Titel: | Die bei der Turbinenregulierung auftretenden sekundären Erscheinungen, bedingt durch die Massenträgheit des zufließenden Arbeitswassers. |
Autor: | A. Utard |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 417 |
Download: | XML |
Die bei der Turbinenregulierung auftretenden
sekundären Erscheinungen, bedingt durch die Massenträgheit des zufließenden
Arbeitswassers.
Von Dipl.-Ing. A. Utard,
Straßburg i.E.
(Fortsetzung von S. 404 d. Bd.)
Die bei der Turbinenregulierung auftretenden sekundären
Erscheinungen, bedingt durch die Massenträgheit usw.
II. Die Schwankungserscheinungen unter Vernachlässigung
der Elastizität.
1. Kurze Entwicklung der Methode von
Pfarr:
Das Oeffnen und Schließen der Leitschaufeln kann den verschiedenen Füllungen
entsprechend von beliebiger Anfangsstellung a bis
zu einer ebenfalls zufälligen Endlage b erfolgen.
Da es von vornherein keineswegs klar ist, in welchem Falle wir die größten
Druckschwankungen zu gewärtigen haben, müssen die Gleichungen ganz allgemein
gültig angesetzt werden.
Wir müssen uns somit, zwecks besserer Uebersicht der nachfolgenden Formeln, vor
allem Klarheit verschaffen über den Zustand, der im Augenblick vor Beginn der
Verstellung geherrscht hat.
Für eine beliebige Beaufschlagung a besteht beim
Beharrungszustand eine dem entsprechenden Ausflußquerschnitt af1 proportionale
normale Rohrgeschwindigkeit c = ac1; während die Austrittsgeschwindigkeit v0 für jegliche
Füllung als gleichgroß anzusehen ist (Strahlturbine). Und zwar können wir die
Leitschaufelgeschwindigkeit v0 direkt gleich:
v_0=\sqrt{2\,g \cdot H_0} . . . . . .
(6)
schreiben, da bei den hier speziell zu berücksichtigenden
langen Rohrleitungen fast ausschließlich Hochgefälle und somit Strahlturbinen in
Frage kommen.
Bei der geringsten Druckänderung muß sich aber auch die Ausflußgeschwindigkeit
v0 in v ändern und somit auch die Rohrgeschwindigkeit c einen anderen Wert annehmen, da sie mit v durch die Beziehung zusammenhängt:
\frac{c}{v}=\frac{F}{f} . . . . . . (7)
Hierbei bedeutet f den
veränderlichen Leitapparat-Querschnitt und F den
konstanten Rohrquerschnitt (s. Fig. 1).
Für eine gleichmäßig vor sich gehende Verengung bzw. Erweiterung des
Austrittsquerschnittes hat Pfarr folgende
Differentialgleichung aufgestellt:
Schließen: h \cdot dt-\frac{L}{g} \cdot
dc=\frac{c^2}{2\,g} \cdot
\frac{F^2\,T^2}{f_1^2}\,\frac{dt}{(a\,T-t)^2} . (8)
Oeffnen: h \cdot dt-\frac{L}{g} \cdot
dc=\frac{c^2}{2\,g} \cdot
\frac{F^2\,T^2}{f_1^2}\,\frac{dt}{(a\,T+t)^2} . (9)
Hierbei läßt er sich leiten von der Ueberlegung, daß
in jedem Zeitmoment „die Abänderung des Arbeitsvermögens, welche die
Masse des Rohrinhaltes erfährt ≡ dAr sich als Zu- resp. Abnahme des in
der Zeit dt aus dem Zuflußrohr ausgeleiteten
Arbeitsvermögens Aa
. dt gegenüber dem eingeleiteten Ae . dt
vorfinden muß.“ Also:
Ae . dt
± dAr = Aadt
. . . . . . . . . . (10)
Durch Intregration dieser Differentialgleichung ist es ihm somit möglich den
ganzen ideellen Schließ- und Oeffnungsvorgang klar zu legen und den Verlauf der
Druckkurve zu konstruieren. Nach einiger Umformung erhält man folgende
Resultate: für den Schließvorgang:
v=v_0 \cdot
\frac{m}{2}\,\left[k\,\frac{\frac{k+j_0}{k-j_0}-\left(\frac{b}{a}\right)^k}{\frac{k+j_0}{k-j_0}-\left(\frac{b}{a}\right)^k}+1\right]
. . (11)
für den Oeffnungsvorgang:
v=v_0 \cdot
\frac{m}{2}\,\left[k\,\frac{\left(\frac{b}{a}\right)^k+\frac{j_0-k}{j_0+k}}{\left(\frac{b}{a}\right)^k}-\frac{j_0-k}{j_0+k}-1\right]
. . (12)
Hierin ist mit k der
Ausdruck:
k\equiv\sqrt{\frac{4}{m^2}}+\equiv\sqrt{\frac{4\,g^2\,H_0^2\,T^2}{c_1^2\,L^2}+1}
bezeichnet, während j0 gesetzt ist:
j_0\equiv\frac{2}{m}-1\,\left(\equiv\frac{2\,g\,H_0\,T}{c_1\,L}-1\right)
Gleichung (11) erreicht ihr Maximum, sobald b = 0
d.h. im Augenblick des völligen Schlusses, ganz unabhängig von welcher
Anfangsbeaufschlagung aus das Schließen begonnen hat.
Für den Oeffnungsvorgang (Gl. 12) tritt das Minimum von v dann auf, wenn wir von a = 0 an öffnen,
und zwar ist in diesem Falle die Kurve gleich einer horizontalen Linie mit
anfänglich vertikalem Sprung. Die Werte von v, die
für den Oeffnungsbeginn von kleinen Teilfüllungen a
aus und für b = 1 gelten, sind fast die gleichen
wie v min.
Das Maximum / resp. Minimum / obiger Gleichungen lautet:
Schließen: v\,\mbox{max}=v_0 \cdot
\frac{m}{2}\,\left(\sqrt{\frac{4}{m^2}+1}+1\right) . . (13)
Oeffnen: v\,\mbox{min}=v_0 \cdot
\frac{m}{2}\,\left(\sqrt{\frac{4}{m^2}+1}-1\right) . . (14)
Auf Grund des Vorhergehenden lassen sich leicht für jeden beliebigen Zeitpunkt
die übrigen wichtigen Größen ermitteln. Der Wert, des am unteren Rohrende,
unmittelbar vor der Querschnittsverengung auftretenden Druckes, beträgt
allgemein:
h\,(\mbox{resp.}\,H)=\frac{v^2}{2\,g}-\frac{c^2}{2\,g} .
. . (15)
Textabbildung Bd. 324, S. 418
Fig. 2.
Er kann bei normalen, d.h. kleinen Rohrgeschwindigkeiten und größerer Gefällhöhe
auch ziemlich genau geschrieben werden:
h\,(\mbox{resp.}\,H)\simeq\frac{v^2}{2\,g} .
. . . (6a)
Textabbildung Bd. 324, S. 418
Fig. 3. Der Schließvorgang und dessen Nachwirkung nach der Methode von
Pfarr.
Ferner ist die sekundliche Wassermenge:
q = Fc = f . v . . . . . . . . . .
(16)
und die momentane Arbeitsfähigkeit des austretenden
Wassers:
A=\frac{q\,\gamma\,v^2}{2\,g}=\frac{f \cdot
\gamma\,v^3}{2\,g}\,(\simeq\,q \cdot \gamma\,h) . . . . (17)
Sobald das Verstellen des Reguliergetriebes bei der neuen Oeffnungsgröße b aufhört, ist kein Grund mehr für das
Bestehenbleiben des Ueberdruckes vorhanden; da aber anderseits der Uebergang zur
normalen Druckhöhe H0 nicht plötzlich vor sich gehen kann, nähert sich h in asymptotischem Verlaufe seiner normalen Höhe
H0 Es sind dies
die Nachwirkungskurven, deren Verlauf Pfarr ebenfalls durch analytischen Rechnungsgang
ermittelt hat.
Von all den noch zu besprechenden Kurven der nächstfolgenden Kurvenauftragungen
nimmt neben der h-Kurve diejenige des
augenblicklichen Arbeitsvermögens, die A-Kurve,
unser Interesse am meisten in Anspruch. Sie kann sehr annähernd als Produkt der
q und h Werte
aufgefaßt werden, und somit ist es verständlich, daß, trotz der sofort im Sinne
des Regulatorimpulses sich ändernden Wassermenge q
ihr Einfluß durch jenen der entgegengesetzt rasch ansteigenden oder sinkenden
h Kurve anfänglich stark überboten wird. Es
wird somit für die ersten Augenblicke die Verstellung des Leitapparates sogar
die gegenteilige Wirkung von der beabsichtigten nach sich ziehen. Erst
allmählich schwenkt der Wert des aus dem Leitapparat ausgeleiteten sekundlichen
Arbeitsvermögens in die gewollte Richtung ein.
2. Die in vorliegender Arbeit
angewandte Methode der graphischen Darstellung.
Dasselbe Zahlenspiel an Hand dessen Pfarr diese
Erscheinungen erläutert, soll auch den vorliegenden graphischen Aufzeichnungen
zugrunde gelegt sein; die hierbei gewählten runden Zahlenwerte gestatten einen
sehr leichten Ueberblick und vereinfachen die schnelle Gegenüberstellung der von
verschiedenen Gesichtspunkten aus erhaltenen Endwerte.
Auch die vom Verfasser bei der zeichnerischen Darstellung befolgte Methode lehnt
sich an diejenige von Pfarr an. Dabei hat sich aber
die nach rechts gerichtete Schlußlinie (siehe Fig.
2 und 3) und dementsprechend die nach
unten gehende Oeffnungslinie (s. Fig. 4) als
praktischer erwiesen, da sie in Uebereinstimmung mit der Auftragsweise bei der
Berechnung des Regulierungsvorganges steht und somit die direkte Verwertung der
erhaltenen Resultate zur Ermittelung der Kurve der Umdrehungszahlen
gestattet.
Zwar muß infolge dieser Aenderung eine gewisse Inkonsequenz in der graphischen
Aufzeichnung in Kauf genommen werden. Während nämlich die h und v Werte wie bei
Pfarr von der Abszissenachse nach oben
aufzutragen sind, werden hier die entsprechenden Werte von A und q nach unten
aufgetragen, damit sie im Einklang stehen mit der nach oben gerichteten
Schlußlinie. Der kompendiöseren Zeichnung wegen ist für beide letztgenannten Kurven die
Abszissenachse bis zur Höhe H0 heraufgerückt (s. Fig. 2). Dieser Nachteil dürfte wohl bei weitem aufgewogen werden
durch die größere Bequemlichkeit mit der die Ergebnisse sich auf das Gebiet der
Regulierung übertragen lassen.
In Fig. 2 sind der Deutlichkeit wegen bloß die
h und die A Kurve
eingezeichnet; doch besteht völlige Analogie in der Auftragsweise der h Kurve und der v
Kurve und ebenso der A und q Kurve.
Beim Schließvorgang ist die Abscisse durch eine der Schlußzeit T entsprechende Strecke gebildet. Im
Koordinatenanfangspunkt ist die Turbine als voll geöffnet zu denken, nach der
Zeit T als völlig geschlossen (s. Fig. 2). Wenn wir somit die Strecke f vom oberen Nullpunkt ab auf der Ordinatenachse
nach unten auftragen und den unteren Punkt mit dem Endpunkt von T verbinden, haben wir die „Schlußlinie.“
Diese gibt uns, des linear vorausgesetzten Schließvorganges wegen, direkt die
Querschnittsgrößen der Teilöffnungen an, nämlich p
. f1 oder in
speziellem Falle die Anfangsund Endöffnung a . f1 und b . f1 für die entsprechenden Oeffnungsgrößen p oder a und b. Deshalb soll in der Zeichnung die Oeffnungs- und
Schlußlinie stets als f Linie bezeichnet
werden.
Textabbildung Bd. 324, S. 419
Fig. 4. Der Oeffnungsvorgang und dessen Nachwirkung nach der Methode von
Pfarr.
Ferner: Beim Beharrungszustand ist laut Voraussetzung die Druckhöhe als konstant
= H0
anzunehmen. Für diesen Zustand muß dementsprechend bei der Leitschaufelöffnung
p auch die Rohrgeschwindigkeit e gleich sein: c = p .
c1, wenn mit
c1 die der
größten Oeffnung p = 1 entsprechende maximale
Rohrgeschwindigkeit bezeichnet wird. Es sei weiterhin Q die größte Wassermenge, d.h. diejenige, die bei vollgeöffneten
Leitschaufeln [p = 1] im Beharrungszustand
ausfließt Und A1
die bei dieser größten Oeffnung zu Gebote stehende Leistungsfähigkeit des
ausfließenden Wassers. Dann muß entsprechend dem Vorhergehenden bei beliebiger
Oeffnung p das austretende Wasserquantum den Wert
q = p . Q betragen
und deren Arbeitsvermögen gleich sein p . A1. Die
Darstellungen dieser verschiedenen, linear verlaufenden, somit einander
proportionalen Werte fallen bei entsprechender Wahl des Maßstabes direkt mit der
Schlußlinie zusammen.
Durch dieses Zusammenfallen gewinnt die Zeichnung in hohem Maße an Klarheit und
Uebersichtlichkeit. Aus diesem Grunde ist dasselbe bei allen Kurvenauftragungen
durchgeführt worden und zwar ist den verschiedenen Kurven jeweils ein solcher
Maßstab zugrunde gelegt, daß die konstanten Größen f1, c1, Q und A1 in der Zeichnung
gleich der Strecke H0 werden.
Die Abszissen lassen sich aber auch als Darstellung der Werte von p oder speziell von a
und b auffassen, da nach Annahme die
Schließzeiten t proportional, sind den Schlußwegen,
und letztere wieder den Oeffnungsgrößen.
In dieses Schema können nun die Kurven leicht eingezeichnet werden; man braucht
nur die Werte von h (resp. H), ferner v, q und A über bezw. unter der entsprechenden Abszisse a resp. b aufzutragen,
um den ganzen Verlauf der auftretenden Erscheinungen sofort kenntlich zu machen.
Bis zu a, d.h. dem Beginne der Verstellung, treten an Stelle aller Kurven
horizontale Linien. Von da ab würden ohne Eintritt einer Druckerhöhung, h und v weiter
horizontal verlaufen, dagegen A, q und f der Schlußlinie entsprechend geradlinig abnehmen.
Die Abweichung der wirklichen Kurven hiervon rührt vom Einfluß der
Druckschwankungen her.
Der Oeffnungsvorgang ist ganz entsprechend aufgezeichnet s. Fig. 4. Die Zeitabschnitte laufen ebenfalls im
Sinne der positiven Abszissenachse, also muß die „Oeffnungslinie“ von
links oben nach rechts unten gehen.
3. Rechnungsbeispiel.
Die dem Rechnungsbeispiele zugrunde liegenden Zahlenwerte sind:
H0 = 100 m (Gefällhöhe)
Q = 2 cbm/Sek. (größte
Wassermenge)
L = 200 m (Rohrlänge)
F = 1 qm (Rohrquerschnitt)
c_1=\frac{Q}{F}=2 m/Sek. (größte
Wassergeschwindigkeit im Zuleitungsrohre)
T = 2 Sek. (Schlußzeit =
Oeffnungszeit, zwischen f = f1, also auch c =
c1 und f = 0, somit auch c =
0).
Die aus den Berechnungen erhaltenen Werte für h, v,
q und A sind in den Kurvenzeichnungen der
folgenden Figuren aufgetragen und somit auch aus letzteren sofort zu
entnehmen.
Durch Fig. 3 ist der Schließvorgang, durch Fig. 4 der Oeffnungsvorgang dargestellt. Hierbei
sind systematisch für eine ganze Reihe von Zwischenstellungen (verschiedene a) die Hauptkurven und Nachwirkungskurven berechnet
und eingezeichnet.
Auffallend ist der steile, fast senkrechte Sprung und darauffolgende horizontale
Verlauf derjenigen h- und v-Kurven, die von kleinen Werten von a
ausgehen, einerlei ob es sich um Oeffnen oder Schließen handelt, vergl. z.B. in
Fig. 3 und 4
die Kurven für a = 0,2; je größer a ist, um so allmählicher erfolgt das Ansteigen resp. Sinken
dieser Kurven, die alle gegen das Ende rechts hin völlig horizontal
auslaufen.
Die q- und A-Kurven
nehmen beim Schließvorgang auch recht bald einen geradlinigen und zwar auf den
Endpunkt von T gerichteten Verlauf, weichen aber
beide, besonders die A-Kurve, stark von der
Schlußlinie (f-Linie) nach unten hin ab.
Beim Oeffnen von a = 0
aus sind beide Kurven direkt gerade Linien, die oberhalb der Oeffnungslinie
verlaufen. Somit ist auch die maximale Arbeitsleistung längst noch nicht
erreicht, sobald die Leitschaufel völliggeöffnet ist, sondern bei t = T resp b = 1 hat
die q-Linie die Ordinate q
= f1 . vmin [= 1,807 cbm/Sek.]. Die Höhe der
A-Linie beträgt A=f_1 \cdot \gamma
\cdot \frac{v^3_{\mbox{min}}}{2\,g} (siehe Gl. 17). Je größer a, um so langsamer nähern sich die q- und A-Kurven diesen
beiden Linien. Auf den zeitweilig impulswidrigen Verlauf der ausgeleiteten
Arbeitsgröße ist bereits hingewiesen worden.
(Fortsetzung folgt.)