Titel: | Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen. |
Autor: | Otto Arendt |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 615 |
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Neuerungen im Telegraphen- und
Fernsprechwesen.
Von Otto Arendt, Kaiserl.
Telegrapheningenieur.
Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen.
Um allen Anforderungen des modernen Verkehrs an die Schnelligkeit und Sicherheit
der telegraphischen und telephonischen Nachrichtenübermittlung genügen zu können,
ist es für jede Telegraphenverwaltung oder -gesellschaft eine zwingende
Notwendigkeit, die besten und leistungsfähigsten Hilfsmittel der Technik in den
Dienst ihres Betriebes zu stellen, ein möglichst umfangreiches Leitungsnetz zu
errichten, für die Bedienung der Apparate sowie für die Unterhaltung der technischen
Einrichtungen gründlich vorgebildetes Personal bereitzustellen und schließlich durch
dauernde Ueberwachung und zweckentsprechende statistische Erhebungen sich einerseits
über die Bedürfnisse des Verkehrs, anderseits über die Leistungsfähigkeit ihrer
Einrichtungen fortlaufend zu unterrichten. Daneben hat sie naturgemäß ein lebhaftes
Interesse an der wirtschaftlichen Ausnutzung ihrer Betriebseinrichtungen, um eine
ausreichende Verzinsung der für die Beschaffung der Apparate, den Bau und die
Unterhaltung der Leitungen, die Errichtung der Betriebsgebäude, die Besoldung ihrer
Angestellten und die soziale Fürsorge für das Personal aufgewendeten Kapitalien zu
erzielen. Im folgenden soll zunächst ein knapper Ueberblick über die Hilfsmittel
gegeben werden, die zur Erreichung der bezeichneten Ziele heute angewendet werden,
unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Deutschland; sodann soll über
einzelne Neuerungen eingehender berichtet werden.
Herstellung oberirdischer
Leitungen.
Für Telegraphenleitungen wird verzinkter Eisendraht von mindestens 40 kg/qmm
Zugfestigkeit je nach der Bedeutung und der Länge der Leitung in Stärken von 3 bis 6
mm verwendet. Bei der Abnahme der Drahtlieferungen wird u.a. die
Zugfestigkeit und Dehnung geprüft. Der Draht muß ferner eine seiner Dicke
entsprechende Anzahl von Hin- und Herbiegungen im rechten Winkel nach einem
bestimmten Krümmungshalbmesser und auf eine freie Strecke von 15 cm eine für jeden
Durchmesser vorgeschriebene Anzahl von Torsionen bei bestimmter Drehgeschwindigkeit
aushalten. Der Zinküberzug wird als ausreichend angesehen, wenn der Draht etwa acht
Eintauchungen von einer Minute Dauer in eine 20prozentige Kupfervitriollösung
aushält, ohne sich mit einer zusammenhängenden Kupferhaut zu überziehens. D. P. J. 1905, S. 746.. Der
elektrische Widerstand soll den siebenfachen Wert vom Widerstände reinen Kupfers
nicht überschreiten.
Auf große Entfernungen oder zum Betriebe besonders empfindlicher Apparate wird auch
Bronzedraht benutzt, der im übrigen nur zur Herstellung von Fernsprechleitungen
dient und zwar in einer Stärke von 1,5 mm für oberirdische
Teilnehmeranschlußleitungen innerhalb eines Ortsfernsprechnetzes, in Stärke von 2
bis 5 mm für die Fernsprechverbindungsleitungen, kurz als Fernleitungen bezeichnet,
die zur Verbindung der einzelnen Ortsnetze untereinander bestimmt sind. Die
Leitfähigkeit des für Fernleitungen verwendeten Materials soll mindestens 94 v.H.
vom Leitvermögen reinen Kupfers betragen; an Zugfestigkeit werden verlangt für 1,5
mm starken Draht 70 kg/qmm, für 2,2,5 und 3 mm starken Draht 52,6 kg/qmm, für 4 mm
starken Draht 51 kg/qmm und für 5 mm starken Draht 50 kg/qmm. In neuerer Zeit kommt
für Fernleitungen Hartkupferdraht von ähnlichen Abmessungen zur Verwendung, der
etwa dieselbe Leitfähigkeit, aber etwas geringere Festigkeit besitzt, dafür aber
billiger ist. Bronzedraht bleibt in Neuanlagen auf Leitungsstrecken beschränkt, die
auf Festigkeit besonders beansprucht werden.
Textabbildung Bd. 324, S. 615
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 324, S. 615
Fig. 2a.
Textabbildung Bd. 324, S. 615
Fig. 2b.
Als Isoliervorrichtungen dienen Porzellandoppelglocken, Fig. 1, in verschiedenen Größen, die auf wergumwickelte eiserne Stützen
(Fig. 2) aufgeschraubt werden. Sie nehmen den
Draht in gerader Linie in der Kopfrille, in Winkelpunkten seitlich in der Halsrille
auf – die Stützen werden vorwiegend an Eisenbahnen und Landwegen mit hölzernen, auf
Dächern mit eisernen Gestängen verbunden. Die hölzernen Stangen (meist Kiefer,
selten Eiche) werden in Abmessungen von 7, 8,5, 10 und 12 m mit einer Zopfstärke von
15 cm für Hauptlinien, von 12 cm für Nebenlinien verwendet, nachdem sie mit
Kupfervitriol, Zinkchlorid, kreosothaltigen Teerölen oder Sublimat getränkt und
geschält sind. Ihre Lebensdauer beträgt bei Tränkung mit kreosothaltigen Teerölen
bis zu 30 Jahren, bei Anwendung der übrigen Zubereitungsmethoden bis zu 13 Jahren
gegenüber 8 Jahren für nicht getränkte Kiefernstangen. Die in Deutschland
gebräuchlichste Art der Zubereitung mit Kupfervitriol erfolgt in der Weise, daß eine
1,5prozentige Vitriollösung vom Stammende aus in die frisch geschlagenen Stämme
hineingedrückt wird, entweder mittels einer Dampfstrahlpumpe unmittelbar oder unter
hydraulischem Druck aus einem 10 m hoch gelegenen sog. Druckbottich. Für diesen
Zweck wird am Stammende der Stangen dadurch ein Hohlraum geschaffen, daß ein aus
Hanf fest gedrehter Ring durch ein starkes Brett mit Spannschrauben gegen die
Stirnfläche des Stammes gedrückt wird. Mit derartigen Füllräumen wird eine große
Anzahl von Stangen an ein wagerecht liegendes, sog. Streckenrohr angeschlossen.
Textabbildung Bd. 324, S. 615
Fig. 3.
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Fig. 4.
Ein neueres, bei der Reichstelegraphenverwaltung eingeführtes Verfahren, das Rüpingsche, sieht als Tränkungsmittel
Teeröle vor, die besonders zuverlässig Bakterien abtöten und zugleich den
Zutritt von Wasser und Luft zur Holzfaser verhindern. Ein Uebelstand bei der
Tränkung mit kreosothaltigen Teerölen nach den älteren Methoden war der, daß der in
allen Poren, im Inneren der Holzzellen angesammelte Vorrat von Teeröl leicht
ausschwitzte und die Handhabung der imprägnierten Hölzer erschwerte und daß zudem
für die Tränkung der Stangen erhebliche Mengen Oel erforderlich waren, welche das
Verfahren recht teuer gestalteten. Die Firma Fr. Rüping
in Witten begegnet diesen Mängeln in folgender Weise: Die geschälten Stangen werden
an der Luft getrocknet und dann in einen Kessel eingeschlossen, der mit Druckluft
von 5 Atm. gefüllt wird. Wenn nach 30 bis 60 Minuten sich die Holzzellen mit
Druckluft gefüllt haben, gelangt unter noch höherem Druck das auf mehr als 100°
erhitzte Teeröl in den Kessel, während Luft abgelassen wird, bis die Stangen
vollständig mit der Tränkflüssigkeit bedeckt sind. Sie dringt in das Holz ein, füllt
die Hohlräume der Zellen wegen der darin eingeschlossenen Luft nicht ganz aus,
durchtränkt aber die Zellenwände und bleibt infolge der Adhäsion an ihnen haften.
Wird dann die Flüssigkeit aus dem Kessel abgelassen und außerdem die Luft aus dem
Kessel gepumpt, so treibt die im Holz noch befindliche Luft alle Oelreste, die nicht
fest an den Zellenwänden haften, heraus. Die Stangen sind nach diesem Vorgang ganz
trocken; ein späteres Ausschwitzen des Teeröles tritt nicht ein.
Textabbildung Bd. 324, S. 616
Fig. 5.
Textabbildung Bd. 324, S. 616
Fig. 6.
Die preußisch-hessische Eisenbahnverwaltung tränkt ihre Telegraphenstangen vorwiegend
mit Teeröl, das mindestens 6 v.H. saure (karbolsäurehaltige) Bestandteile haben
soll, indem die Stangen zunächst in einem Kessel in die Tränkflüssigkeit getaucht
und, wenn der Kessel ganz mit Teeröl gefüllt ist, durch Nachpressen von Flüssigkeit
unter einen Druck von 2,5 Atm. gesetzt werden. Nachdem dann das Oel wieder
abgelassen ist, werden die Stangen abwechselnd einem Luftdruck von mindestens 1,5
Atm. dem gewöhnlichen Luftdruck und noch einmal dem erhöhten Druck von 1,5 Atm.
ausgesetzt.
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Fig. 7.
In gerader Linie werden bei mäßiger Belastung – mit etwa 13 Leitungen – einfache
Stangen aufgestellt, die wechselständig mit Isolatoren auf Hakenstützen (Fig. 2a) in Abständen von 240, ausnahmsweise von 150
mm zwischen den Stützen ausgerüstet sind. Bei höherer Belastung treten an die Stelle
der Einzelisolatoren Winkelstützen (Fig. 3) mit je
zwei eisernen Querträgern (Fig. 4) mit je vier
Isolatoren auf geraden Stützen (Fig. 2b) für
Telegraphenleitungen oder J-formigen Stützen mit zwei Isolatoren (Fig. 5) bzw. Querträger mit einer geraden und einer
U-förmigen Stütze (Fig. 6) für
Fernsprechverbindungsleitungen, die stets doppeldrähtig (metallische Hin- und
Rückleitung) hergestellt werden. Steigt die Belastung über 20 Leitungen, so werden
zwei Stangen nach Fig. 7 zu einem Doppelgestänge
vereinigt und durch eiserne Querträger zu je acht Leitungen verbunden. An
Winkelpunkten werden die Gestänge durch hölzerne Streben oder durch Anker verstärkt,
welch letztere aus vier im Erdboden an Steinen, Holzkreuzen oder dergl. befestigten
Eisendrähten bestehend, durch Verdrillen mittels eines Knebels angespannt werden. Wo
für diese Verstärkungsmittel der Raum fehlt, setzt man Doppelständer nach Fig. 8 oder gekuppelte Stangen, dieses sind zwei der
Länge nach mit zwei glatt behauenen Flächen aneinander gelegte und durch vier
Schraubenbolzen verbundene Stangen. In gerader Linie kommt für Eisenleitungen auf je
75 m, für Bronze-(Fernsprech-)leitungen auf je 60 m ein Unterstützungspunkt. Näheres
über die Berechnung und Konstruktion von Telegraphengestängen s. Bl. f. Post und
Telegr. 1906, S. 43 ff., 1909 S. 25.
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Fig. 8.
Um das Auffinden von Störungen zu beschleunigen, sind in angemessenen Abständen
Untersuchungsstationen eingeschaltet, dieses sind Konsole mit zwei Isolatoren, an
denen die Leitung nach beiden Seiten hin abgespannt ist. Fig. 9a für einfache Gestänge, Fig. 9b
für Gestänge mit Querträgern.
Textabbildung Bd. 324, S. 616
Fig. 9a.
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Fig. 9b.
Zwei mit den Leitungsdrähten verlötete Verbindungsdrähte sind, um bei häufigerem
Gebrauch das Abbrechen zu verhindern, zunächst in einer konischen Spirale um die
Leitung gelegt und dann durch eine Klemmschraube verbunden. Die Leitungszweige
können so getrennt oder mit einer an der Stange hochgeführten Erdleitung verbunden
werden.
Textabbildung Bd. 324, S. 616
Fig. 10.
Telegraphenlinien werden hauptsächlich längs der Eisenbahn, Fernsprechlinien an
Landwegen geführt. Sollen an Telegraphengestängen ausnahmsweise auch
Fernsprechleitungen befestigt werden, so wird zwischen ihnen und den
Telegraphenleitungen ein Abstand von mindestens 1 m gehalten, nötigenfalls indem man
auf die Holzstangen eiserne Aufsätze mit Querträgern setzt. Zum Schutz gegen
Induktionsstörungen, die auftreten, wenn eine Telegraphenleitung infolge ungleichen
Abstandes den einen Zweig der Fernsprechdoppelleitung stärker oder schwächer
beeinflußt als den andern, werden die Hin- und die Rückleitung der Fernsprechleitung
von Zeit zu Zeit gekreuzt, so daß die Summe der Induktion auf die einzelnen
Abschnitte beider Drähte gleich groß wird und sie sich in ihrer Wirkung aufheben;
vgl. Schema in Fig. 10. Zur Ausführung der
Kreuzungen dienen Isoliervorrichtungen nach Fig. 11a
und b.
Eisendraht wird vor dem Aufbringen auf das Gestänge mit Hilfe von Handwinden kurze
Zeit einer Spannung von etwa 400 kg unterworfen. Um den richtigen Durchhang finden
zu können, sind für jede Drahtsorte Tabellen gegeben, aus denen die Spannung und der
senkrechte Abstand des tiefsten Punktes vom Unterstützungspunkt als Funktionen der
Temperatur und der Spannweite zu ersehen sind. Die Spannung ist dabei mit einem
Dynamometer (Prinzip der Federwage), der Durchhang- mit einer Maßlatte zu messen.
Als Voraussetzung gilt, daß bei einer Temperatur von – 25° der Draht mit höchstens ¼
seiner Zugfestigkeit beansprucht werden soll. (Vgl. hierzu Bl. f. Post u. Telegr.
1905, S. 1 u.S. 228, E.T.Z. 1907, S. 896; 1908, S. 339, Mitteilungen aus d. Kaiserl.
Telegr.-Versuchsamt.
Neuerdings hat Dreisbach ein Verfahren zur Ermittelung
des Durchhanges angegeben, das außerordentlich einfach anzuwenden ist und genaue
Werte ergibt. Es wird gezeigt, daß die Eigenschwingungszahl eines frei gespannten
Drahtes unter Voraussetzungen, die für Telegraphenleitungen zutreffen, durch die
Größe des Leitungsdurchhanges bestimmt wird. Ermittelt man daher die
Eigenschwingungszahl des Drahtendes zwischen zwei Befestigungspunkten, indem man
durch periodisch wiederkehrenden schwachen seitlichen Druck den Drahtbogen in
Pendalbewegungen versetzt und die Anzahl der Schwingungen in einer Minute zählt, so
kann man mit Hülfe dieser Zahl den Durchgang aus einer Tabelle auffindenVergl. E.T.Z. 1909 u. Bl. f. Post u. Telegr.
1909 No. 1..
Die Fernsprechleitungen, besonders die Teilnehmeranschlußleitungen, werden innerhalb
der Städte – soweit sie nicht in Kabeln liegen – vorwiegend über die Dächer geführt.
Die Gestänge werden zusammengesetzt aus Mannesmannrohren von 5 mm Wandstärke und 75
oder 67 mm äußerem Durchmesser aus Siemens-Martinstahl,
die im besonders verstärkten Dachgebälk befestigt und mit Querträgern
ausgerüstet werden. Wo sie in der nötigen Länge nicht auf das Dach geschafft werden
können, schraubt man zwei Teile aneinander. Auch in gerader Linie ist jedes dritte
oder vierte Gestänge mit Ankern aus Rundeisen oder Drahtseil und Spannschrauben
derart gesichert, daß es auch nicht umbricht, wenn auf einer Seite sämtliche
Leitungen abgebrochen werden. Es werden doppelte, dreifache und vierfache Gestänge
verwendet mit Querträgern bis zu 30 Leitungen.
Textabbildung Bd. 324, S. 617
Fig. 11a.
Textabbildung Bd. 324, S. 617
Fig. 11b.
Zum Schutz der Telegraphen- und Fernsprechleitungen gegen Starkstromanlagen bei
Kreuzungen und Näherungen wird isolierter Draht verwendet, oder es werden geerdete
Drahtnetze oder einzelne geerdete Drähte zwischen den Schwach- und den
Starkstromleitungen ausgespannt. Die an die Leitungen angeschlossenen Apparate sind
durch Sicherungen (die sog. Grobsicherungen, die später erwähnt werden) geschützt.
Für die Ausführung und den Betrieb neuer Starkstromanlagen bei Kreuzungen und
Näherungen von Telegraphen- und Fernsprechleitungen werden z. Zt. besondere
Vorschriften ausgearbeitet, deren Entwurf in der E.T.Z. 1908 S. 553 veröffentlicht
ist. Es ist u.A. vorgesehen für die Starkstromleitungen metallische Hin- und
Rückleitung in möglichst geringem Abstande voneinander, an Näherungsstellen ein
Mindestabstand von 7 bis 10 m, an Kreuzungen rechtwinkelige Kreuzung im senkrechten
Abstande von 1 m bei Nieder–, von 2 m bei Hochspannungsleitungen. Letztere sollten
über den Schwachstromleitungen verlaufen und dann „bruchsicher“ gebaut sein,
sodaß Leitungsbruch oder Gestängeumsturz nicht möglich ist. Im anderen Falle sind
geerdete Schutznetze zu spannen. Eine Konstruktion zur bruchsicheren Ueberführung
von Starkstromleitungen über Reichstelegraphenleitungen gibt Hermann Pohl an. E.T.Z. 1909, S. 654.)
(Fortsetzung folgt.)