Titel: | Neuerungen an Luftseilbahnen. |
Autor: | P. Stephan |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 337 |
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Neuerungen an Luftseilbahnen.
Von P. Stephan,
Dortmund.
(Schluß von S. 323 d. Bd.)
Neuerungen an Luftseilbahnen.
Eine recht einfache Lösung, die auch für Bahnen mit starkem Gegengefälle
geeignet ist, haben A. Bleichert & Co. gefunden:
Bei einer bestimmten Neigung des Wagens, etwa δ = 25 –
30°, legt sich das Gehänge der Fig. 8 gegen
Anschläge, die seinen Hub begrenzen, und das Ganze verhält sich dann wie ein
einziger Körper, auf den die schematische Figur 10
anwendbar ist. Es gilt also hierfür die Gleichung (5), die noch um ein Glied
\pm\,\frac{G}{Q\,\mp\,G} \cdot \frac{2\,d}{a} in der Klemme
zu vermehren ist, wenn das Wagengewicht G um die
Strecke d von der Mittelachse entfernt ist (Fig. 2).
Bei der üblichen Ausführung des Gehänges kann der Schwerpunkt des Gehänges mit dem
leeren Kasten rund g = 85 cm unter dem Aufhängebolzen
angenommen werden, beim vollen Kasten rund g = 115 cm
darunter. Dann ist die Strecke c der Fig. 10 im ersteren Falle 20 + 85 = 105 cm, im
zweiten 20 + 115 = 135 cm. Ferner ist e = g . tg δ. Wird noch eingesetzt b =
– 40 cm, d = 6 cm, f
= 0 und δ = 25°, so laufen die Schaulinien c1 bzw. c2 der Figuren 4 und 5 von
25° an in der gestrichelten Weise weiter. Wie man sieht, sind die Verhältnisse bei
leerem Kasten sehr günstige, dagegen findet bei gefülltem Kasten sehr schnell eine
völlige Entlastung des unteren Rades statt, weil der Hebelsarm der Last ein zu
langer ist. Wird δ = 30° gewählt, so verbessern sich
die Verhältnisse etwas, jedoch nicht sehr, wenn man nicht auch das Gehänge verkürzt.
Entsprechend verlaufen die mit v = 2 cm errechneten
Kurven der Fig. 6.
Die dargestellten Kurvenzüge gestatten einen guten Vergleich der verschiedenen
Konstruktionen, geben aber keine absoluten Zahlen. Denn alle Kurven der Fig. 6 senken sich bei Vergrößerung der
Zugseilspannung S1 oder
bei stärkerem Durchhang des Zugseils, also größerem β,
um denselben prozentualen Betrag; ferner sei ausdrücklich bemerkt, daß die in die
Rechnung eingesetzten Zahlenwerte z.T. nur näherungsweise gelten.
Eine entsprechende Rechnung für die Ausführungen, bei welchen die Seilklemme am
Gehänge befestigt ist, ergibt, wenn die kleinen Bewegüngswiderstände vernachlässigt
werden, daß sich das Gehänge bei ruhiger Fahrt immer senkrecht einstellt. Mit
Berücksichtigung der Bewegungswiderstände erhält man eine geringe Schiefstellung
nach oben, die um so kleiner bleibt, je tiefer bei gegebenem Kupplungsabstand b die Nutzlast angeordnet wird. Infolgedessen gelten
angenähert die durch die Kurven d der Fig. 4 und 5
veranschaulichten Raddrücke für den vorliegenden Fall. Da nun gewöhnlich v ∾ 0 ist, d.h. das Zugseil senkrecht unter dem
Tragseil liegt, so ist bei allen Neigungen tg γ + μ ∾ 0, so daß jene Ausführung von dem hier behandelten
Gesichtspunkt aus ideal erscheint.
Textabbildung Bd. 324, S. 337
Fig. 12.
Leider tritt bei jeder plötzlichen Aenderung der Seilspannung nach Größe oder
Richtung Hin- und Herpendeln ein, und besonders beim Ankuppeln wird das Gehänge mit
großer Macht nach vorn gerissen, wenn das Personal nicht gehörig aufpaßt. Um dabei
ein Knicken des Zugseils zu verhüten, haben Carstens &
Fabian in Magdeburg deshalb die Seilklemme frei drehbar aufgehängt. Aus
demselben Grunde und zum Schutz des Kasteninhaltes gegen Verschütten, wenn ein
plötzlicher Zug auf die Seilklemme ausgeübt wird, hat J.
Pohlig den Kasten vermittels eines kurz gebauten Gehänges an einem
beweglichen, ziemlich schweren Zwischenstück aufgehängt, das die Seilklemme trägt
(Fig. 12). Dadurch übertragen sich die
Ausschläge der Kupplung nur zum Teil auf den Kasten, besonders da sein Tragbolzen in
einem Führungsschlitz gleitet. Der Hauptwert der Anordnung liegt jedoch darin, daß
der Hebelarm der Last gegenüber der oben unter c'
dargestellten Ausführung verringert und durch die Beweglichkeit des Aufhängebolzens
in der Führung eine selbsttätige Aenderung der Exzentrizität e erreicht wird, wodurch das untere Rad immer genügendbelastetbleibt.
Obwohl der beabsichtigte Zweck erreicht wird, dürfte diese Konstruktion ihrer
verhältnismäßigen Umständlichkeit halber, die den Preis nicht unerheblich erhöht,
nicht oft zur Ausführung gelangen.
Textabbildung Bd. 324, S. 337
Fig. 13.
Von neuen Seilklemmen mit Gewichtswirkung – eine neue Schraubenkupplung ist bereits
in Fig. 9 dargestellt worden – ist die von vom Hoff in Benrath angegebene als einfachste von allen
zu nennen (Fig. 13): Das Gehänge wirkt durch
Vermittlung des Aufhängebolzens auf eine kurze Zugstange ein, die an einem Querhebel
angreift, dessen vorderes Ende gleich als Klemmbacke ausgebildet ist. Beim
Herunterziehen preßt sie das Seil an die andere feststehende Klemmbacke, und zwar
mit einer Kraft P=Q\,\frac{y}{x}. Durch geeignete Wahl der Länge
x läßt sich, wie man sieht, innerhalb der praktisch
erforderlichen Grenzen jeder Klemmdruck erzielen. Im Grunde genommen ist es die Bleichertsche „Automat“-Kupplung, bei der
Drehachse des Hebels und Angriffspunkt der Last vertauscht sind.
Textabbildung Bd. 324, S. 338
Fig. 14.
Textabbildung Bd. 324, S. 338
Fig. 15.
Eine ganz neue Type für sich ist durch eine der Firma A
Bleichert & Co. patentierte Konstruktion (Fig. 14) geschaffen worden: Der Bolzen a, an
dem das Kastengehänge angreift und die beiden Kuppelrollen b sitzen, wird von den Wangen c, d des
Laufwerkes getragen. Letztere bestehen nun nicht wie sonst aus einem festen Stück,
sondern sie sind um den schräg liegenden Bolzen e
drehbar. Mit dem Teil c ist die Klemmbacke m, mit d die Backe n zusammengegossen. Laufen die Kuppelrollen b auf den Kuppelschienen, so hat sich der mittlere Teil
des ganzen Laufwerkes angehoben und die Klemmbacken sind geöffnet; verlassen die
Rollen die Schienen, so wirkt das Lastgewicht dahin, daß die Arme c und d sich senken und
die Klemme sich demzufolge schließt. Die bestechend einfache Anordnung hat nur den
einen Fehler, daß die Backen eine gleitende Bewegung gegen einander ausführen, also
das Seil vor dem gänzlichen Schluß durch Reibung beanspruchen, – ein Nachteil, der
übrigens durch eingesetzte besondere Klemmstücke, die sich frei bewegen, vermieden
werden kann.
Textabbildung Bd. 324, S. 338
Fig. 16.
H. Pohlig gab dem Gedanken eine andere Form, der durch
die schematische Fig. 15 angedeutet wird. Die Last
hängt an dem Drehzapfen a der beiden Wangenteile c und d, mit dem auch die
eine Klemmbacke fest verbunden ist. Die zweite Klemmbacke wird durch eine
Hebelverbindung bewegt, deren Zug- bezw. Druckstangen an den Bolzen e und f angreifen; b ist die Kuppelrolle. Dadurch wird die Klemme mit der
üblichen, zangenartigen Bewegung geschlossen. Allerdings ist die Konstruktion nicht
so einfach und übersichtlich wie die Bleichertsche.
Der auf das Tragseil ausgeübte Raddruck darf natürlich, damit es nicht einem
schnellen Verschleiß verfällt, einen bestimmten Betrag nicht überschreiten, der
erfahrungsgemäß zu etwa 450 bis höchstens 500 kg anzurechnen ist. Um größere
Einzellasten zu befördern, wie z.B. beim Transport von Baumstämmen u. dergl., werden
einfach zwei Wagen im passenden Abstand hintereinander gestellt, die beide mit dem
Zugseil gekuppelt werdenein Beispiel enthält
Stephan, die Luftseilbahnen, Fig. 93.. Man erhält durch diese,
den Langholzwagen der Eisenbahn entsprechende Anordnung eine hinreichende
Beweglichkeit der beiden Wagen gegeneinander, besonders wenn die Tragbügel der
Stämme frei beweglich gelagert sind, worauf A. Bleichert
& Co. ein Patent besitzen. Von anderer Seite werden die Stämme zu dem
Zweck an Ketten angehängt.
Muß die Last in einem angehängten Kasten oder dergl. untergebracht werden, so
vergrößert man die Anzahl der RäderD. P. J.
1904, S. 726 Fig. 57.. So ist die Firma Ceretti & Tanfani in einem Falle bis auf 8 Räder gekommen, an denen
die Last durch Vermittlung eines Gitterträgers aufgehängt istStephan, die Luftseilbahnen, Fig.
179.. Um den ganzen Wagen nicht zu starr zu machen, werden die Räder
stets paarweise zu einem Laufwerk vereinigt, so daß der Wagen ziemlich lang ausfällt
und nicht durch Kurven laufen kann, weswegen die Anwendung sich auf Bahnen mit hin-
und hergehendem Betrieb beschränkt.
Textabbildung Bd. 324, S. 338
Fig. 17.
Zur Vermeidung jenes Uebelstandes versuchte J. Pohlig
A.-G. mit den üblichen zwei Rädern auszukommen, indem man zwei Tragseile
nebeneinander verlegte und darauf Wagen laufen ließ, deren Räder nach Fig. 16 geformt waren. Der belastete Wagen rollt mit
den beiden äußeren Rillen auf den parallel liegenden Tragseilen der einen Bahnseite;
mit der mittleren Rille läuft der leere Wagen auf dem einen Seil der zweiten
Bahnseite bezw. auch der beladene auf den Hängebahnschienen der Stationen. Der
größte Nachteil der Anordnung ist, daß die Kosten der Anlage wegen des doppelten
Seiles sich sehr erhöhen, und man ist deshalb dazu übergegangen, die einrilligen
Räder doch wieder hintereinander anzubringen.
Eine ältere Lösung der Aufgabe für den Transport von Grubenwagen bildet eine für die
Harpener Bergbau-A.-G. von. A. Bleichert & Co.
gelieferte Anlage: In die am oberen Rande durchbohrten Stirnwände der Grubenwagen
wird je ein Lasthaken eingelegt, der vermittels eines kurzen Kettenstückes an einem
gewöhnlichen Seilbahnlaufwerk hängt. Die beiden Laufwerke sind durch eine kurze, den
richtigen Abstand wahrende Winkeleisenschiene beweglich miteinander verkuppelt. Die
Kupplung des einen Laufwerkes greift das Zugseil, die des zweiten umfaßt es nur lose
zur besseren Führung. Die Wagen von 7 hl Inhalt fördern so Lasten bis zu 1200
kg.
Um auch bei fest am Laufwerk hängenden Kasten von großem Gewicht vollständige
Kurvenbeweglichkeit zu erzielen, haben A. Bleichert &
Co. zwei Laufwerke dicht hintereinandergestellt und durch eine unter dem
Tragseil befindliche Traverse verbunden, an der das Gehänge angreift. Die Traverse
wird jedoch an den Wagen in kardanischer Aufhängung befestigt, indem ihre
Aufhängebolzen in dem Auge eines senkrecht durch die Wagenachse gehenden zweiten
Bolzens stecken, wie Fig. 17 zeigt. Umgekehrt bringt
J. Pohlig die sich in ihrer Form den Rädern gut
anschließende Traverse oberhalb an (Fig. 18). Sie
ist auf senkrecht stehende Zapfen geschoben, die sich ihrerseits um die wagerechten
Mittelbolzen der beiden einzelnen Laufwerke drehen können.
Wie die Gegenüberstellung ergibt, kann Pohlig das
normale Gehänge verwenden, während die Bleichertsche
Ausführung ein gekürztes Gehänge – was allerdings völlig nebensächlich ist – und ein
durch die Traverse schwerer gewordenes Laufwerk beseitigt. Dem gegenüber braucht Pohlig mehr Höhe über der Laufbahn, also längere
Hängeschuhe in den Stationen. Deshalb führt J. Pohlig
in besonderen Fällen – wenn die Seilklemme oben an einem der Wagen sitzt, also die
übrigen Teile überragen muß, falls der Wagen Kurven am Zugseil durchlaufen soll –
die inneren beiden Räder mit wesentlich kleinerem Durchmesser aus, so daß die
Traverse ein gut Teil tiefer zu liegen kommt und nicht über die beiden äußeren Räder
hinausragt.
Textabbildung Bd. 324, S. 339
Fig. 18.