \mbox{sin}\,\alpha_1\cdot
\mbox{tang}\,\varphi_1.\end{array}
Die Beschleunigung ist:
\begin{array}{rcl}f_1&=&\frac{dv_1}{dt}=U\cdot
\left(\mbox{cos}\,\alpha_1\cdot \frac{d\,\alpha_1}{dt}\cdot
\mbox{tang}\,\alpha_1+\frac{\mbox{sin}\,\alpha_1}{\mbox{cos}^2\,\varphi_1\cdot
\frac{d\,\varphi_1}{dt}}\right)\\ &=&\frac{U^2}{R}\cdot
\mbox{cos}\,\vatphi_1\cdot \mbox{tang}\,\varphi_1+\frac{U^2\cdot
\mbox{sin}^2\,\alpha_1}{b_1\cdot
\mbox{cos}^3\,\varphi_1}\end{array}
Für Kurve II betrachten wir als Ausgangsstellung (Fig.
13) die Lage des Ventils in DQ. In dieser
Stellung ist nämlich der Winkel ϕ2 gleich Null,
wie ebenfalls ϕ1 bei Kurve I in der
Ausgangsstellung gleich Null war. Bewegen wir jetzt die Nockenstange nach
rechts, so senkt sich das Ventil. Es ergeben sich ganz ähnliche Verhältnisse wie
bei Kurve I. Die Gangpolbahn ist hier der Kreis mit b2 als Durchmesser und die Rastpolbahn
der Kreis b2 als
Halbmesser. In Fig. 15, deren Original im
Maßstab 5 : 1 gezeichnet ist, ist b2 wieder im Wendepunkt B befindlich dargestellt.
Der Weg der Ventilstange ist s' = – b2 . sin ϕ2 = – (R – R . cos α2).
(Entgegengesetzte Richtung wie bei Kurve I). Wir müssen jetzt aber auch als
Winkel α den Winkel Tv
– VE – W – Th
– W' (Fig. 13)
zählen. Alsdann ist s'2 = – b2
. sin ϕ2 = – (R + R
. cos α), da
cos α = – cos α2
ist. Die Geschwindigkeit wird
c_2-\frac{ds'_2}{dt}=-b_2\cdot \mbox{cos}\,\varphi_2\cdot
\frac{d\,\varphi_2}{dt}=+R\cdot
\mbox{sin}\,\alpha\,\frac{d\,\alpha}{dt}.
Hieraus ergibt sich
\frac{d\,\varphi_2}{dt}=-\frac{U\cdot \mbox{sin}\,\alpha}{b_2\cdot
\mbox{cos}\,\varphi_2}
Für die Ventilspindel gilt s2
= – (b2
– b2 . cos ϕ2),
v_2=\frac{ds_e}{dt}=-b_2\cdot \mbox{sin}\,\varphi_2\cdot
\frac{d\,\varphi_2}{dt}=U\cdot \mbox{sin}\,\alpha\cdot
\mbox{tang}\,\varphi_2
Da sin α negativ ist, so ist auch v2 negativ.
Für f2 ergibt
sich
f_2=\frac{dv_2}{dt}=\frac{U^2}{R}\cdot \mbox{cos}\,\alpha\cdot
\mbox{tang}\,\varphi_2-\frac{U^2\cdot \mbox{sin}^2\,\alpha}{b_2\cdot
\mbox{cos}^3\,\varphi_2}.
Da cos α (α zwischen 180° und 270°) negativ ist, so stellt f2 Beschleunigung
dar, welche da wir die Richtung für Heben des Ventils, wo die Beschleunigung
nach oben und die Verzögerung nach unten hin abgetragen wird, als positive
bezeichnet haben, für Senken des Ventils (negative Richtung) als Beschleunigung
nach unten hin abzutragen ist. Dies ist z.B. in Fig. 11a
geschehen. Man muß sich hier den oberen Teil der Figur so um die Mittellinie
gedreht auf den unteren Teil heruntergeklappt denken, daß Punkt Ex, mit V.E.
zusammenfällt.
Führen wir den Winkel α2 für α ein, so ist
f_2=-\frac{U^2}{R}\cdot \mbox{cos}\,\alpha_2\cdot
\mbox{tang}\,\varphi_2-\frac{U^2\cdot \mbox{sin}^2\,\alpha_2}{b_2\cdot
\mbox{cos}^3\,\varphi_2}.
Für lieben des Ventils, wo α = 180° – α' ist, finden
wir
f_2=-\frac{U^2}{R}\cdot \mbox{cos}\,\alpha'\cdot
\mbox{tang}\,\varphi_2-\frac{U^2\cdot \mbox{sin}^2\,\alpha'}{b_2\cdot
\mbox{cos}^3\,\varphi_2}.
f2 ist hier als Beschleunigung nach unten hin, also als Verzögerung,
aufzutragen (Fig.
16b u. 16a).
Die Größen v1, v2, f1 und f2 lassen sich
leicht zeichnerisch darstellen. Es werde dies hier an Kurve I, Fig. 14, durchgeführt für v1 und f1 und zwar für den Betriebszustand
von 40% Füllung bei V = 40 km/St. Die
Geschwindigkeit c finden wir unter Berücksichtigung
des Maßstabes (vgl. Seite 147 u. 148) als Halbkreisordinate in dem
Geschwindigkeitsdiagramm (Fig. 13 u. 16c). Es
ist v1
= c . tang ϕ1, oder
\frac{v_1}{c}=\mbox{tang}\,\varphi_1=\frac{AM_1}{BM_1}.
Tragen wir c in Fig.
14 von A aus in Richtung M1A ab, und verbinden wir den Endpunkt von c mit dem augenblicklichen Drehpol, so
schneidet diese Gerade auf dem im Abstand A1M = P1B errichteten Lot
das gesuchte v1 ab.
\frac{v_1}{c}=\frac{AM_1}{BM_1}=\mbox{tang}\,\varphi_1.
Ebenso finden wir in Fig. 15 die Geschwindigkeit
v2.
Die Geschwindigkeiten v1 und v2
und ebenfalls die Ventilwege s1 und s2 sind in Fig. 16b als
Funktionen der Zeit für Heben des Ventils aufgetragen; für Senken sind sie
völlig gleich, nur weil negativ nach unten hin abzutragen.
Wir sehen, die Geschwindigkeit v1 wächst für Heben anfangs langsam, weil die
Kurve nach unten konvex ist, dann aber wächst sie sehr schnell bis zum
Wendepunkt (für ϕ1 = 90° und ebenso für ϕ = 90°
wäre v1 = ∞ = v2) und fällt dann
langsam bis auf Null.
Maßgebend für die Betriebssicherheit des Ventils ist seine Geschwindigkeit v1 am letzten Ende
des Senkens, denn die Heftigkeit des Stoßes, mit welchem gegebenenfalls das
Ventil bei nicht genauer Ausführung der Steuerung auf seinen Sitz gelangt, hängt
ab von der Ventilgeschwindigkeit. Die Kurve I ist deshalb günstig, weil in einem
solchem Falle wegen der geringen Geschwindigkeit (Kurve nach unten konvex) das
Ventil niemals mit heftigem Stoß auf seinen Sitz gelangen würde. Ist die
Steuerung völlig genau einreguliert, was sich mittels der Schaulöcher (Fig. 2) leicht erreichen läßt, so erfolgt das
Aufsetzen des Ventils stoßlos.
Die Beschleunigungskurve f1 (Fig.
16b) setzt sich aus 2 Kurven zusammen:
f_1=f_1'+f_1''=\frac{U^2}{R}\cdot \mbox{cos}\,\alpha_1\cdot
\mbox{tang}\,\varphi_1+\frac{U^2\cdot \mbox{sin}^2\,\alpha_1}{b_1\cdot
\mbox{cos}^3\,\varphi_1}
Die Ordinaten der Kurve f_1'=\frac{U^2}{R}\cdot
\mbox{cos}\,\alpha_1\cdot \mbox{tang}\,\varphi_1, welche die
Beschleunigungen, veranlaßt durch den Kurbeltrieb, darstellen, werden unter
Benutzung des Beschleunigungsdiagrames der Nockenstange (Fig. 13) oder die Beziehung:
\frac{U^2}{R}\cdot \mbox{cos}\,\alpha_1=R\cdot
\mbox{cos}\,\alpha_1\cdot w^2 (Fig. 16c) wie die
Geschwindigkeitsordinaten (Fig. 14 und 15) gefunden. Für Heben des Ventils (α zwischen
90° und 180°) sind sie negativ: Verzögerung, und für Senken des Ventils (α
zwischen 180° und 270°) sind sie negativ, aber als Beschleunigung nach unten hin
abzutragen.
Die Beschleunigung, veranlaßt durch die Hubkurve I, ist
f_1''=\frac{U^2\cdot \mbox{sin}^2\,\alpha_1}{b_1\cdot
\mbox{cos}^3\,\varphi_1}=\frac{c^2}{b_1\cdot
\mbox{cos}^3\,\varphi_1}. Es ist in Fig.
14
M1B = b1 . cos ϕ1, HB = b1 . cos2 ϕ1 und BJ = b1 . cos3 ϕ1. Also ist
f_1''=\frac{c^2}{BJ} oder
\frac{f_1''}{c}=\frac{c}{BJ} d.h. c ist die mittlere Proportionale zwischen f1'' und
BJ. Ebenso wird in Fig. 15, wo KB = b2 . cos3 ϕ2 ist,
f_2''=\frac{c_2}{b_2\,\mbox{cos}^3\,\varphi_2}=KL
gefunden. Ist z.B. in Fig. 15 der Maßstab der
Figur (b2 in m) 5 :
1 und der Geschwindigkeit (c in m/sek) 1 : 20, so
ergibt sich der Maßstab der Beschleunigung in m/sek2 zu \frac{(1/20\,c)^2}{5\cdot b_2\cdot
\mbox{cos}^3\,\varphi_2}=1\,:\,2000.
Man sieht in Fig.
16b, daß die resultierende Beschleunigungskurve f1 für Heben des
Ventils wächst von einem Anfangswerte, der sich für ϕ1 = 00 zu
f_1=\frac{U^2\cdot \mbox{sin}^2\,\alpha}{b_1}=\frac{c^2}{b_1}
ergibt, erst langsam, dann aber sehr schnell bis zum
Höchstwert im Wendepunkt für ϕ1 = 90° ist f1 = ∞. Im
Wendepunkt tritt ein plötzlicher Uebergang zum Höchstwert der Verzögerung ein.
Von hier aus fällt die Verzögerung, welche für ϕ2 = 90° ebenfalls = ∞ würde, bis zum Kleinstwert
für ϕ2 = 0° von
f_2=-\frac{U^2\cdot
\mbox{sin}^2\,\alpha_2}{b_2}=-\frac{c^2}{b_2}
Da in unserem Falle (40% Füllung) ϕ2 nicht gleich
0° Wird, weil das Ventil seinen größten Hub nicht erreicht, so ist mit α = 180°
oder α2 = 0° der Endwert von
f_2=-\frac{U^2}{R}\cdot \mbox{tang}\,\varphi_{2\mbox{
min}}. Für Senken des Ventils sind die Vorgänge bis auf die
umgekehrten Vorzeichen genau dieselben.
Führt man in die Formeln für f1 und f2 die Bezeichnung U = w
. R ein (w = Winkelgeschwindigkeit und R = halber Schieber- oder Nockenstangenweg), so
wird für Heben
f_1=(R\cdot \mbox{cos}\,\alpha_1)\ w^2\cdot
\mbox{tang}\,\varphi_1+\frac{(R\cdot \mbox{sin}\,\alpha_1)^2\cdot
w^2}{b_1\cdot \mbox{cos}^3\,\varphi_1} und
f_2=-(R\cdot \mbox{cos}\,\alpha_2)\ w^2\cdot
\mbox{tang}\,\varphi_2-\frac{(R\cdot \mbox{sin}\,\alpha_2)^2\cdot
w^2}{b_2\cdot \mbox{cos}^3\,\varphi_2}
Man kann alsdann die Steuerung für verschiedene Füllungen
(R' . cos α'1,
R' sin α'1) und
verschiedene Geschwindigkeiten (w') untersuchen,
indem man die Ordinaten f1' mit dem Verhältnis \frac{R'\cdot
\mbox{cos}\,\alpha'_1}{R\cdot \mbox{cos}\,\alpha_1} und f1'' mit
\left(\frac{R'\cdot \mbox{sin}\,\alpha'_1}{R\cdot
\mbox{sin}\,\alpha_1}\right)^2
bezw. die Ordinaten f1 mit dem Verhältnis
\left(\frac{w'}{w}\right)^2 multipliziert. Dasselbe gilt
für die Kurve f2.
Die Beschleunigungsordinaten ergeben mit der Ventilmasse multipliziert die
Beschleunigungskräfte. Diese sind auf den Ventilhub bezogen in Fig. 16a
aufgetragen. Für Heben des Ventils wirken die Beschleunigungskräfte auf Oeffnen,
die Verzögerungskräfte auf Schluß des Ventils, für Senken umgekehrt. Ebenfalls
sind dort, vorläufig mit Ausnahme der Federkräfte, die sonstigen auf das Ventil
wirkenden Kräfte, die sich aus Fig. 2 ergeben,
aufgetragen. In Fig.
16a und später auch bei dem Auslaßventil in Fig. 17 sind die Kräfte über den Ventilhub hinaus des leichteren
Verständnisses wegen angedeutet, obwohl dies eigentlich keinen Sinn hat, nachdem
die Ventilwege, auf die sie ja bezogen sind, Null geworden sind. Ihr
bogenförmiger Verlauf rührt von der Veränderlichkeit des Dampfdruckes auf die
Ringfläche her. Nicht berücksichtigt sind die Reibungswiderstände und der
Strömungsdruck des Dampfes auf das Ventil, weil sich derselbe der Berechnung
entzieht und sich auch nicht annähernd schätzen läßt.
(Fortsetzung folgt.)