Titel: | Der Reguliervorgang beim direkt gesteuerten hydrostatischen Turbinenregulator unter Berücksichtigung der Wirkung der Anschläge am Steuerventil. |
Autor: | Hans Hiemenz |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 275 |
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Der Reguliervorgang beim direkt gesteuerten
hydrostatischen Turbinenregulator unter Berücksichtigung der Wirkung der Anschläge am
Steuerventil.
Von Dipl.-Ing. Hans Hiemenz, Assistent an
der Großh. Techn. Hochschule zu
Darmstadt.
(Fortsetzung von S. 260 d. Bd.)
Der Reguliervorgang beim direkt gesteuerten hydrostatischen
Turbinenregulator usw.
Der Uebergang zum neuen
Beharrungszustand ohne Beachtung des Anschlags am Steuerventil.
An Hand der schematischen Fig. 1 wollen wir uns die
Differentialgleichung der Kolbenbewegung ableiten, wie sie für unsere weiteren
Untersuchungen dann immer wieder zur Verwendung kommt.
Nehmen wir an, der Beharrungszustand sei gerade gestört worden und es befinde sich
das ganze Getriebe eben im Uebergang zur Herstellung des neuen
Beharrungszustandes.
Von den Anschlägen soll noch keiner erreicht sein. Es mag beispielsweise im
vorhergegangenen Beharrungszustand ein Moment MA = a . M1 abgegeben worden sein und jetzt eine plötzliche
Belastungsänderung auf MB =
b . M1 vorgekommen sein. Der Kolben befinde
sich in dem betrachteten Augenblick um h Meter von
seiner Nullage entfernt, die Muffe sei aus ihrer obersten Stellung um m Meter verschoben, das Ventil sei aus der Ruhelage um
l Meter abgelenkt; es sei also am Steuerquerschnitt
(keine Ueberdeckung) eine Eröffnung von l Metern
vorhanden. Während eines kleinen Zeitteilchens dt wird
die Muffe den Weg dm zurücklegen und dadurch das Ventil
um ein Stückchen dl1
verschieben, derart, daß:
. . . . . .
. . . . (2a)
Gleichzeitig muß sich auch der Kolben zur Wiederherbeiführung
des Abschlusses weiter bewegt haben, und zwar um ein Wegstückchen dk. Hierdurch wird das Steuerventil verschoben um:
. . . . . . . . .
. (3a)
Der Gesamtzuwachs, den die momentan vorhandene
Steuerquerschnittseröffnung l während der Zeit dt erfährt, ergibt sich als:
dl = ∓ dl1 ± dl2,
wobei die oberen Vorzeichen für den Fall der Entlastung, die
unteren für den Fall der Belastung gelten. Bei Entlastung wird ja durch das
Tachometer eine Verschiebung des Steuerventils nach oben, also ein – dl1 herbeigeführt,
während die Rückführung versucht, das Steuerventil wieder nach unten hin zu bewegen,
so daß unter ihrem Einfluß ein Weg + dl2 zustande kommt. Für den Fall der Belastung liegen
die Verhältnisse dann gerade umgekehrt.
Somit erhalten wir:
. . . . . . . . . . . (9)
Zur Ermittlung von dm benutzen wir die dynamische
Grundgleichung:
. . . .
. . . . . . (10)
worin ω die Winkelgeschwindigkeit
darstellt und J das gesamte Trägheitsmoment aller
vorhandenen Schwungmassen ist. Unter ΔM ist der gerade
noch vorhandene beschleunigende Momentüberschuß bzw. verzögernde Mangel an
Drehmoment zu verstehen. In einer für unsere Zwecke bequemeren Form geschrieben
lautet die Gl. 10:
.
. . . . . . . . . (10a)
Im ersten Augenblick nach der Belastungsänderung wirkt der ganze Momentüberschuß MA – MB = (a – b) .
M1 auf
Beschleunigung bzw. Verzögerung der Schwungmassen. In dem gerade von uns
herausgegriffenen etwas späteren Augenblick wird schon ein Teil dieses Ueberschusses
bzw. Mangels durch den Regulator abgesperrt sein, und wir werden nur noch den Rest
davon, nämlich:
ΔM = M – MB = (ϕ – b) .
M1,
als augenblicklich gerade wirksamen Momentüberschuß zur
Verfügung haben. Unter dem Einfluß dieses Ueberschusses (ϕ – b) . M1 wird sich während der Zeit dt die Umdrehungszahl ändern um:
. . . . . . . . . . (11)
wobei das Vorzeichen schon in dem Füllungsglied
berücksichtigt ist, das für Entlastung positiv, für Belastung negativ ausfällt.
Anderseits ist uns aber in Fig. 2 die Muffenwegkurve
gegeben als f(n, m) und
wir können uns hieraus bestimmen zu:
Hieraus folgt:
und bei Einsetzung des in Gl. 11 erhaltenen Wertes:
. . . . . . . . . . (12)
Diesen Wert für dm führen wir jetzt in Gl. 9 ein und
erhalten:
Für den Fall der Entlastung ist, wie bereits erwähnt, (ϕ – b) positiv, während
dk negativ ausfällt, weil sich ja dabei der
Servomotorkolben im Sinne „Zu“ also in negativer Richtung bewegen muß (vgl.
Fig. 1). Für den Fall der Belastung gilt gerade
das Umgekehrte. Wir können deshalb auch als für beide Fälle gültig schreiben:
wenn wir uns nur für (ϕ – b) und dk jedesmal ihre
absoluten Beträge eingeführt denken.
Beachten wir noch, daß gleich der
augenblicklichen Geschwindigkeit des Servomotorkolbens ist, so kommt:
(13)
Diese Beziehung läßt sich nun auf Grund der Kontinuitätsgleichung noch in eine für
uns etwas angenehmere Form bringen. Wie bereits bei Besprechung des Arbeitsvorganges
erwähnt, durchfließt das Druckwasser den im betrachteten Augenblick gerade
eröffneten Steuerquerschnitt f1 mit konstanter Geschwindigkeit w1, die sich nach Pfarr berechnet zu (s. Pfarr Gl. 881 S. 768):
. . . . . . . . . . (14)
Hierin ist:
α . h1 der zur Erzeugung von w1 und zur Ueberwindung der Reibung usw.
aufzuwendende Bruchteil der bei Eröffnung des Steuerquerschnitts f1 zur Wirkung
kommenden äußeren Druckhöhe h1;
ξ ein durch die Form der Steuerkanäle
in seiner Größe festgelegter Widerstandskoeffizient.
Bezeichnen wir nun weiter mit:
F die arbeitende Fläche des
Servomotorkolbens in qm;
f1 den
für den Wasserzufluß in Betracht kommenden veränderlichen Steuerquerschnitt in
qm;
d den Durchmesser des Steuerkolbens in
m,
so muß bei Abwesenheit von Luftsäcken sicher sein:
F . v = f1 . w1.
Nehmen wir an, daß die Steuerquerschnitte nicht etwa teilweise
durch Rippen versperrt seien, so ist:
f
1
= π . d . l,
und weiter auch:
F . v =
π . d . l . w1,
oder schließlich:
und mit Gl. 14:
. . . . . . .
(15)
Die in der Klammer eingeschlossenen Größen mögen als unveränderlich betrachtet
werden. Von F, π, d, g ist das ohne weiteres
selbstverständlich. Auch die äußere Druckhöhe h1 darf wohl für den Fall des ideellen Betriebes als
unveränderlich angenommen werden. Nicht so steht es aber mit α und ξ. Diese Größen werden ganz sicher
irgendwie bei Aenderung des Steuerquerschnittes f1 sich selbst auch ändern. Sie sollen aber hier der
Einfachheit halber auch als unveränderlich angesehen werden, zumal uns vorläufig
über die Gesetze dieser Abhängigkeit nähere Angaben noch fehlen.
Dann folgt:
Das ist noch in Gl. 13 einzuführen, und so kommt:
(16)
Aus dieser Gleichung läßt sich die Kolbengeschwindigkeit als Funktion der Zeit
berechnen, wenn man nur noch die Beziehung zwischen der Größe von (ϕ – b) und der
Kolbenbewegung kennt, worauf nachher noch näher eingegangen werden soll. Nun ist
aber:
und
Benutzen wir diese Gleichungen und ziehen wir außerdem die in
Klammern eingeschlossenen Ausdrücke, die aus lauter unveränderlichen Größen
bestehen, zu Konstanten zusammen, so ergibt sich schließlich:
. . . . . (17)
Hiermit haben wir denn die allgemeine Differentialgleichung der Kolbenbewegung
gewonnen. Um sie analytisch lösen zu können, müssen wir aber erst noch (ϕ – b) als Funktion von
k bestimmen, und dies ist uns mit Hilfe der
Gleichung 6a leicht möglich. Diese Gleichung lautete:
. . . . . . . . .
. (6a)
Für den Fall, daß ϕ = b
wird, tritt einfach an Stelle von k jetzt kB, d.h. die
Kolbenstellung des neuen Beharrungszustandes. Also ist:
und schließlich:
. . . . (18)
Führen wir diese Werte noch in Gl. 17 ein, so erhalten wir:
oder auch:
. . . . . . . . . . (19)
Die in Gl. 19 vorkommenden konstanten Ausdrücke C2, C3, C4 und K sollen hier
nochmals übersichtlich zusammengestellt werden, da wir sie später für die
Beispielsrechnung nötig haben werden.
Wir erhalten:
. . . . . . . . . . (19a)
. . . . . . . . . .
(19b)
. (19c)
oder bei Beachtung von Gl. 7c, wonach:
kB= k0+ b . (k1 – k0):
. . . . (19d)
Die in Gl. 19 gegebene Beziehung ist eine lineare Differentialgleichung zweiter
Ordnung mit einer unveränderlichen K als
Störungsfunktion. Ihre allgemeine Lösung lautet:
. . . . . . . . . . (20)
Die Werte ρ1 und ρ2 bestimmen sich dabei aus der quadratischen
Gleichung:
C2 .
ρ2
+ C3 . ρ + C4 = 0
zu:
. . . . . . . . . . (20a)
Die Konstanten der Gl. 20 berechnen sich aus den Anfangsbedingungen für die Zeit t = 0. Dort, also zu Beginn der Bewegung, steht der
Servomotorkolben in der dem Beharrungszustand mit MA = a . M1 entsprechenden
Stellung kA, während
seine Geschwindigkeit ist.
Hieraus ergeben sich zur Bestimmung von c1 und c2 die beiden Gleichungen:
. . . . . . . . . .
(20b)
und
. . . . (20c)
Die Gl. 20b und 20c lassen sich noch etwas anders schreiben und ermöglichen damit
auch noch etwas weitere Schlüsse. Nach Gl. 19c und 19d ist:
also wird aus Gl. 20b:
kA– kB = c1 + c2,
oder auch unter Beachtung von Gl. 7c:
cl+ c2 = (a – b) . (k1
– k0).
Aus Gl. 20c folgt:
und hiermit
und:
Nehmen wir in Gl. 20 noch auf die linke Seite,
so lautet die Beziehung für den Kolbenweg jetzt:
. . . (20d)
Die hierin vorkommenden Werte k1 und k0 sind durch konstruktive Verhältnisse festgelegt
und damit von der Größe der Belastungsänderung unabhängig. Ebenso ist dies auch mit
den ρ-Werten der Fall, denn sie berechnen sich nach Gl.
20a aus den Werten C2,
C3 und C4, die ihrerseits nach
den Gl. 19a und 19c von der Größe der Belastungsänderung unabhängig sind. In Gl. 20d
erhalten wir also bei einer anderen Belastungsänderung für gleiche Zeitpunkte nur
ein anderes Glied (a – b). Haben wir demnach erst
einmal für eine bestimmte Füllungsänderung (a – b) die
Werte (k – kB) als Funktion der Zeit bestimmt, so
können wir für jeden anderen Betrag (a – b) die zugehörigen Werte (k –
kB) leicht durch proportionale
Vergrößerung bzw. Verkleinerung der erstgewonnenen Werte finden.
Für die ziffernmäßige Bestimmung der Kolbenwege sind die Gl. 20 bis 20 c bequemer als
die zuletzt angegebenen Beziehungen, und sie sollen deshalb beim Zahlenbeispiel
künftig auch weiter benutzt werden.
Nach Berechnung der Werte ρ1, ρ2 und c1 und c2 aus den Gl. 20a bis
20c können wir nun die Kolbenwege als Funktion der Zeit auftragen, und zwar in Art
eines Tachographenstreifens, d.h. die Zeit als Abzisse und die Kolbenwege als
Ordinaten.
–––––
Aber diese Kolbenweglinie ist uns doch nur Mittel zum Zweck. Eigentlich wollten wir
ja wissen, wie sich beim Uebergang zum neuen Beharrungszustand die Umdrehungszahlen
in Abhängigkeit von der Zeit ändern. Um das zu erfahren, schreiben wir die Gl. 11 an
in der Form:
. . . . . . . . . . (11)
Nach Gl. 18 können wir auch schreiben:
. . . . . . . .
. . (18)
und wenn wir nun noch k – kB nach Gl. 20d einsetzen, so kommt:
Hiermit folgt dann weiter nach Integration:
Die Integrationskonstante findet sich nach der Beziehung, daß
für t = 0 n = nA eintreten muß. Das liefert:
oder:
Es läßt sich nun leicht zeigen, daß die Konstante nichts
anderes ist als die angestrebte Tourenzahl nB des neuen Beharrungszustandes. Die hierin
vorkommenden Werte ρ1
und ρ2 berechnen sich
ja aus der Gl.:
C2 .
ρ2 + C2 . ρ + C4 = 0
oder auch aus:
Nach den Beziehungen, die ganz allgemein für die Wurzeln einer
quadratischen Gleichung gelten, muß sein:
und:
oder auch:
Setzen wir dies ein, so folgt:
Nach Früherem ist:
(a – b) .
(k1 – k0) = kA – kB.
Also wird schließlich:
Nach Gl. 4 und 5 ist allgemein:
und hiermit wird schließlich:
so daß kommt:
Constante = nB.
Wird dies noch in die allgemeine Gleichung für n eingesetzt, so ergibt sich:
oder wenn wir die Konstanten zusammenziehen:
. . .
. . . . . (21)
Auch hier sehen wir wieder, entsprechend wie früher bei der
Kolbenweglinie, daß die Berechnung der Werte n – nB nur für eine einzige
Belastungsänderung nötig wird und daß dann für jede andere Belastungsänderung diese
Werte nur noch entsprechend proportional zu vergrößern oder zu verkleinern sind.
Schließlich mag die Konstante A der Uebersichtkeit
halber noch besonders angeschrieben werden.
Sie ist:
. . . . . . . . . . (21a)
Die beiden Gl. 20 und 21 stellen die Entwicklung der Kolbenbewegung und der
Umdrehungszahl in Abhängigkeit von der Zeit dar, wie sie sich ergeben, so lange
weder der Anschlag am Steuerventil noch derjenige der Tachometermuffe erreicht
ist.
(Fortsetzung folgt.)