Titel: | Hydraulische Kompressoren. |
Autor: | P. Bernstein |
Fundstelle: | Band 325, Jahrgang 1910, S. 613 |
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Hydraulische Kompressoren.
Nach einem auf dem V. Internationalen
Bergbaukongreß in Düsseldorf 1910 erstatteten
Referat.
Von Oberingenieur P. Bernstein,
Köln.
(Schluß von S. 602 d. Bd.)
Hydraulische Kompressoren.
Umfangreichere Anlagen als die oben beschriebenen hat der Verfasser während
seiner Studienreise im Jahre 1908 in Amerika und Kanada Gelegenheit gehabt zu
besichtigen. Von diesen seien kurz erwähnt:
Der hydraulische Luftkompressor in Ainsworth, British Columbia. Fig. 28 zeigt den übertägig verlaufenden Teil der
hölzernen Rohrleitung nebst Gerüst und Schutzgehäuse, in welchem der Luftsauger
gelagert ist. Die Wirkung des Ausblaserohres, dem ein Gemisch von Luft und Wasser
entströmt, ist in dem Bilde erkenntlich. Das Nutzgefälle beträgt 32 m und die
Kompressorleistung beläuft sich auf etwa 500 PS. Die Anlage versorgt die
benachbarten Gruben in Kootenay mit Druckluft.
Der hydraulische Luftkompressor der Dominion Cotton Mils
Company in Magog bei Quebec (Kanada). Fig.
29 zeigt die Eröffnungsfeier dieser Anlage. Bei einer mittleren
Wassermenge von 2,6 cbm/Sek. und einem Gefälle von 6,6 m beträgt die mittlere Kompressorleistung
160 PS. Die Preßluft von 3,5 at wird in das 150 m vom Kompressor entfernte
Fabrikgebäude geleitet und zum Betriebe von Luftmaschinen verwendet, die abwechselnd
bei geringem Wasserstand mit Dampf betrieben werden.
Eine bedeutende Anlage ist der hydraulische Luftkompressor der Victoria Copper Mining Company in Rockland (Mich.).
Dort wird eine Wasserkraft von 4000 PS mit einer Gefällhöhe von 22 m ausgenutzt. Die verfügbare Wassermenge von rd.
14-20 cbm wird auf drei Sauger verteilt, die Fallrohre sind in drei senkrechten
Schächten von rd. 102 m Tiefe und 1500 mm ⌀ einbetoniert. Sie münden in eine etwa 40
m lange, in den Felsen eingesprengte gemeinsame Abscheidekammer, von der das
Betriebswasser durch einen Steigschacht von 5 m ⌀ zum Untergraben abfließt. Die
Anordnung ist in Fig. 30 veranschaulicht.
Textabbildung Bd. 325, S. 612
Fig. 28.
Außer der Einstellvorrichtung von Hand mittels Schraubenspindel sind die Luftsauger
mit einer selbsttätigen Vorrichtung zum Regeln der angesaugten Luftmenge wie auch
der Betriebswassermenge versehen. Der teleskopartig heb- und senkbare
Einlauftrichter mit den Luftröhren ist als Schwimmkörper ausgebildet. Die in das Oberwasser
eintauchende Glocke g wird durch die mit dem
Hauptdruckluftrohr entsprechend verbundene und mit Drosselventil versehene
Hilfsleitung l und das einstellbare Auslaßventil u mit Luft gefüllt. Letzteres wird so eingestellt, daß
die der Glocke zuströmende Luft entweichen kann, nachdem der Schwimmkörper in die
jeweils gewünschte Eintauchtiefe gebracht Worden ist. Bei eintretender Verringerung
in der Luftentnahme aus der Abscheidekammer wird von der sich dort ansammelnden Luft
der Wasserspiegel unterhalb der Mündung des Rohres r
heruntergedrückt; die überschüssige Luft strömt durch letzteres in die Glocke g und hebt diese an, wodurch der Einlaß für Wasser und
Luft teilweise oder ganz abgesperrt wird. Mit zunehmender Belastung des Kompressors
steigt der Wasserspiegel in der Abscheidekammer über der Mündung des Rohres r, die Luftorderung nach der Glocke hört auf, die
Glocke sinkt infolge Entweichens der Luft und demgemäß sich verengernden Auftriebes
langsam bis auf die ursprüngliche Stellung und somit wird der normale
Einlaßquerschnitt für Luft und Wasser wieder freigegeben. Fig. 31 veranschaulicht den unteren Teil der drei
Fallrohrschächte in Verbindung mit der Abscheidekammer, Fig. 32 die Aufstellung der Sauger und Fig.
33 zeigt die geyserartige Wirkung des Auspuffrohres. Die Druckluft von 8
at findet in der rd. 1,7 km entfernten Victoria-Grube Verwendung.
Textabbildung Bd. 325, S. 613
Fig. 29.
Textabbildung Bd. 325, S. 613
Fig. 30.
Als größte der bisher ausgeführten Wasserdruckluftanlagen, ja als größte
Kompressor-Einheit der Welt, ist der hydraulische Kompressor der Cobalt Hydraulic Power Company in Ontario (Kanada) zu
erwähnen.Compressed Air, Nr.
6, 1910.
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Fig. 31.
An einer der Stromschnellen des das kanadische Silberbergbaugebiet durchfließenden
Montreal-River, die innerhalb 0,4 km einen Sturz von über 16 m aufweist wurden die
Kompressionsschächte niedergebracht. Die Anordnung des Wasserzulaufes zu dem
Luftsauger ist in Fig. 34 dargestellt. Aehnlich der
oben beschriebenen Anlage der Victoria Copper Mining
Company wurde für den Wasserauslaß ein von den Fallschächten räumlich
getrennter Schacht von etwa 6,6 m ⌀ und etwa 83 m Tiefe ausgeführt, wobei ein etwa
300 m langer Verbindungs-Tunnel von 6 m Breite und 8 m Höhe als Luftabscheidekammer
dient.
Die Anlage ist ausgebaut für eine Leistung von etwa 67,000 cbm atmosphärischer Luft
i. d. Stunde bei 8 at Ueberdruck, entsprechend einer Leistung von 5,500
Kompressorpferdestärken.
Die Luft dient zur Versorgung des benachbarten Grubenbezirkes. Die Fortführung und
Verteilung erfolgt durch ein etwa 35 km langes Leitungsnetz. Der Verkaufspreis der
Luft beträgt 0,09 cents für 1 cbm atmosphärischer Luft an der Verbrauchsstelle nach
dem Luftmesser berechnet. Durch den Bezug der Druckluft von der Druckluftzentrale
entstehen den Verbrauchern Ersparnisse an Ausgaben für Druckluft von etwa 30–40 v.
H.
Textabbildung Bd. 325, S. 614
Fig. 32.
Eine erschöpfende Theorie des hydraulischen Kompressors, die alle hierbei in Frage
kommenden hydraulischen Vorgänge berücksichtigt, besteht bislang noch nicht. In
Ermangelung einer solchen ist man beim Entwerfen auf Erfahrungswerte und
Annahmen angewiesen. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß der in der technischen
Hydraulik übliche Rechnungsvorgang, der eine unveränderliche Reibungsziffer
voraussetzt, in diesem Falle nicht zum Ziele führt. Die Nachrechnung der Ergebnisse
an einigen ausgeführten Anlagen zeigt, daß die Reibungsziffer, die infolge des
veränderlichen spez. Gewichtes des Luftwassergemisches im Fallrohr sich fortwährend
ändert, tatsächlich geringer sein muß, als in der Praxis angenommen wird.
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Fig. 33.
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Fig. 34.
Einen Anhaltspunkt bei der Vorausberechnung von hydraulischen Kompressoren bietet das
jeweils erzielbare Luft-Wasser-Verhältnis, d.h. die Menge der auf die Raumeinheit
Wasser angesaugten Raumeinheiten atmosphärischer Luft. Bei gegebener
Gefällhöhe und Wassermenge würde nämlich unter Voraussetzung isothermischer
Kompression und Außerachtlassung der stattfindenden hydraulischen Verluste beim
Ansaugen, Verdichten und Fortführen des Wasserluftgemisches im Fallrohre, sowie der
Luftverluste im Abscheider die Beziehung gelten Q ∙ h ∙
1000 = p1v1 ∙ lgn (ε), wenn bedeuten Q die Wassermenge in cbm/Sek., h
die Gefällhöhe in m, p1
v1 den
Anfangszustand der Luft und e den Kompressionsgrad.
Hieraus ergibt sich das ideelle Luft-Wasser-Verhältnis zu
\frac{h}{10\,lgn\,(e)}. Die bisherigen Versuche haben
gezeigt, daß bei entsprechender Wahl der Fallrohrweite und Fallrohrlänge ein
Luft-Wasser-Verhältnis von 0,6–0,7 des theoretisch möglichen erzielbar ist. Dies
gilt im Gefällbereich von 4–120 m Je nachdem die Frage der Anlagekosten oder die des
Nutzeffektes ausschlaggebend ist, wird nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse die
Betriebswassermenge in einem einzigen Fallrohr ausgenutzt oder auf mehrere verteilt.
Ebenso wird unter Umständen eine Unterteilung der gesamten verfügbaren Gefällhöhe in
einzelne Stufen vorgenommen, besonders in denjenigen Fällen, in denen das zu
erzielende Luft-Wasser-Verhältnis mehr als ein Zehnfaches zu betragen hat.
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A Kompressoren – B Turbinen – C Ejektor.
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Fig. 38.
Die nachgewiesene einfache und wirtschaftliche Arbeitsweise der
Wasserdruckluftanlagen, insbesondere der Fortfall der Bedienungs- und Betriebskosten
berechtigt zur Behauptung, daß der hydraulische Kompressor zur Erzeugung von
Druckluft große Vorteile bietet gegenüber bezüglichen maschinellen Anlagen.
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Fig. 39.
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Fig. 40.
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Fig. 41.
Außer denjenigen Fällen, in denen die Wasserkraft ausschließlich zur Erzeugung von
Druckluft benutzt wird, ergeben sich noch weitere Verwendungsfälle des hydraulischen
Kompressors in Verbindung mit großen Turbinenanlagen, die direkt in den Flußläufen
eingebaut sind. Der bedeutende Vorteil der Umgehung der kostspieligen künstlichen
Zu- und Abflußkanäle bei solchen Wasserkraftanlagen ist bekanntlich mit dem Nachteil
verbunden, daß in den Zeiten des Hochwassers das Nutzgefälle beträchtlich vermindert
und die Konsumfähigkeit der Turbinen, die im quadratischen Verhältnis mit dem
Gefälle abnimmt, entsprechend verringert wird, so daß die Anlage in der Periode, wo
der Fluß die meiste Arbeit leisten könnte, die geringste Leistungsfähigkeit
aufweist. Die schädlichen Folgen des Rückstaues bei Hochwasser zeigen sich u.a. an
den Kraftanlagen am Rhein, wo auch die Anwendung von Hochwasseretagen nicht
ausreicht, um die Einbuße an Leistung einzuholen und nicht selten Zuflucht zu
Dampfreserven genommen werden muß. Zur Bekämpfung dieses Uebelstandes sind
neuerdings Maßnahmen zur künstlichen Erhöhung des Hochwassergefälles vorgeschlagen.
Von diesen sei erwähnt der pneu-hydraulische Ejektor (D. R. P. 194600) zur
künstlichen Senkung des Unterwasserspiegels. Die Einrichtung ist in den Fig.
35–37 veranschaulicht. Bei der quer im Fluß eingebauten Turbinenanlage (s.
Fig.
35) sind zwischen den einzelnen Turbinenkammern sogen. Saugeysche Hochwasserschützen b1
b2 usw.
angebracht. Beim niedrigsten Wasserstande bleiben diese Schützen geschlossen und die
Turbinen schlucken die dem größten Gefälle entsprechende Wassermenge. Beim Steigen
des Flusses werden
die Schützen geöffnet zu dem Zwecke, den Ueberschuß der Wassermenge entweichen zu
lassen und gleichzeitig zur Ausübung einer Saugwirkung auf die aus den Turbinen
auströmenden Wassermengen, wodurch der angestaute Wasserspiegel abgesenkt bezw. das
Gefälle vergrößert wird. Die an sich auftretende Saugwirkung der Hochwassermassen
wird wesentlich verstärkt durch die in den Schützenkammern eingebauten Saugdüsen c1
c2 usw., die
mittels Wasserdruckluft betätigt werden, wobei die hydraulischen Kompressoren d1 und d2 seitlich am
Wehr aufgestellt sind. Fig. 36 zeigt den
Schnitt nach ab durch die Turbinenkammern, Ejektoren
und Kompressoren, und Fig. 37 einen Schnitt
der Kompressorkammer nach cd. Die kinetische Energie
der in den Düsen expandierenden Preßluft äußert sich in einer Beschleunigung der
durch die Ejektorenöffnungen schießenden Wassermengen, die eine intensive
Saugwirkung und mithin eine wesentliche Absenkung des Unterwasserspiegels bewirken,
wodurch ein großer Teil des bei Hochwasser verlustig gehenden Gefälles
zurückgewonnen wird. Auf diese Weise läßt sich die Leistung der Anlage auch in
Zeiten des Hochwassers ohne Zuhilfenahme von kostspieligen Hochwasseretagen auf
nahezu gleicher Höhe erhalten. In Anbetracht des Umstandes, daß der Betrieb
hydraulischer Kompressoren besondere laufende Kosten nicht verursacht, wird der
erzielte Gewinn der Gefällevermehrung die einmaligen Anlagekosten der hydraulischen
Kompressoren, die gleichzeitig mit dem Wehr erstellt werden, bezahlt machen.
Die Tatsache, ferner daß der hydraulische Kompressor unempfindlich ist gegen
weitgehende Gefällschwankungen und daß der Luftsauger bei niedrigeren Gefällhöhen
schwimmend bezw. selbsttätig in der jeweils gewünschten Höhenlage zum
Oberwasserspiegel einstellbar eingerichtet werden kann, läßt diesen auch als
verwendbar zur Nutzbarmachung der Gezeiten-Energie erscheinen. Es verdient der
Vorschlag des Amerikaners Webber erwähnt zu werden.
Dieser geht dahin, die an der Westküste des Atlantischen Ozeans vorkommenden
natürlichen größeren Becken, die während der Flut vom Meerwasser gefüllt, während
der Ebbe entleert werden, für den Einbau hydraulischen Kompressoren zwecks Erzeugung
von Druckluft-Energie zu benutzen. Der Kompressor wird durch zwei Paar Stauklappen
betätigt, die abwechselnd vom Meer nach dem Becken a
und umgekehrt sich öffnen und schließen. Bei Flut gelangt das Aufschlagwasser zum
schwimmend angeordneten Luftsauger durch die Klappe 1
und fließt durch die Klappe 2 zum Becken a ab. Bei eintretender Ebbe wird das Klappenpaar 1 und 2 infolge des
Wasserdruckes geschlossen und das Klappenpaar 3 und 4 in Tätigkeit gebracht (siehe Fig. 38, 39 und 40). In Fig. 41 ist
der Kompressor dargestellt und zwar im Vertikalschnitt durch den Kompressions- und
Steigschacht, woraus ersichtlich ist, daß die Wasser-Einlauf- und -Auslaufkammer,
dem jeweils zu erzielenden Nutzgefälle entsprechend, verschiedene Tiefen
aufweisen.