Titel: Polytechnische Rundschau.
Fundstelle: Band 325, Jahrgang 1910, S. 621
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Polytechnische Rundschau. Polytechnische Rundschau. Neue Sicherheitssperre für Bremsberge. Von den Betriebsunfällen bei der Grubenförderung kommt ein hoher Prozentsatz auf die Bremsbergförderung. Der Grund hierfür liegt in der ungenügenden Sicherung der Bremsberge am Fuß und Kopf der Bremse. Eine neue, seit einigen Monaten auf dem Schoellerschacht der P. E. J. G. eingebaute Sicherheitsvorkehrung hat sich auf das beste bewährt. Die Sicherheitssperre besteht aus zwei gegeneinander gekehrten, senkrechten, zwischen den Gleisen des Bremsberges befindlichen U-Eisen, zwischen denen sich zwei an einem Draht aufgehängte Laufgewichte auf- und abwärts bewegen. Der Draht ist oben über eine Rolle geführt. Mit jedem Laufgewicht ist ein sich nur nach der Seite des Bremskorbes öffnender Sperrhebel fest verbunden. Eine stählerne Spiralfeder bewirkt, daß der Sperrhebel nach seiner Oeffnung wieder selbsttätig in seine frühere Lage zurückschnellt. Ist durch Emporziehen des Laufgewichts samt Sperrhebel die Bahn frei zum Herablassen des Hundes gemacht, so geht das Laufgewicht des zweiten Gleises herab und sperrt dieses vollständig. Der hinaufgehende leere Hund öffnet sich erst diesen Sperrhebel, der sich durch die Federwirkung dann wieder von selbst schließt. (E. Kudielka.) [Oesterreichische Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen 1910, S. 286.] J. Schüttelrutschenbetrieb. Der vor einigen Jahren im deutschen Bergbau in größerem Umfange eingeführte Schüttelrutschenbetrieb hat bei gefährlichen, heißen und schlagwetterreichen Gruben die Betriebssicherheit erhöht. In einigen Gruben wurden Temperaturerniedrigungen bis zu 5 °, eine Verminderung der Schlagwetteransammlungen und infolge des verkürzten Schaufelweges auch der Staubbildung erzielt. Die Stein- und Kohlenfallgefahr wird aber durch den Fortfall der Fluchtmöglichkeit in die Abbaustrecken erhöht, da der Fluchtweg durch die Rutschen, besonders in schwachen Flözen, erschwert wird. Die Gefahr wird weiter erhöht durch den lauten Gang der Rutschen und Motore. In wirtschaftlicher Beziehung steigt die Tonnenleistung, berechnet auf den Kopf der Gesamtbelegschaft eines Feldes, da die Nebenarbeiten hinter dem früheren Bedarf zurückbleiben. Ferner tritt eine Lohnersparnis ein, da ein Teil der Bremsberge und Abbaustrecken fortfällt. Ebenso wird an Materialien gespart. Demgegenüber stehen die durch die eigentlichen Anlage- und Betriebskosten der Rutschen verursachten Mehrkosten, über die bei der Verschiedenheit der Grubenverhältnisse keine allgemeinen Angaben gemacht werden können. Verfasser führt eine Reihe von Beispielen an, die aber kein vollständiges Bild ergeben. Weitere Vorteile der Rutschen bestehen in der Verminderung der Zerkleinerung der Kohle, die bei häufigem Umschaufeln eintritt. Ferner wird die Ausrichtung querschlägiger, ein Abbaufeld durchsetzender Sprünge erleichtert, da infolge der Unabhängigkeit von Strecken und Bremsbergen ein einfaches schwebendes Hochbrechen jenseits des Sprunges ermöglicht wird. Auch der bisher unwirtschaftliche Abbau schwacher Flöze wird durch den Rutschenbetrieb lohnend. Eine vorteilhafte Möglichkeit bietet der Rutschenbetrieb ferner durch die Einführung größerer Förderwagen, da nicht wie bisher der Querschnitt der Abbaustrecken, sondern der Teil- und Grundstrecken ihr Höchstmaß begrenzt. Ein wesentlicher Nachteil aller Rutschenbetriebe besteht darin, daß durch das Zubruchegehen auch nur eines kleinen Stoßteiles der gesamte Betrieb des Stoßes lahmgelegt wird. In Verbindung mit dem Spülversatz bieten sie an sich große Vorteile, da die völlige Unabhängigkeit der Versatzarbeit von der Arbeit am Stoße der Kohlengewinnung zustatten kommt. Die Brauchbarkeit der verschiedenen Rutschensysteme kann nur nach bestimmten Grubenverhältnissen beurteilt werden. Ein starres System ist nur bei günstigen Gebirgsverhältnissen anwendbar. Die starre Verbindung ermöglicht geräuschlosen Gang und geringen Materialverschleiß. Je ungünstiger die natürlichen Vorbedindungen sind, desto mehr treten die Vorzüge der nicht starren Systeme in den Vordergrund. Sie sind zumeist als Hängerutschen ausgebildet und erleichtern den Ausgleich von Schwankungen im Einfallen und von Unebenheiten in der Sohle, da sie von letzterer unabhängig sind. Nachteilig ist ihr geräuschvoller Gang und die Fehlerquellen an den Montierungsstellen (bei 100 m Länge etwa 70 bis 100 Aufhängepunkte und 35 bis 50 Verbindungsstellen). Rollenrutschen eignen sich bei ihrer niedrigen Bauart für den Abbau geringmächtiger Flöze. Wichtig ist die Auswahl des Motors. Bei steilem Einfallen genügt ein „Schwingmotor“ nur für die Aufrechterhaltung der Bewegung. Bei Seilantrieb kann der Motor längere Zeit an derselben Stelle gelassen werden. In Flözen von geringem Einfallen muß der Angriffspunkt unmittelbar an der Rutsche, am besten unter ihrem natürlichen Schwerpunkt gewählt werden. (F. Jüngst.) [Glückauf 1910, Heft 24 und 25, S. 863.] J. Amerikanische Grubenlokomotiven. Nach Lieferung der ersten elektrischen Grubenlokomotiven für die Lykens Valley Colliery in Pennsylvania im Jahre 1887 haben sie sich in Amerika in den letzten 20 Jahren gut bewährt. Die bei der eingetretenen außerordentlichen Steigerung der Einzelleistungen der Grubenlokomotiven vielfach erforderlich gewordenen Doppellokomotiven bestehen aus zwei Lokomotiven von je 20 t Gewicht, deren Motore, Bremsen und Sandstreuapparate von dem Führerstande der vorwärts fahrenden Lokomotive bedient werden. Die größte Zugkraft jeder einzelnen mit zwei Gleichstrommotoren von je 100 PS ausgerüsteten Lokomotive ergibt sich zu 9000 kg bei einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 5 m/Sek. Die größte Steigung beträgt 12 v. H. Um auch hierbei mit Sicherheit bremsen zu können, werden die Bremsschuhe an eine besondere neben den Hauptschienen liegende Bremsschiene angepreßt. In besonders niedrigen Strecken werden Speziallokomotiven erforderlich. Auf den Flözen von sehr geringer Mächtigkeit im Staate Tennessee haben sie nur 50 cm Gesamthöhe bei 2,5 t Gewicht, 2 m/Sek. Geschwindigkeit und 500 kg Zugkraft. Die Motorstärke beträgt etwa 10 PS. Der Lokomotivführer muß eine liegende Stellung einnehmen. Um auch in kurzen Nebenstrecken ohne Fahrleitung die Beförderung von Wagen zu bewirken, werden die Lokomotiven mit einem Hilfskabel von 100 bis 150 m Länge ausgerüstet, das auf einem kleinen auf dem Rücken der Lokomotive aufgebauten Förderhaspel aufgewickelt wird. Die Kabeltrommel wird von der Triebachse mittels eines Kettentriebes angetrieben. Das Kabel selbst steht unter einer Spannung von etwa 15 kg, so daß es sich gleichmäßig auf den Boden der Strecke hinlegen und auch gleichmäßig aufwickeln kann. In schlagwettersicheren Gruben, wo die Schienen als Rückleitung benutzt werden können, kommt nur ein einadriges Kabel für die Rückleitung zur Verwendung. In gasreichen Gruben wird ein Zweileiterkabel benutzt, d.h. Hin- und Rückleitung des Stromes sind in einem Kabel vereinigt. Eine weitere Hilfseinrichtung besteht aus einer kleinen auf der Lokomotive angebrachten, entweder durch einen besonderen Motor oder durch eine der Triebachsen angetriebene Winde, die zum Heranziehen einzelner Wagen aus kurzen einfallenden Nebenstrecken dient. (W. Philippi.) [Zeitschrift des Zentralverbandes der Bergbau- Betriebsleiter Oesterreichs 1910, Nr. 14.] J. Güterzuglokomotive. Ende 1908 hat die südafrikanische Staatseisenbahn bei der North British Locomotive Company fünf 4/8/2 gekuppelte Lokomotive mit 1,07 m Spurweite bestellt, die nach kurzen, befriedigenden Versuchsfahrten in den ordentlichen Zugdienst gestellt wurden. Die Lokomotiven dieser Bauart besitzen ein zweiachsiges vorderes Drehgestell. Der sehr leistungsfähige Kessel hat Belpair-Feuerbüchse, sie ist aus Kupfer hergestellt, die Rohrwand ist 1'', die übrigen Wände sind 9/16'' stark. Die Dampfzylinder (549 mm ⌀ und 628 mm Hub) sind außerhalb des Rahmens angeordnet. Die Kolbenschieber sind aus Bronze und besitzen Walschaert-Steuerung. Die Umsteuerung geschieht mittels Dampf kraft. Der Kessel enthält 237 Rauchröhren von 2¼ ⌀ aus Stahl. Vier Sicherheitsventile, Bauart Ramsbottom, 3½'' ⌀, treten bei 14 at in Tätigkeit. Die Lokomotive wird mittels Dampfkraft (Bremszylinder 245 mm ⌀) gebremst. An der Rauchkammertür ist eine elektrische Signallaterne angebracht. Die Rostfläche beträgt 3,16 qm, die Gesamtheizfläche 252 qm. Das Dienstgewicht der Lokomotive ist 90 t, mit Tender 121 t. Die Treibräder haben 727 mm ⌀. Die Lokomotiven fördern schwere Kohlenzüge auf der Strecke Ladysmith–Charlestown. Auf Steigungen von 1:50 konnten diese Lokomotiven 225 t Wagengewicht fördern, sie durchfahren leicht Kurven mit 100 m Radius. [Engineering 1910, S. 411.] W. Wasser- und seifenbeständiger Seidenglanz auf Baumwollgeweben. Baumwollgeweben künstlich ein schöneres und für manche Zwecke geeigneteres Aussehen zu geben, ist seit langem das Bestreben der Fachwelt. Mit der Erfindung des Mercerisationsprozesses und der verschiedenen Seiden-Finishappreturen wurde in dieser Beziehung ein großer Schritt vorwärts getan. Auch durch Kalandern unter starkem Druck und Benutzung geheizter, aber nicht geriffelter Metallwalzen kann ein gewisser Glanz erzielt werden. Derselbe ist aber weder wasser- noch seifenecht. Die zur Fixierung so erzielten Glanzes bekannten Vorschriften genügen den Bedürfnissen nicht. Nach dem vorliegenden, patentierten Verfahren soll nun ein hoher und wirklich wasser- und seifenbeständiger Seidenglanz erzielt werden können. Die Ware wird zuerst einer Vorbehandlung unterzogen, bei der durch heißes Kalandern oder Pressen der angefeuchteten Ware ein Hochglanz (Speckglanz) erzeugt wird. Die eigentliche Neuerung besteht nun darin, daß die Ware nunmehr in gestrecktem Zustande einer hochgradigen Erhitzung ausgesetzt wird. Hierdurch wird der durch die Vorbehandlung erzielte Hochglanz fast vollkommen festgelegt. Die Ware wird danach abgezogen, d.h. mit Wasser, Seifenlösung, feuchtem Dampf o. ä. behandelt, wodurch bekanntlich der Speckglanz verschwindet; an seine Stelle tritt ein reiner, gleichmäßiger Seidenglanz, der alsdann wasser- und seifenbeständig ist. Die Höhe des hervorgebrachten Glanzes hängt in erster Linie von der Höhe des bei der Vorbehandlung erzielten Glanzes ab, die Fixierung von der Höhe der Temperatur bei der Heißbehandlung. Je höher sie ist, desto fester haftet der Glanz. Man wird deshalb versuchen, die Erwärmung so weit zu treiben, als die Baumwolle ohne Schaden verträgt. Daß das Gewebe ohne Schädigung seiner Festigkeit aus diesem stark angreifenden Prozeß hervorgeht, erscheint recht zweifelhaft, die Dehnung dürfte jedenfalls durch das scharfe Trocknen in gestrecktem Zustande zum großen Teil verbraucht werden. [Leipz. Monatsschrift f. Textilindustrie 1910, Nr. 5, S. 145.] Hg. Ueber wasserlöslichen Steinkohlenteer. Die Frage, in welcher Weise wir die Straßen staubfrei machen können, ist überaus wichtig; bei der stets anwachsenden Zahl der Fuhrwerke und deren zunehmender Geschwindigkeit ist auch die Abnutzung sehr groß. In vielen Fällen greifen deshalb die Straßenbauer wieder auf das Kopfsteinpflaster zurück, obwohl es sehr teuer ist und auch viel Lärm macht. Seit fünf Jahren weiß man, daß es ein gutes Mittel gibt, um den Abnutzungswiderstand der Straßen zu verbessern, nämlich die Tränkung mit Teer. Diese Art, den Staub zu beseitigen, wurde in Monte Carlo zuerst angewandt, wo die Staubplage schon zu einer wahren Landplage geworden war, und hat sich überaus gut bewährt. Dies liegt vor allem daran, daß an der Riviera infolge der Temperatur die mit heißem Gasteer besprengten Straßen gut trocknen und der Teer in die Straße eindringt. Es ist vor allem wichtig, daß die Teerung keine Oberflächenteerung ist, denn dann dauert der Schutz höchstens ein Jahr, im Herbst unter dem Einfluß der Niederschläge und besonders des Frostes löst sich der Teer von der Straße ab und rollt sich auf. Der Teer muß in die Straße 5, am besten 8–10 cm tief eindringen. In Deutschland hat sich der Teerung ein Uebelstand entgegengestellt, nämlich bei unserem Klima kann der Teer nicht genügend trocknen, denn es sind mindestens acht heiße Tage dazu notwendig. Damit der Teer aufgenommen wird, muß das Material, auf dem die Straßen gebaut sind, porös sein, also eignen sich Schottersteine, Kies und Sand, während Lehmboden nicht der Teerung zugänglich ist, da der Teer nicht durchgeht. Der Vortragende beschäftigte sich nun mit dem Problem, den Teer in den Straßenbau zu bringen, bei Gegenwart von Wasser, und er fand, daß Teer mit Wasser, wenn auch nicht löslich, so doch gut emulgierbar ist, wenn eine geringe Menge Ton zugesetzt wird. Das Wichtigste aber ist, daß der Teer nach dem Trocknen unlöslich ist und auch bei Regen im Straßenbau bleibt. Das so hergestellte Produkt, das Vortragender „Kiton“ nannte, ist äußerlich vom Teer nicht sehr verschieden und zeigt die gleiche zähe Konsistenz. Obwohl das Mittel erst seit einem halben Jahr bekannt ist, ist seine Verwendung doch schon eine sehr große. Das Kiton hat aber noch eine andere Eigenschaft. Es kann nämlich als Teeranstrich an Orten und in einer Weise verwendet werden, wie dies bisher nicht möglich war. Bis jetzt konnte man Teeranstriche nur an trockenen heißen Metallen anbringen, in der Form des Kitons sind die Anstriche von jedem beliebigem Festigkeitsgrad an kalten und nassen Wänden jeden Materials anzubringen. Wenn der Anstrich dann trocken ist, ist er auch wasserfest. Durch den Ton erhält der Teer die Eigenschaft, sich nur einmal mit Wasser zu emulgieren. Vortragender glaubt, daß auch diese Verwendung des Kitons als Anstrich eine große Zukunft habe, da es ein billigeres Anstrichmittel wohl nicht gibt. Die an ihn gestellte Frage, ob auch Petroleum sich für diese Zwecke eignet, beantwortete Vortragender damit, daß er die Versuche nur mit Steinkohlenteer gemacht habe und daß nur präparierter Teer befriedigende Resultate gibt. [Nach einem Vortrag von Dr. Raschig auf der Hauptversammlung des Vereins deutscher Chemiker.] Dr. S. Elektrizitätswerk am Löntsch. Die Aktiengesellschaft für angewandte Elektrizität „Motor“ in Baden hat im Juni 1908 ein Wasserkraftwerk in Betrieb gesetzt, welches in Verbindung mit dem von der gleichen Gesellschaft erbauten Elektrizitätswerk Beznau von der A.-G. Kraftwerke Beznau-Löntsch betrieben wird. In dem Löntschwerk wird die Wasserkraft des Löntsch, eines in den Bergen von Glarus entspringenden Flusses, zwischen dem Klöntaler See und der Ortschaft Netstal in einer einzigen Gefällsstufe ausgenutzt, wobei der See als Staubecken dient und das Werk befähigt, die Spitzenbelastungen aufzunehmen, während das Werk Beznau mit nahezu gleichförmiger Belastung betrieben und auf diese Weise besonders wirtschaftlich ausgenutzt werden kann. Im wesentlichen besteht die Anlage am Löntsch aus einem großen Stauwerk, welches den Klöntaler See und alle vordem daraus abgeleiteten Stollen absperrt, so daß das ganze Einzugsgebiet für das Werk nutzbar gemacht wird. Das Fassungsvermögen des Sees beträgt bei einer Absenkung des Wasserspiegels um 22,5 m etwa 45 Mill. cbm, so daß man mit einer Mindestwassermenge von jährlich 105 Mill. cbm bei einem Reingefälle von 341,7 m jährlich 67 Mill. KW/std. und eine größte Leistung von 21000–22000 KW erzeugen kann. Der Staudamm ist an einer Verengung des Klöntales errichtet und besteht aus einem 6 m unter den natürlichen Boden reichenden, an der Krone 3 m breiten Kern aus Lehm, der beiderseits durch Schüttungen eingefaßt wird. Die Dammkrone selbst ist 6 m breit und 217 m lang, die größte Höhe des Dammes beträgt 21,5 m über dem Boden, seine Sohlenbreite 110 m. Der Gesamtinhalt beträgt 110000 cbm, wovon 25000 cbm auf den Lehmkern entfallen. Um bei Hochwasser eine Ueberflutung des Dammes zu verhindern, hat man unmittelbar davor einen Ueberlauf mit Grundablässen angelegt. Der Ueberlauf ist ein gemauerter kreisförmiger Turm von 7 m lichter Weite. Er trägt ungefähr 6 m über der Sohle zwei Grundablässe mit Drosselklappen von 14000 mm Weite mit Handbetrieb, welche durch Einwerfen von Schlacke noch besonders abgedichtet werden können. An den Ueberlauf schließt sich ein insgesamt 195 m langer Stollen von 19 qm freiem Querschnitt, an den sich ein Kanal für den Ablauf des Hochwassers in das neue Löntschbett anschließt. Besonderer Wert ist darauf gelegt worden, den Ueberlaufstollen nicht unter dem eigentlichen Dammauerwerk durchzuführen. Die Einlaufe zu den Grundablaßschleusen machten deshalb Schwierigkeiten, weil sie noch unter dem niedrigsten Wasserspiegel des Sees liegen. Um sie fertig auszumauern, mußte man den See künstlich absenken, wozu eine schwimmende Pumpanlage mit zwei wagerechten und von je einem 300 pferdigen Drehstrommotor angetriebenen Kreiselpumpen beschafft werden mußte. Jede dieser Pumpen leistet bei 0–6 m Förderhöhe 2,5–2 cbm i. d. Sek. Einen besonders bemerkenswerten Teil der ganzen Anlage bildet die vollkommen unterirdische und durch zwei Schächte zugängliche Wasserfassung. Der Einlaufstollen ist mit drei voneinander unabhängigen Abschlüssen versehen, und zwar einer auf Laufrollen beweglichen Schütze von 3,15 m Breite und 2,40 m Höhe, die 4000 kg wiegt, und nur geöffnet werden kann, nachdem mit Hilfe eines darin eingebauten Schiebers der Druckausgleich an beiden Seiten bewirkt ist. Die Schütze hängt an einem Drahtseil und wird mit Hilfe einer Bockwinde verstellt. Den zweiten Abschluß des Stollens bildet eine um wagerechte Zapfen drehbare Klappe aus Eisenkonstruktion von 1,20 m Breite und 2,50 m Höhe, welche durch eine Zugstange betätigt wird. Eine dritte Abschlußvorrichtung für den Stollen bildet schließlich ein Segmentschützen von 2,50 m Höhe und 2,60 m Breite, welcher ebenfalls durch Stangen betätigt wird. Der an die Wasserfassung anschließende Oberwasserstollen, welcher seiner ganzen Länge nach durch gewachsenen Fels getrieben ist, hat 4130 m Länge und 4,077 qm Querschnitt, entsprechend einer höchsten Wassergeschwindigkeit von 2,1 m i. d. Sek. bei 10 cbm i. d. Sek. Wassermenge. Da der Stollen bei höchstem Wasserstand einen Druck von 35 m Wassersäule zu tragen hat, so mußte er vollkommen ausgemauert werden. Der Querschnitt ist annähernd hufeisenförmig gewählt. Der Stollen mündet in eine ebenfalls unterirdisch angelegte, zum Ausgleich von plötzlichen Schwankungen in der Belastung dienende Wasserkammer von 60 m Länge und 450 cbm Inhalt, welche durch einen schräg nach oben gerichteten Schacht mit einer zweiten Kammer von 50 m Länge und 550 cbm Inhalt in Verbindung steht. In dieser Kammer befindet sich ein Ueberfall, der bei Plötzlichen Druckstößen im Zuleitungsstollen in Wirksamkeit tritt. Von der unteren Wasserkammer zweigen drei Rohrstränge von je 1050 mm lichter Weite ab, die bei einer Wassermenge von 10 cbm i. d. Sek. eine höchste Wassergeschwindigkeit von 3,85 m i. d. Sek. bedingen. Die Rohrweite nimmt nach oben hin zu, derart, daß von der insgesamt 925 m betragenden Länge 195 m mit 1350 mm Breite für 2,35 m i. d. Sek. 138 1275 2,65 Wasser- 127 1200 2,95 geschwin- 213 1125 3,35 digkeit 252 1050 3,85 ausgeführt sind. Die Leitungen sind durchweg aus geschweißten Rohrstücken von 8 m normaler Baulänge und von 8 mm bis auf 30 mm zunehmender Wandstärke zusammengebaut und vorläufig nur an den oberen Enden mit zwei hintereinander geschalteten Drosselklappen versehen, die für den dichten Abschluß bestimmt sind, und von denen eine außerdem als selbsttätiges Abschlußorgan dient. Diese ist auch mit Druckwasserantrieb ausgerüstet, während die zweite Handantrieb besitzt. An den Rohrleitungen entlang ist eine Drahtseilbahn angelegt, welche mit einem Seil von 36 t Bruchlast versehen ist und durch einen 60pferdigen Drehstrommotor angetrieben wird. Diese bereits zum Bau der Rohrleitungen benutzte Bahn wird dauernd für die notwendigen Instandhaltungsarbeiten an den Leitungen in Betrieb gehalten. Sie hat 85 v. H. Gefälle und ist mit einem zweiachsigen Wagen versehen, dessen Radsätze mit selbsttätigen, durch Zangenpaare auf die Schienen wirkenden Gemsen für 8500 kg Bremskraft versehen sind. Bei der Aufstellung der Rohrleitungen wurde an diesen Wagen ein besonderer Wagen angehängt. Die Leerlaufleitung schließt 830 m oberhalb der wasserkammern an den Stollen an und ist hauptsächlich zum Entleeren und Nachsehen des Stollens bestimmt. Sie hat 700 mm ⌀ und vermag bei 3,65 m i. d. Sek. Wassergeschwindigkeit 1400 l i. d. Sek., als Leerlaufleitung arbeitend aber 8 cbm i. d. Sek. bei annähernd 20 m i. d. Sek. Wassergeschwindigkeit abzugeben. Die Länge der Leitung beträgt 232 m, die Weite nimmt nach dem oberen, flach verlaufenden Ende bis auf 1000 mm zu. Das Maschinenhaus ist an der Landstraße Glarus–Netstal am südlichen Ende der letztgenannten Ortschaft Richtet und enthält über einem Unterbau aus Betonmauerwerk eine 65 m lange und 16 m breite Maschinenhalle, einen ebenso langen und 5 m breiten Schalterraum. Da das Werk verpflichtet ist, den unterhalb am Löntsch gelegenen Fabriken während der Arbeitszeit mindestens 1400 l i. d. Sek. zufließen zu lassen, so hat man den Abwasserkanal, welcher sich innerhalb des Maschinenhauses mit 2,50 m Breite an der einen Längswand hinzieht, an einen Ausgleichbehälter von 5000 cbm Inhalt angeschlossen und damit eine gewisse Unabhängigkeit in der Ausnutzung der verfügbaren Wassermengen erreicht. Insbesondere dürfte der Behälter während der borgen- und Mittagsstunden in Betracht kommen. Aus jeder der drei Druckleitungen werden zwei Pelton-Turbinen von je 6000 PS Leistung gespeist. Die von Th. Bell & Cie. in Kriens gebauten Turbinen verleiten je eine Wassermenge von 1700 l i. d. Sek. und eisten bei 375 Umdrehungen i. d. Min. und einem je nach dem Wasserstande im Klöntalersee schwankenden Reingefälle von 330–350 m 6000–6500 PS an der Welle. In die Abzweige vor den Turbinen sind Absperrschieber von 600 mm 1. W. eingebaut und von diesen führen -Stücke zu dem mit je zwei Einlaufdüsen versehenen Düsenköpfen sowie zu den Druckreglern. Die Bauart der Turbinen bietet nichts Ungewöhnliches. Sie haben einfache Laufräder von 850 mm mittlerem Durchm., die je 20 Stahlgußschaufeln tragen, und auf der Welle fliegend angeordnet sind. Die Welle ruht dann in zwei Ringschmierlagern von 370 mm ⌀ und 1100 mm Lauflänge, zwischen denen die von Brown, Boveri & Co. in Baden gebauten, für 5250 KVA bei 8000 Volt verketteter Spannung und 50 Perioden i. d. Sek. gewickelten Stromerzeuger sitzen. Einige Ergebnisse der Abnahmeversuche an einem Maschinensatz sind nachstehend angegeben. VersuchNr. Dauerdes Ver-suchesin Min. Gefällein m WirklicheWasser-menge incbm i. d. Sek. Um-drehungeni. d. Min. Nutz-leistungin PSe Wirkungs-gradin v. H.   2 14 350 0,434 377 1630 80,5   3 12 350 0,606 377 2374 83,8   5    16½ 350 1,007 376 3932 83,7   6    16½ 349   1,1765 376 4542 82,8   8    16½      348,25   1,5495 375 6005 83,5 12    12½ 349 1,640 380 6105 80,2 14    12½ 350 1,060 373 4105 82,9 15     6½ 350 1,135 382 4402 83,2 (Ehrensberger.) [Schweiz. Bauzeitung 1910, I, S. 207 bis 212, 227–229, 233–237, 245–250, 301–304, 317–324; 1910, II, S. 1–3, 16–20, 34–40 und 47 bis 49.] H. Die Wasserkräfte Norwegens im Dienste der Stickstoffindustrie.s. D. p. J. 1909, Bd. 324, S. 557. Die planmäßige Ausnutzung der großen, billig zu Kraftanlagen auszubauenden Wasserkräfte Norwegens setzt das Vorhandensein bedeutender Industrien voraus, die große Kraftmengen verbrauchen zu Erzeugnissen, die auf dem Weltmarkt eine erhebliche Nachfrage besitzen und zu denen die Rohstoffe im Lande vorhanden sind. Voraussetzung ist ferner, daß die Kraftkosten einen großen Anteil der Herstellungskosten bilden. Alle diese Merkmale treffen in erster Linie für die Stickstoff-Industrie zu; der Stickstoff, der im Wirtschaftsleben, vor allem in der Landwirtschaft eine große Rolle spielt, wird heute wesentlich in der Form des natürlichen Chilesalpeters beschafft, welcher etwa 13,5–20 v. H. Stickstoff enthält. Der jährliche Bedarf der Erde an Salpeter für die Landwirtschaft wird auf mehr als 6 Millionen Tonnen geschätzt. Davon liefert Chile zurzeit etwa 2 Millionen Tonnen mit einem Wert von 350 Millionen Mark. Man erwartet eine Erschöpfung der Salpeterlager in Chile bereits in 25 bis 30 Jahren. Infolge dieser Verhältnisse hat man Verfahren ausgebildet, um künstlich den Stickstoff der Luft in eine Form zu bringen, die ihn für die Zwecke der Landwirtschaft benutzbar macht, lm Vordergrund stehen bisher das deutsche Verfahren von Dr. Frank und Caro und das norwegische Verfahren nach Birkeland-Eyde. Neuerdings ist ein drittes Verfahren der Badischen Anilin- und Sodafabrik mit Erfolg in den Wettbewerb eingetreten, welches von Schönherr herrührt. Sämtliche Verfahrens. D. p. J. 1910, Bd. 325, S. 140. haben in der letzten Zeit bereits die norwegischen Wasserkräfte in ihren Dienst gestellt. Bei Odde am Hardangerfjord werden heute schon 20000 PS, am Skien-Fluß in der Kraftanlage Svaelgfos 40000 PS ausgenutzt. Das Kraftwerk hat einschließlich der elektrischen Kraftübertragung nach der Salpeterfabrik in Notodden mit 10000 Volt auf 5 km Entfernung nur 100 M auf 1 PS gekostet. Die größte Anlage wird aber im Laufe dieses Jahres am Skien-Fluß durch die Ausnutzung des Wasserfalles Rjukanfos fertiggestellt sein; denn diese wird 150000 PS liefern. Für den Bau dieses Kraftwerkes hatten sich die norwegisch-französische Gesellschaft, welche das Birkeland-Eydesche Verfahren ausnutzt, mit der Badischen Anilin- und Sodafabrik zusammengeschlossen. In der Anlage wird ein Gefälle von 550 m Höhe ausgenutzt, welches auf einer Länge des Flußlaufes von mehr als 9 km gewonnen wird. Obgleich das Flußgebiet 1500 qm groß ist, geht die Niedrigwassermenge doch auf 6 cbm i. d. Sek. zurück. Es ist aber gelungen, durch Heranziehung und Aufstauung des Mjösvand-Sees um 14,5 m eine Stauwassermenge von 800 Millionen cbm zur Verfügung zu stellen, welche gestattet, eine niedrigste Abflußmenge von 47 cbm i. d. Sek. einzuhalten. Das Gefälle soll in zwei Stufen ausgenutzt werden, von denen die erste demnächst fertiggestellt und die Bezeichnung Rjukan I führen wird. Dieses Werk erhält zehn Turbinen von je 14400 PS Höchstleistung, gekuppelt mit den elektrischen Stromerzeugern. Unterhalb des Werkes liegt der See Tinsjö; dieser ist um 4 m aufgestaut worden, wodurch man einen Wasserspeicher von 200 Millionen cbm nutzbarem Inhalt geschaffen hat. Hierdurch werden die Wasserverhältnisse des unterhalb liegenden Werkes Svaelgfos bei Notodden wesentlich gebessert. Die norwegische Gesellschaft beabsichtigt, bis zum Jahre 1920 im Gebiete des Skien-Flusses im ganzen etwa 500000 PS für die Stickstoff-Industrie nutzbar zu machen. Damit würde es möglich sein, jährlich etwa 300000 Tonnen Salpeter zu erzeugen, d.h. die Hälfte des heutigen Bedarfes von Deutschland zu decken. In ganz Norwegen kann man aber auf etwa 4 Millionen PS rechnen, welche durch besonders billige Anlagen gewonnen werden könnten. Hiermit würde man jährlich 2,4 Millionen Tonnen Salpeter erzeugen können, oder viermal soviel, als Deutschland gegenwärtig verbraucht. Dabei ist aber nicht berücksichtigt, daß, wie man voraussagen kann, die Verfahren noch verbessert werden, so daß dann die Ausbeute noch größer werden könnte, als angegeben. (Holz.) [Vortrag auf der Hauptversammlung des Ver. deutsch, Ingenieure 1910.] H.