Titel: Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen.
Autor: Otto Arendt
Fundstelle: Band 325, Jahrgang 1910, S. 424
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Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen. Von Otto Arendt, Kaiserl. Telegrapheningenieur. (Fortsetzung von S. 393 d. Bd.) Neuerungen im Telegraphen- und Fernsprechwesen. Die gleichzeitige Beförderung mehrerer Telegramme in beliebiger Richtung auf einem Draht ermöglicht z.B. die Verwendung von Wechselströmen verschiedener Periodenzahl mit Empfangsapparaten, welche auf die Periodenzahl des für sie bestimmten Wechselstromes derartig abgestimmt sind, daß sie auf andere Ströme nicht ansprechen. Aus Fig. 22 ist die Einrichtung des hiernach eingerichteten Telegraphensystems von Mercadier zu ersehen. G, A und E sind Stimmgabeln, die z.B. auf die Töne g, a und e abgestimmt sind. Ueber die an den Zinken der Stimmgabeln angebrachten Federn f und die Kontaktscheiben k erhält der Elektromagnet jedesmal Strom aus der Batterie B, wenn eine Feder f eine Scheibe k berührt. Die einmal angestoßene Stimmgabel wird hierdurch dauernd in Schwingungen erhalten. Dabei wird der Kondensator C im Rythmus mit den Schwingungen unaufhörlich geladen und entladen. Die Ladung erfolgt über die Primärwicklung P eines Transformators, in dessen sekundärer Spule S durch Induktion eine Wechselspannung entsteht, deren Periode mit der Schwingungszahl der Stimmgabel übereinstimmt. Je nachdem eine oder mehrere der Tasten Tg, Ta oder Te gedrückt werden, fließen daher Wechselströme verschiedener Periodenzahl durch die primäre Wicklung des dreiteiligen Transformators I, des Sendetransformators. Textabbildung Bd. 325, S. 424 Fig. 22. In beiden sekundären Wicklungen entstehen Wechselströme von gleicher Periodenzahl mit dem primären Strom. Aus der Spule s2 fließt der Strom über die sekundäre Spule s3 des Transformators II in die Fernleitung, eine Doppelleitung mit metallischer Rückleitung; aus der Spule s2 geht der Strom über s4 in eine künstliche Leitung. Diese ist in Bezug auf ihren Widerstand mit der natürlichen Leitung in genaue Uebereinstimmung gebracht worden, damit die durch s3 und s4 fließenden, aus dem Sendetransformator kommenden Ströme genau gleich stark sind. Die Kapazität der künstlichen Leitung ist derart abgeglichen, daß der Strom in s4 hinter demjenigen in s4 um eine halbe Periode zurückbleibt. Hierdurch wird erreicht, daß die abgehenden Ströme auf die Primärwicklung des Transformators II ohne Wirkung bleiben. II ist nämlich der Empfangstransformator, an dessen Primärwicklung die Empfangsapparate angeschlossen sind. Während also der abgehende Strom die Empfänger des eigenen Amtes nicht betätigt, erzeugt der aus der Fernleitung ankommende Strom, weil er nur die Wicklung s3 durchfließt, nicht auch s4 in der Primärwicklung des Empfangstransformators einen Strom, der zu den Empfängern e, a und g geleitet wird. Diese Empfänger sind phonische Relais, und zwar „Monotelephone“, wie sie Mercadier nennt, d.h. Telephone, die nur auf Strom von einer bestimmten Periodenzahl ansprechen. Dies wird dadurch erreicht, daß der Membran m, die von dem durch den darunter sichtbaren Elektromagneten fließenden Strom in Schwingungen versetzt wird, eine bestimmte Eigenschwingungszahl erteilt wird, Die Membran ist durch drei Stifte (von denen einer gezeichnet ist), die in der ersten Schwingungsknotenlinie liegen, festgelegt. Die Stifte sitzen auf einem Schlitten, mittels dessen sie verschoben werden können. Hierdurch erfolgt die Abstimmung der Eigenschwingungen der Membrane auf den gewünschten Ton. Sind so die Membranen der gezeichneten Empfänger auf die Töne g, a und e abgestimmt, so sprechen sie nur auf Ströme an, die von Stimmgabelunterbrechern mit der übereinstimmenden Periodenzahl herrühren. Langen gleichzeitig mehrere Wechselströme verschiedener Perioden ein, so betätigt jeder nur den einen, seiner Periodenzahl entsprechenden Empfänger. Auf der Membran des Monotelephons ruht der Hebel h, dessen Druck gegen m durch das Gegengewicht i geregelt wird. Ueber den Kontakt zwischen h und m erhält die eine Wicklung des Differentialrelais R Strom, dessen zweite Wicklung unmittelbar an die Batterie angeschlossen ist. Wird der Kontakt infolge der Schwingungen der Membran gelockert, so überwiegt der Strom in der anderen Relaiswicklung, legt den Relaishebel um und betätigt mit Hilfe einer Ortsbatterie einen Morse-, Klopfer- oder Hughes-Apparat. Auch kann das Monotelephon bei passender Anordnung unmittelbar als Empfänger benutzt werden, um die ankommenden Zeichen abzuhören. Theoretisch läßt sich hiernach die Ausnutzung einer Leitung sehr hoch steigern. In der Praxis werden Grenzen durch die Abstimmfähigkeit der schwingenden Körper gesetzt. Bei Versuchen auf einer Doppelleitung zwischen Paris und Havre konnten fünf Paar Hughes-Apparate mit guter Verständigung miteinander arbeiten. Außer in den Aemtern an den Enden der Leitung gestattet das Mercadietsche System an beliebigen Unterwegsstationen Telegraphenapparate an die Leitung anzuschließen. Ein mit Wechselstrom arbeitender Vielfachtelegraph, z. T. auch Maschinentelegraph ist derjenige von Rowland. In Fig. 23 ist die Schaltung schematisch dargestellt. S ist eine nur halb gezeichnete, aus mehreren unterteilten Metallringen bestehende Kontaktscheibe, auf welcher die starr miteinander verbundenen Hebel H1 bis H5 schleifen, die – in der Zeichnung getrennt voneinander dargestellt – alle übereinander liegend zu denken sind. Die Scheibe ist in vier Sektoren geteilt, von denen jeder mit einem Apparatsystem und für die Dauer einer viertel Umdrehung – wie beim Baudot-Apparat – mit der Leitung verbunden ist. Die gerade und die ungerade bezifferten Kontaktstücke des Ringes I sind je untereinander und über die Leitungen l1 und l2 mit dem Anfang und dem Ende der primären Wicklung des Transformators T verbunden, deren Mitte am negativen Pol einer Batterie liegt. Während der mit dem positiven Pol der Batterie verbundene Hebel H1 den Ring I bestreicht, erhält die primäre Wicklung des Transformators den positiven Strom abwechselnd von dem einen und dem anderen Ende her. Der hierdurch in der sekundären Wicklung erzeugte Wechselstrom gelangt über das Senderelais Rs in die Leitung, vor welcher, um die Benutzung der Leitung zum Gegensprechen zu ermöglichen, das mit einer künstlichen Leitung L' verbundene differential gewickelte Empfangsrelais Re liegt. Textabbildung Bd. 325, S. 425 Fig. 23. Solange H1 über ein gewisses Kontaktstück gleitet, möge z.B. eine positive Halbwelle über den Ruhekontakt des Relais Rs in die Leitung gelangen. Würde in diesem Augenblick der Relaishebel gegen den Arbeitskontakt a umgelegt, so würde, da die sekundäre Transformatorwicklung in der Mitte geerdet ist, die Leitung einen Strom entgegengesetzter Richtung erhalten. Die so gegebene Möglichkeit, innerhalb einzelner Halbwellen die Richtung des Stromes dadurch umzukehren, daß die Zunge des Relais Rs in dem Augenblick umgelegt wird, in welchem der Hebel H1 zu einem neuen Kontaktstück übergeht, wird zur Erzeugung der Zeichen am empfangenden Ende benutzt. Um ein Zeichen darzustellen, werden elf Halbwellen mit Hilfe von elf Kontaktstücken in jedem Quadranten des Ringes I entsendet, die im Ruhezustand alle über den Kontakt r in die Leitung gelangen und deshalb regelmäßig ihr Vorzeichen wechseln. Für jedes abzugebende Zeichen ist nun eine Taste Ta vorhanden mit zwei Arbeitskontakten, die beim Druck auf die Taste mit dem negativen Batteriepol verbunden werden. Durch die Drähte in dem Kabel K1 sind die Kontakte mit elf Kontaktstücken des zugehörigen Sektors im Ringe II verbunden und zwar für jede Taste in einer anderen Kombination. Während H2 die beiden mit der niedergedrückten Taste verbundenen Kontaktstücke berührt, fließt ein Strom über den Widerstand W2 durch einen Schenkel des Relais Rs. Da W2 kleiner als W1 ist, überwiegt dieser Strom den über W1 durch den anderen Relaisschenkel fließenden Dauerstrom und legt die Relaiszunge gegen a und zwar so lange, bis H2 das gerade berührte Kontaktstück des Ringes II verläßt, was zur selben Zeit geschieht, wo auch H1 auf das nächste Kontaktstück des Ringes I übergeht, also eine Halb welle des aus T fließenden Wechselstromes beendet ist. So werden durch den Druck auf eine Taste Ta zwei von den elf entsandten Wechselstrom-Halbwellen in ihrer Richtung umgekehrt, so daß der im Ruhezustand nach Fig. 24a in die Leitung fließende Strom z.B. die Form nach Fig. 24b annimmt, indem die zweite und die neunte Halbwelle umgekehrt sind. Textabbildung Bd. 325, S. 426 Fig. 24a. Textabbildung Bd. 325, S. 426 Fig. 24b. Beim Empfangsamt durchfließt der ankommende Wechselstrom das Empfangsrelais Rc und legt dessen Zunge dauernd abwechselnd nach links und nach rechts. Hierdurch wird aus dem stromdurchflossenen Widerstand R abwechselnd positiver und negativer Strom zum Hebel H3 abgezweigt. Die Kontaktscheiben S sind auf beiden Aemtern gleich, die Hebel laufen synchron. Von den Kontaktstücken des Ringes IV sind in jedem Quadranten elf nebeneinander liegende mit je einem Ortsrelais (O1 bis O11) verbunden, welche über H3 der Reihe nach Strom erhalten und zwar jedesmal den Strom einer Halbwelle, also das Relais O1 z.B. positiven, O2 negativen, O3 positiven Strom usw. Die polarisierten Ortsrelais sind so eingeschaltet, daß sie auf diese Ströme nicht ansprechen. Wird aber die regelmäßige Aufeinanderfolge der Stromhalbwellen mit wechselndem Vorzeichen durch den Druck auf eine Taste im fernen Amt derart gestört, daß die Halbwellen z.B. in der durch Fig. 24b gegebenen Reihenfolge ankommen, so bleiben die Relais nicht in Ruhe, sondern O2 und O9 legen ihren Hebel um. Da die Hebel aller Ortsrelais untereinander verbunden sind, erhalten beim Ansprechen von O2 und O9 auch die an deren Arbeitskontakten liegenden Leitungen Verbindung miteinander. Hierdurch wird in folgender Weise ein Ortsstromkreis für einen Typendrucker geschlossen. Die von den Arbeitskontakten der Relais O1 bis O11 ausgehenden Drähte sind in verschiedenen Kombinationen zu je zweien an die ihrer Größe nach verschiedenen Kontaktstücke der Ringe V und VI herangeführt. Der Hebel H4 verbindet die Ringe IV und V miteinander, sowie den Ring VI mit dem an seinen Drehpunkt angeschlossenen Minuspol der Batterie. Die Anordnung der Kontaktstücke, ihre Verbindung mit den Relaiskontakten und die Lage der Schleifhebel beim gebenden und beim nehmenden Amt zueinander ist so getroffen, daß die Relais O2 und O9 gerade zu der Zeit ansprechen, wo sich der Hebel H4 auf denjenigen Segmenten (x und y) der Ringe V und VI befindet, welche an die Arbeitskontakte der Relais angeschlossen und durch deren Hebel gerade miteinander verbunden sind. Hierdurch wird ein Stromweg geschlossen vom Minuspol der Batterie über H4 zum Segment x des Ringes VI, über die Hebel der Relais O2 und O9, das Segment y des Ringes V zum Ring IV und von diesem zum Druckrelais D, durch welches der Druckelektromagnet E betätigt wird. Mit den Kontakthebeln läuft synchron ein Typenrad, gegen das, ähnlich wie beim Hughes-Apparat, der Druckelektromagnet einen Papierstreifen oder ein Papierblatt schleudert und die gewünschte Type abdruckt. Die weiteren Kontakte des Ringes IV sowie am Druckrelais und am Druckelektromagneten noch vorhandenen Kontakte, die zweite Wicklung des Relais D, das Relais C und der Bewegungsmagnet B sind zur Bewegung des Papiers, zur Zurückführung der Relais in die Ruhelage und dergl. benutzt. Zur Aufrechterhaltung des Synchronismus der Gleithebel auf beiden Aemtern dient der am Hebel des Empfangsrelais angebrachte zweite Kontaktarm, der mit dem negativen Pol der Stromquelle verbunden ist, aus welcher der zum Antrieb der Gleithebel bestimmte Motor M gespeist wird. Die entsprechenden Relaiskontakte sind mit den gerade bezw. mit den ungerade bezifferten Segmenten des Ringes VII verbunden, über die sie durch den Hebel H6 an das Ende des vor dem Motoranker liegenden Widerstandes W geführt werden. Befindet sich der vom ankommenden Strom hin und her bewegte Hebel von Rc im selben Takt, in welchem der Hebel H6 über die Segmente des Ringes VII streicht, so wird der vor dem Motoranker liegende Widerstand W dauernd kurz geschlossen. Der Hebel H6 ist jedoch in der Phase gegen den Relaishebel derart verschoben, daß W immer gleiche Zeiträume lang kurz geschlossen und voll eingeschaltet ist. Der Motoranker erhält also einen Strom, dessen Stärke dem Mittel aus denjenigen Stromstärken ist, die mit Vorschaltung und mit Kurzschließung des Widerstandes IV den Anker durchfließen. Läuft der Motor und infolgedessen der mit ihm gekuppelte Hebel H6 langsamer als der Anker des Relais Re, so wird die Dauer der Kurzschließung des Widerstandes W kürzer. Der Motor erhält mehr Strom und wird selbsttätig zu schnellerem Lauf angetrieben. Entsprechend wird die Geschwindigkeit beim Voreilen des Motors geregelt. Textabbildung Bd. 325, S. 426 Fig. 25. Textabbildung Bd. 325, S. 426 Fig. 26. Auch Wechselstrom beliebiger Periodenzahl und Gleichstrom werden gleichzeitig auf einer Leitung zur Uebermittlung mehrerer Nachrichten benutzt, so zum gleichzeitigen Fernsprechen und TelegraphierenDie Schaltungen werden weiter unten angegeben werden., was zuerst van Ryßelberghe vorgeschlagen hat, als auch zum mehrfachen Telegraphieren. In Anlehnung an van Ryßelberghe gibt Picard die Schaltung in Fig. 25 an. Die Taste T entsendet, der Morse-Apperat M empfängt Gleichstrom. Durch den Kondensator K und die Selbstinduktion S wird der abgehende Gleichstrom so weit abgeflacht, daß er die Wechselstromapparate nicht betätigen kann. Dem ankommenden Gleichstrom ist der Weg zu dem Wechselstromempfänger durch den Kondensator K1 versperrt. Durch Niederdrücken der Taste T1 wird der Primärkreis des Induktoriums J erregt. Der im sekundären Kreis entstehende Wechselstrom findet über den Kondensator K1 einen Weg in die Leitung zum fernen Amt; der Weg zum Gleichstromapparat ist durch S versperrt, der Weg zum eigenen Wechselstromempfänger T während des Tastendruckes durch die Oeffnung des Ruhekontaktes der Taste abgeschnitten. Der ankommende Wechselstrom erreicht über K1 das phonische Relais F, da der Weg über S und J durch die Selbstinduktion dieser Apparate versperrt ist. An das phonische Relais ist ähnlich wie bei Mercadier ein Differentialrelais Rd angeschlossen, das den Morseapparat M1 steuert. Fig. 26 zeigt dieselbe Schaltung für den Betrieb mit Hughes-Apparaten. M ist der Hebel des Gleichstrom-Hughes-, H1 derjenige des Wechselstrom-Hughes-Apparates. Beim Geben wird der Sendehebel H1 für einen sehr kurzen Zeitraum gegen den über ihm liegenden Batteriekontakt geworfen; der hierbei entstehende Induktionsstrom, besonders der Oeffnungsstrom, überträgt das Zeichen in die Ferne. In Deutschland wird zurzeit eine auf dem Ryßelbergheschen Grundgedanken beruhende Art der Doppeltelegraphie im Betriebe erprobt (für Hughes- und Klopfer-Apparate), welche die Einschaltung des Differentialrelais entbehrlich macht und die Zeichen vom phonischen Relais unmittelbar auf den Empfangsapparat überträgt. (Fortsetzung folgt.)