Titel: | Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen. |
Autor: | Otto Arendt |
Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 631 |
Download: | XML |
Neuerungen im Telegraphen- und
Fernsprechwesen.
Von Otto Arendt, Kaiserl.
Telegrapheningenieur.
(Fortsetzung von S. 617 d. Bd.)
Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen.
Unterirdische
Leitungsführung.
Seit der 1881 beendeten Verlegung des großen unterirdischen Telegraphennetzes,
welches Berlin mit den wichtigeren Plätzen des Reiches verbindet, ist die damals
angenommene Konstruktion für Telegraphenkabel von größerer Ausdehnung lange Zeit
vorbildlich gewesen. Jene Kabel befinden sich noch heute durchweg in gutem Zustande.
Der Leiter, eine Kupferlitze aus sieben verseilten Drähten zu je 0,7 mm , ist
mit einer 1,5 mm starken Guttaperchaschicht umpreßt; der Durchmesser der fertigen
Ader beträgt rund 5,2 mm. Drei, vier oder sieben solcher Adern werden unter Beigabe
von Juteschnüren zur Ausfüllung der Hohlräume miteinander zu einem Strang
verseilt, der mehrfach mit geteerter Jute umwickelt wird und eine Bewehrung aus 20
verzinkten, 4 mm starken Eisendrähten und darüber noch eine Umspinnung mit
asphaltierter Jute erhält. Für Zählzwecke wird die erste Ader durch einen, die
zweite durch zwei in der Längsrichtung verlaufende Wülste in der Guttaperchahülle
gekennzeichnet. Der Kupferwiderstand der Ader soll höchstens 7 Ohm, der
Isolationswiderstand mindestens 500 Megohm und die Ladungskapazität nicht mehr als
0,24 Mikrofarad auf 1 km bei 15° C betragen. Gute Guttapercha besitzt wegen ihres unvermeidlichen
Feuchtigkeitgehalts nur einen mittleren Isolationswert. Er wird für die angegebenen
Abmessungen aber immer noch die Vertragsforderungen erheblich übersteigen und etwa
2000 Megohm für 1 km ausmachen. Wesentlich höhere Werte anzustreben hat wenig Zweck,
denn sie sind nur durch Zusatz von Harzen zu erreichen, welche die Beständigkeit des
Materials wesentlich beeinträchtigen.
Textabbildung Bd. 324, S. 632
Fig. 12.
Neben der Guttapercha kommt Juteumspinnung mit Manilapapier umwickelt oder der sog.
Faserstoff als Isolationsmittel zur Verwendung, ein Präparat aus Pflanzenfasern, die
gehörig ausgedörrt sind, dann gepreßt und mit Oel und Harzen behandelt werden. Gut
getrockneter Faserstoff besitzt sehr hohen Isolationswiderstand; die Isolierhülle
kann daher dünner gehalten werden, was für die Konstruktion vieladriger Kabel
besonders wertvoll ist. Infolge der hygroskopischen Eigenschaften aller
Pflanzenfaser jedoch ist auch der Faserstoff trotz der Tränkung empfindlich gegen
Feuchtigkeit und bedarf deshalb des Schutzes durch einen Bleimantel. Als Leiter
dienen 1,5 mm starke Kupferdrähte von höchstens 9,6 Ohm Widerstand für 1 km bei 15°
C. Es werden 4, 7, 14, 28, 56 oder 112 Adern zu einem Kabel verfeilt, gemeinsam mit
Band umwickelt und von einem oder zwei Bleimänteln (mit 3 v.H. Zinnzusatz) von 1,5
bis 3 mm Stärke umgeben und nach Umspinnung mit Hanf oder Jute mit einer Bewehrung
aus verzinkten Flacheisendrähten von trapezförmigem Querschnitt versehen.
Faserstoflkabel kommen zur Verwendung, wo die oberirdische Führung der
Telegraphenleitungen auf kurze Strecken nicht möglich ist. Sofern sie nicht in
Röhren eingezogen, sondern unmittelbar in die Erde gelegt werden, erhält die
Panzerung noch einen Rostschutz durch eine Juteumspinnung mit Asphalttränkung.
Fernsprechkabel werden z. Zt. vorwiegend mit Papier
isoliert. Um die Kupferdrähte (für Teilnehmeranschlußleitungen meist 0,7–0,9 mm
) werden 8 bis 25 mm breite, 0,06–0,25 mm dicke Bänder aus Manila-Papier von
etwa 3 kg/qmm Zugfestigkeit entweder spiralig lose herumgewickelt oder in der
Längsrichtung röhrenförmig (rund gerollt oder dreikantig gefaltet) herumgelegt, so
daß der Draht von einem Luftraum umgeben ist, der für die Isolation und die
Ladungskapazität der Adern ausschlaggebend ist. Bis zu 1000 Adern werden zu einem
Kabel verseilt. Der Vorzug der Papierkabel gerade für Fernsprechzwecke ist ihre
geringe Ladungskapizität gegenüber den mit Faserstoff, Gummi oder Guttapercha
isolierten Kabeln, ein Nachteil, ihre Empfindlichkeit gegen Feuchtigkeit, die
ihre in trockenem Zustande hohe Isolation schnell zerstört. Aus diesem Grunde
erhalten die Kabel einen wasserdichten Bleimantel, der noch mit einer Juteumspinnung
und einer offenen oder geschlossenen Panzerung von Eisendrähten umgeben wird, wenn
die Kabel zu mehreren in ein Rohr eingezogen werden; für Erdkabel wird die
Eisenpanzerung noch durch asphaltierte Jute geschützt. Fig. 12 zeigt den Querschnitt eines deutschen Fernsprechkabels der Firma
Dr. Cassirer & Co., Kabel- und Gummiwerke in
Charlottenburg. Aus Fig. 13 ist die Konstruktion
eines Kabels mit geschlossener, aus Fig. 14
diejenige eines Kabels mit offener Panzerung zu erkennen. Der Höchstwiderstand der
Papierkabel soll für 1 km bei 15° C betragen: Für Adern von 0,7 mm 48 Ohm,
von 0,8 mm 37 Ohm und von 0,9 mm 27 Ohm; der Isolationswiderstand mindestens 500
Megohm, die Ladungskapazität nicht über 0,04 Mikrofarad (gegen 0,24 Mf für
Guttaperchakabel). Bemerkenswert ist ein in jüngster Zeit von der Firma Dr. Cassirer & Co. für eine schwedische Gesellschaft
geliefertes Kabel, dessen Leiter nur 0,4 mm stark sind. Die Kabel sind in Stärken
bis zu 2000 Adern (1000 Leitungspaaren) hergestellt. Sie haben 137 Ohm
Kupferwiderstand, 20000 Megohm Isolationswiderstand und 0,05 Mikrofarad Kapazität
für 1 km ergeben. Der Querschnitt einer Ader mit Papierhülle besitzt eine Fläche von
2,12 qmm, der Kabelkern für das 1000paarige Kabel 4240 qmm; das Gewicht von 1 m
desselben Kabels beträgt 12,8 kg, wovon 8,0 kg auf den Bleimantel, 3,5 kg auf die
Kupferleiter entfallen.
Textabbildung Bd. 324, S. 632
Fig. 13.
Textabbildung Bd. 324, S. 632
Fig. 14.
Die Stärke des Bleimantels nimmt mit der Zahl der Kabeladern zu. Zur Erhöhung der
Zugfestigkeit, die beim Einziehen der Kabel in Röhren beansprucht wird, erhält das
Blei einen Zusatz von Zinn meist 3 v.H. Um undichte Stellen im Bleimantel zu
ermitteln, erfolgt vor der Auslegung eine Prüfung mit Druckluft von 1,5 Atm. Während
die Enden des Bleimantels verlötet sind, wird an eine seitlich eingeschnittene
kleine Oeffnung eine Luftpumpe (mit Hand- oder Motorbetrieb) angeschlossen. Statt
ihrer verwendet man in Berlin Stahlflaschen mit Preßluft von 100 Atm., die in den
Kesselstationen der Rohrpostanlage gefüllt und durch Drosselventile in die Kabel mit
dem gewünschten Ueberdruck entleert werden. Auch zum Austrocknen feucht gewordener
Kabel wird trockene, möglichst angewärmte Luft durch die Kabel geblasen.
Die Art der Verseilung der Kabeladern bei der Fabrikation ist wegen der möglichen
induktorischen Beeinflussung der Nachbaradern untereinander und mit Rücksicht auf
die Einheitlichkeit der elektrischen Konstanten für alle Adern nicht gleichgültig.
Zumeist werden um ein untereinander verdrilltes Adernpaar die übrigen Adern in konzentrischen
Lagen herumgewickelt, jede folgende Lage jedoch mit entgegengesetztem Drall wie die
vorhergehende. Die Drallänge soll dabei in den einzelnen Lagen von innen nach außen
zu immer größer werden, um die Unterschiede an Drahtlänge (maßgebend für den
Kupferwiderstand und die Kapazität) auszugleichen, die sonst dadurch entstehen
würden, daß die äußeren Lagen auf einen immer dickeren Kern gewickelt werden müssen.
Die gegenseitige Induktion der Adern wird dadurch vermieden oder vermindert, daß man
die diametral einander gegenüberliegenden Drähte jeder Lage zu einer Schleife als
Hin- und Rückleitung vereinigt. Wirksamer ist es und zugleich für die Auffindung der
zusammengehörigen Drähte am Kabelende oder an Lötstellen bequemer, die Hin- und
Rückleitung für jedes Adernpaar untereinander zu verdrillen und diese Paare dann in
der angegebenen Weise zu verseilen. Dabei läßt es sich aber auch nicht unbedingt
vermeiden, daß zwei Drähte aus nebeneinander liegenden Paaren auf lange Strecken
genau parallel zueinander verlaufen und sich beeinflussen. Um dies zu verhüten, hat
man die Drallängen der einzelnen Paare in kurzen Zwischenräumen immer wieder
geändert, oder, wie das Kabelwerk Rheydt, die Drallänge
für jedes Adernpaar zwar konstant gehalten, allen Adernpaaren untereinander aber
möglichst verschiedene Drallängen gegeben. A. Liedtke
sucht die Induktion zwischen benachbarten Adern derselben konzentrischen Lage durch
Kreuzung der Hin- und Rückleitung – wie oben für oberirdische Leitungen angegeben –
und die Induktion auf benachbarte Lagen durch Verdrillung zu beseitigen. (Näheres s.
Bl. f. Post und Telegraphie 1905, S. 34, 373 und 1908 S. 106.)
Textabbildung Bd. 324, S. 633
Fig. 15. Verbindungsmuffe für mehradrige Fernsprechkabel der Allgemeinen
Elektrizitäts-Gesellschaft.
In neuerer Zeit werden auch Kabel mit Papierisolation auch für Telegraphenleitungen
verwendet. Infolge ihrer geringen Ladungskapazität (etwa ⅙ derjenigen der
Guttaperchakabel) gegenüber den älteren Typen versprechen sie eine erhebliche
Verbesserung des Telegraphenbetriebes in langen Kabeln, der unter den Einwirkungen
der Kapazität der Kabel leidet, wie weiter unten besprochen wird. In Deutschland
verlegte Versuchskabel besitzen 1,5 mm starke Leiter. Die Adern haben z.T. über der
Papierhülle noch einen Induktionsschutz in Gestalt einer Stanniol- oder
Kupferbandumwicklung erhalten. In England sind jüngst Telegraphenkabel mit
Papierisolation verlegt worden mit Einzeladern für den gewöhnlichen
Telegraphenbetrieb und mit verdrillten Doppeladern für Schnelltelegraphen, die dort
auf größere Entfernungen mit metallischer Rückleitung betrieben werden (im Gegensatz
z.B. zu Deutschland). Ein Kabel Birmingham–Warrington enthält z.B. ein Adernpaar in
der Mitte, das von 3 Lagen zu 6, 12 und 18 Paaren umgeben ist. Die hierauf folgende
äußerste Lage enthält 29 Einzeladern, deren jede zur Verhütung von
Induktionswirkungen mit einem 0,076 mm starken, mit dem Bleimantel leitend
verbundenen Kupferband umwickelt ist. Für ein Kabel Warrington Glasgow sind nach der
Anordnung von F. Tremain zwei Adern zu einem Paar, zwei
solcher Paare zu einem vieradrigen Strang und zwei solcher Stränge zu einem
achtadrigen Kabel verseilt. Diese Wicklungsart bringt den weiteren Vorteil mit sich,
daß für den Fall der Parallelschaltung von zwei Adernpaaren die kombinierte
Kapazität geringer ist als bei parallel geschalteten Adern eines gewöhnlichen
Kabels. Tremain hat ferner folgende Konstruktion eines
42-paarigen Kabels angegeben: Vier verdrillte Adernpaare werden um einen Jutestrang,
vier solcher Gruppen zugleich mit vier einzelnen Paaren um eine fünfte Ader als
Mitte verseilt, indem man zugleich zur Ausfüllung von Lücken noch einzelne
Adernpaare geringeren Durchmessers einlaufen lassen kann. Der Drall der einzelnen
Gruppen untereinander wie der Adernpaare innerhalb der Gruppen ist verschieden. Mit
Kupferband umwickelte Einzeladern bilden die äußerste Lage.
Textabbildung Bd. 324, S. 633
Fig. 16. Verteilungsmuffe mit vierfacher Verzweigung für mehradrige
Fernsprechkabel der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft.
Die österreichische Telegraphenverwaltung hat jüngst papierisolierte Telegraphenkabel
(auf 8400 m im Karawankentunnel) in Betrieb genommen, deren Adern einzeln mit
Stanniol umwickelt sind, das mit dem Bleimantel in Verbindung steht. Die Induktion
auf benachbarte Adern ist nach den in „Elektrotechnik und Maschinenbau“ 1908,
S. 401 u. 423 mitgeteilten Versuchen zu vernachlässigen, während sie bei den älteren
sog. Gespinnstkabeln (Jute-Isolation mit Papierumwicklung ohne Stanniol) erheblich
gestört hat.
Um die für den Fernsprechbetrieb so überaus störende Ladungskapazität zu vermindern,
hat A. Hultmann mit sehr gutem Erfolg in Schweden Kabel
verlegen lassen, deren Adern aus blankem Draht bestehen, die durch isolierende
durchlöcherte Scheiben in Abständen von etwa 17 mm auseinandergehalten werden. Die
Kapazität beträgt für 1 km rd. 0,01 Mikrofarad.
Speißstellen werden in den Papierkabeln hergestellt, indem die blanken Enden der zu
verbindenden Adern miteinander verwürgt oder durch eine mit der Zange
zusammengepreßte Kupferhülse verbunden werden. Eine vorher aufgeschobene, mit der
Nummer der Ader bedruckte Papierhülse wird über die blanke Stelle gebracht. Die ganze
Speißstelle wird von Muffen umgeben und zwar bei eisenbewehrten Kabeln von eisernen
Muffen, bei unbewehrten Kabeln von Bleimuffen. Da die eiserne Bewehrung einen
wasserdichten Abschluß der eisernen Muffe durch Lötung erschwert, wird die Muffe mit
Isoliermasse ausgegossen. Das ist bei Bleimuffen nicht notwendig, weil sie mit dem
Bleimantel leicht verlötet werden können. Beim Ausprüfen ausgelegter Kabel mit
Preßluft oder beim Trocknen feuchter Kabel braucht eine nicht ausgegossene
Speißstelle nicht geöffnet zu werden, weil sie den Durchtritt der Luft nicht
hindert. Die Lötmuffen der oben erwähnten englischen Kabel sind mit Ventilen und
Lufthähnen zum Anschluß der Preßluftapparate versehen. Die Fig. 15 zeigt eine von der A.E.G. in Berlin
hergestellte Lötmuffe mit der Speißstelle eines Papierfernsprechkabels, Fig. 16 eine Lötmuffe, wie sie zur Aufteilung eines
vieladrigen Kabels in mehrere Kabel geringerer Adernzahl benutzt wird. Im Deckel
befinden sich durch Schrauben verschließbare Oeffnungen zur Einfüllung der
Isoliermasse.
Zum Abschluß der Kabel mit Faserstoff- oder Papierisolierung an den
Verbindungsstellen mit oberirdischen Leitungen oder bei der Einführung in die
Betriebsräume dienen die sog. wetterbeständigen Kabel, deren verzinnte Kupferadern
mit Gummi oder Okonit isoliert und mit Isolierband umwickelt sind. Die Herstellung
der Gummiader erfolgt zum Teil in der Schlauchmaschine, in welcher der Draht durch
eine Düse geführt wird, in die zugleich erwärmte Gummimasse gepreßt wird. Diese
Maschine liefert jedoch meist minderwertige Ware, denn sie schließt nicht aus, daß
der Draht in der Gummihülle eine exzentrische Lage erhält, und verlangt vor allem
die Verwendung eines plastischen Isoliermaterials, was Mischungen von geringem
Gummigehalt, also auch von geringerer Isolierfähigkeit und Beständigkeit
voraussetzt. Eine gute Isolation wird mit dünnen Gummibändern erzielt, die entweder
spiralig oder in der Längsrichtung um die Drähte gelegt werden. Die letztere
Herstellungsweise liefert die besten Ergebnisse. Eine größere Anzahl im Feuer
verzinnter Kupferdrähte (bis zu 24 Stück) durchläuft parallel zueinander in geringem
Abstande, oben und unten durch ein Gummiband bedeckt, ein Paar Messerwalzen, welche
das Gummiband fest gegen den Draht drücken und gleichzeitig rechts und links von ihm
den Gummi ganz knapp und scharf abschneiden. Der Gummi muß so rein sein, daß die
beiden Bänder an den Schnittflächen fest zusammenkleben und bei der späteren
Vulkanisierung sich vollkommen dicht vereinigen. Durch mehrere hintereinander
liegende Walzen erhalten die Drähte 2 oder 3 Gummiüberzüge. Wird für die erste Lage
reiner Paragummi verwendet, der die größte Isolierfähigkeit besitzt, für die äußeren
Lagen gute Mischungen, die gegen Feuchtigkeit weniger empfindlich sind, so wird ein
vorzügliches Material erzielt. Leider ist die Kontrolle nach beendeter Fabrikation
außerordentlich schwierig.
(Fortsetzung folgt.)