Titel: Die Westinghouse-Leblanc-Luftpumpe.
Autor: Carl Züblin
Fundstelle: Band 325, Jahrgang 1910, S. 101
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Die Westinghouse-Leblanc-Luftpumpe. Von Dipl.-Ing. Carl Züblin. Die Westinghouse-Leblanc-Luftpumpe. Die hin- und hergehenden Kolbenpumpen haben bei sorgfältiger Ausführung und Wartung den steigenden Anforderungen an ein hohes Vakuum recht gut entsprochen. Bei ihnen kann allerdings der Einwurf erhoben werden, daß Betriebsstörungen durch undichte Kolben, Ventile, Steuerungsorgane, durch Verschleiß nicht ausgeschlossen sind, fernerhin, daß die Vorteile einer rasch laufenden und rotierenden Pumpe durch andere Vorteile der Kolbenpumpen nicht aufgewogen werden, sofern erstere dieselbe Leistung und denselben Wirkungsgrad aufweist. In diesem Fall wird eine rotierende Pumpe sogar überlegen sein, da sie schon konstruktiv betriebssicherer ausgestattet und auch in der Werkstatt leichter und billiger herzustellen sein wird. Es erscheint daher allgemein natürlich, daß die Praxis auch auf diesem Gebiete immer mehr dem rotierenden Motor zuneigt. Textabbildung Bd. 325, S. 101 Fig. 1. Rotierende Luftpumpe Patent Westinghouse-Leblanc. a Leblanc-Pumpe. – b Elektromotor. – c Lufteintritt vom Kondensator. – d Zusatzwasserleitung. – e Ueberlauf. – f Ausguß der Leblanc-Pumpe. – g Arbeitswasser. Die Einführung der rotierenden Luftpumpe war für den Ausbau der Kondensations-Anlagen von großer Bedeutung. Ihre Erfolge vermochten sie rasch in der Industrie einzuführen. Der Bau solcher Pumpen wurde zuerst von Professor Leblanc in Paris aufgenommen, welcher gemeinsam mit Westinghouse vor 2½ Jahren mit einer praktischen Ausführung zum erstenmal hervortrat. Später hat die Firma Balcke, Bochum das Ausführungsrecht für Deutschland erworben. Textabbildung Bd. 325, S. 101 Fig. 2. Elektrisch betriebene Westinghouse-Leblanc-Pumpe. Die Wirkungsweise der Westinghouse-Leblanc-Pumpe geschieht nach dem Prinzip der Arbeitsunterteilung. Das zugeführte Wasser wird nämlich durch einen festen Leitapparat in ein rotierendes Schaufelrad eingelassen (s. Fig. 1). Das Letztere schleudert die zwischen den Schaufeln befindlichen Wasserscheiben mit grosser Geschwindigkeit durch eine Düse. Es entsteht dadurch in dem Düsenapparat ein Vakuum, infolgedessen die Luft nachstürzt und von den Wasserscheiben erfaßt und durch die Düse entfernt wird. Hier sei besonders hervorgehoben, daß durch diese Unterteilung des Wasserstrahles eine, weit kräftigere Wirkung hervorgebracht wird, als wenn ein geschlossener Wasserstrahl benutzt wird, wie dies z.B. bei Wasserstrahlluftsaugern geschieht. Die Förderung des Wassers durch eine Zentrifugalpumpe hat für die Wirkung der Wasserstrahlluftsauger keine Bedeutung, es könnte ebensogut denselben das Wasser durch eine Kolbenpumpe zugeführt werden. Es wird damit gemeint, daß die Kombination einer „rotierenden“ Wasserpumpe mit irgend einem Luftsaugeapparat nicht der Leblanc-Pumpe gegenübergestellt werden kann. Wirkungsweise und Effekt sind beidemal ganz andere. Die bekannten Luftsaugeapparate sind für größere Kondensationsanlagen zu wenig leistungsfähig und bezüglich der Höhe des Vakuums an bestimmte Grenzen gebunden. Vergleichsversuche haben festgestellt, daß die Westinghouse-Leblanc-Pumpe mit der gleichen Wassermenge und dem gleichen Kraftbedarf 10 bis 15 mal so viel Luft wegschafft als ein Wasserstrahl-Luftsaugeapparat. Es wird auch ferner nicht dasselbe erzielt, wenn der Luftsaugeapparat durch eine besondere kleinere Kreiselpumpe oder durch die Kühlwasserpumpe bedient wird. Im Gegenteil, denn im letzteren Fall muß die ganze Kühlwassermenge durch den Wasserstrahlapparat hindurch. Zudem muß, um die Saugwirkung zu erzielen, die ganze Wassermenge auf eine unnötig große Geschwindigkeit gebracht werden, während dies nur für eine kleine Wassermenge nötig wäre. Dadurch wird nicht blos viel Kraft vergeudet, sondern es arbeiten auch die Düsen unvorteilhaft, vor allem, wenn sie bei Rückkühlung noch gegen eine beträchtliche Druckhöhe des Kühlwassers arbeiten müssen. Aus der erläuterten Wirkungsweise geht deutlich hervor, daß die Westinghouse-Leblanc-Pumpe mit anderen, dem gleichen Zweck dienenden Apparaten nicht verwechselt werden kann, auch andere Apparate als eine solche nicht bezeichnet werden dürfen. Ferner soll noch besonders darauf hingewiesen werden, daß die Leblanc-Pumpe nur die Luft aus dem Kondensator zu schaffen hat. Für die Entfernung des Kondenswassers muß eine besondere Pumpe aufgestellt werden. Vor Inbetriebsetzung der Dampfmaschine oder Dampfturbine ist es nötig, die Leblanc-Pumpe allein anzulassen. Es findet dann die Maschine bereits ein gewisses Vakuum im Kondensator vor. Das Anlassen erfolg mittelst eines Dampfstrahles durch den in Fig. 1 und 2 ersichtlichen kleinen Seitenstutzen. Der Dampf evaktuiert erst die Pumpe, worauf das Arbeitswasser sofort nachfließt und dieselbe füllt. Der Antriebsmotor der Pumpe wird dann in Gang gesetzt und die Dampfleitung abgesperrt, sobald ein genügendes Vakuum abgelesen wird. Will man die Hilfsdampfleitung vermeiden, dann füllt man die Pumpe durch einen besonderen Druckwasseranschluß, was ebenfalls sehr rasch vor sich geht, denn der Saugestutzen des Arbeitswassers wird durch ein Fußventil abgeschlossen. Die Zeit zum Anlassen beträgt nur wenige Sekunden. Textabbildung Bd. 325, S. 102 Fig. 3. Anlage der Westinghouse-Leblanc-Pumpen für das Elektrizitätswerk Neuß. Die ausgeführten Kondensations-Anlagen, welche an Westinghouse-Leblanc-Pumpen angeschlossen sind, zeigen ohne Ausnahme den günstigen Wirkungsgrad derselben. Es mögen nachstehend die offiziellen Messungen solcher Anlagen mitgeteilt werden; aus ihnen lassen sich weitere Daten entnehmen. Der Kesselrevisions-Verein hat die Anlage in Neuß für das Elektrizitätswerk untersucht, dieselbe besteht aus zwei Turbinen-Kondensationen von je 1500 KW. Normalleistung. Die Dampfturbinen wurden von Bergmann geliefert. Eine Ansicht der beiden elektrisch betriebenen Westinghouse-Leblanc-Pumpen zeigt Fig. 3. Von den Versuchen, die am 16. bis 18. Juni 1909 stattfanden, sind folgende Ablesungen herausgegriffen: ¾ Belastung Normalbelastung Leistung der Dampfturbine KW. 1125 1125 1500 1500 Stündliche Dampfmenge kg 7211 9195 Barometerstand mm   764   764 Luftleere im Luftsaugerohr mm   742   742   738   737 Luftleere am Kondensatorstutzen mm   741   742   737   737 Luftleere am Turbinenstutzen mm   737   737   732   732 Luftleere am Kondensatorstutzen v. H.     97     97       96,6       96,6 Druckunterschied zwischen Luftsaugerohr und Turbinenstutzen mm       5       5       6       5 Kühlwassermenge cbm/Std.   515   485 Sättigungstemperatur des Dampfes am Kondensatorstutzen C       24,5       23,9       27,3       27,3 Kühlwassertemperatur-Eintritt       15,2       15,5       15,8       15,9 Kühlwassertemperatur-Austritt       23,5       23,2       26,8       26,5 Temperatur der abgesaugten Luft       20,8       20,8     27       26,5 Temperatur des Kondensats     21     21       28,2     28 Kühlwasserverbrauch im Mittel pro kg Dampf l         71,3     53,9 Kühlwasserverbrauch des idealen Kondensators l         67,2     47,2 Erwärmung des Kühlwassers um °C         8,3         7,7     11       10,6 Temperaturunterschied zwischen gesättigtem Dampf u. warmem Kühlwasser 1         0,7         0,5         0,8 Wirklicher Kühlwasserverbrauch: Verbrauch des idealen Kondensators           1,06       1,14 Kraftverbrauch der Luft- und Kondensatpumpe KW.             18   18,5 Der Verlust an Vakuum durch den Widerstand des Kondensators, d.h. die Differenz zwischen der Luftleere in der Luftpumpe und im Turbinenstutzen, ist in Neuß außerordentlich gering, rund ¾ v. H. Ebenso gering ist auch der Temperaturunterschied zwischen gesättigtem Dampf im Turbinen-Auspuffstutzen und dem warmen Kühlwasser. Aus allen Werten ergibt sich ein Mittel von 0,8° C. Nicht minder wichtig ist auch das oben angegebene Verhältnis zwischen dem wirklichen Kühlwasserverbrauch und dem idealen Verbrauch des Kondensators. Von diesem Verhältnis aus kann man auf die Güte des Kondensators schließen, die, wie die Zahlen angeben, in Neuß als sehr günstig zu bezeichnen ist. (Schluß folgt.)