Titel: Die Beeinflussung des Reguliervorganges von seiten der durch die Wasserträgheit entstandenen Druckschwankungen.
Autor: R. Dubs, A. Utard
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 120
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Die Beeinflussung des Reguliervorganges von seiten der durch die Wasserträgheit entstandenen Druckschwankungen. Von Dipl.-Ing. R. Dubs und Dr.-Ing. A. Utard, Zürich. Die Beeinflussung des Reguliervorganges usw. I. Allgemeine Formeln. 1. Der Reguliervorgang im allgemeinen. (Fig. 16.) Der Reguliervorgang einer Turbine setzt sich, sobald eine namhafte Leitschaufelverstellung in Frage kommt, aus mehreren unmittelbar aufeinanderfolgenden, stets rascher sich ablösenden Oeffnungs- und Schließperioden zusammen. Somit muß die, der neuen Belastung entsprechende Einstellung des Leitapparates in oszillatorischem Gange erfolgen, was auch jene für die Turbinenregulierung typische Form der Geschwindigkeitsschwankungen zur Folge hat. Die Höhe des ersten Maximums (wenn Entlastung) oder Minimums (wenn Belastung) der Tourenzahl ist dann von einer Anzahl Größen abhängig, die im nachfolgenden näher bezeichnet werden sollen. Es bedeute: β = Beaufschlagung der Turbine, d.h. das Verhältnis zwischen der momentanen Oeffnung des Leitapparates und der maximalen Oeffnung desselben. N1 = Maximale Turbinenleistung (für β = 1) in PS. M1 = Maximales Drehmoment der Turbine (für β = 1) = N1/ω1 N1 = Turbinenleistung in PS zu Beginn des Verstellvorganges (o < a < 1). bN1 = Turbinenleistung in PS zu Ende des Verstellvorganges (o < b ≦ 1). a • M1 und b • M1 seien die entsprechenden Drehmomente. T = Totale Schließ- bezw. Oeffnungszeit in Sek., d. i. die Zeit, die zum vollständigen Schließen (a = 1; b = 0) oder Oeffnen (a = 0; b =1) der Turbine nötig ist. J = Trägheitsmoment aller Schwungmassen in kgm-Sek. 2. Die Berechnung des ersten Maximums oder Minimums der Tourenzahl läßt sich nur auf Grund vereinfachender Annahmen durchführen, und es soll deshalb im folgenden die praktische Zulässigkeit dieser Annahmen näher erörtert werden. 1. Annahme: In den nachfolgenden Betrachtungen ist vorausgesetzt, daß das Schließen und Oeffnen des Leitapparates mit konstanter Geschwindigkeit geschehe, d.h., daß die Aenderung des Ausflußquerschnitts J1 eine lineare Funktion der Zeit sei. Die Zeit tab, welche für eine Verstellung des Leitapparates von einer Beaufschlagungsgröße a auf b nötig ist, wäre dann gleich (a – b) T (s. a. Fig. 6). Obwohl nun in Wirklichkeit die Schließ- und Oeffnungskurven ganz verschieden gestaltet sein können, da die Art des Verstellens von der Ausführung des Reguliermechanismus, abhängt, so haben doch Versuche gezeigt, daß die oben getroffene Annahme mit praktisch genügender Genauigkeit die tatsächlich auftretenden Vorgänge wiedergibt. Als zweite vereinfachende Annahme ist in den nachfolgenden Betrachtungen vorausgesetzt, daß bei konstanter Tourenzahl und konstantem Druck die Leistungs- bezw. Momentenänderung eine lineare Funktion der Oeffnung sei; so daß z.B. der Oeffnung β die Leistung β N1 bezw. das Moment β • M1 entspricht. Auch diese Annahme dürfte, wie Versuche gezeigt haben, in den meisten praktisch vorkommenden Fällen mit genügender Genauigkeit die tatsächlichen Verhältnisse wiedergeben, da die Leerlaufarbeit der Turbinen allein meistens so gering ist, daß sie gegenüber der maximalen Turbinenleistung vernachlässigt werden kann. In dritter Linie ist die Annahme getroffen, daß die lineare Variation der Turbinenleistung bezw. des Drehmomentes in Funktion der Oeffnung auch bei veränderlicher Tourenzahl bestehe. Diese Annahme ist bei kleineren Abweichungen (± 5 v. H.) von der normalen Tourenzahl wohl ohne weiteres zulässig, kann aber bei größeren Geschwindigkeitsdifferenzen erhebliche Fehler im Gefolge haben, wie kurz gezeigt werden soll. a) Lineare Variation des Drehmomentes. Die Turbine werde von der Anfangsbelastung a • M1 plötzlich auf die Endbelastung b • M1 entlastet. Da nun der Regulator zum Einstellen derjenigen Leitschaufelöffnung, welche der neuen Belastung entspricht, eine bestimmte Zeit ΔT braucht, so wird die während dieser Zeit freiwerdende Arbeitsmenge in den rotierenden Schwungmassen aufgespeichert, was eine Beschleunigung derselben zur Folge hat. Rechnen wir die Zeit t vom Beginn der Entlastung, so ist mit Benutzung der oben angeführten Annahmen, der in jedem Zeitpunkt vorhandene Momentenüberschuß ΔM1 ausgedrückt durch die Formel: \Delta\,M_1=(a-b)\,M_1-\frac{M_1}{T}\,.\,t . . . 1) (s. a. Fig. 6). Bezeichnet ferner ω die Winkelgeschwindigkeit eines rotierenden Körpers, so gilt bekanntlich: J\,.\,\frac{d\,\omega}{d\,t}=\Delta\,M_1 . . . . . 2) Substituiert man nun aus Gleichung 1 ΔM1 in Gleichung 2, so ergibt sich nach durchgeführter Integration: \omega=\frac{M_1}{J}\,\left[(a-b)\,t-\frac{t^2}{2\,T}\right]+\mbox{ Konstante} . 3) Ist ωa die Winkelgeschwindigkeit zu Beginn der Entlastung, d.h. zurzeit t = 0, und ω die Winkelgeschwindigkeit zurzeit t = ΔT, so folgt: \omega=\omega_a+\frac{M_1}{J}\,.\,\left[(a-b)\,t-\frac{t^2}{2\,T}\right] . . 4) Textabbildung Bd. 326, S. 120 Fig. 1. d.h. ω variiert mit t in den Koordinaten einer Parabel (s. Fig. 2). Im Augenblick t = ΔT (s. Gleichung 6) ist ω = ωm, d.h. ein Maximum geworden, weil in diesem Augenblick das überschüssige Drehmoment ΔM1 zu Null wird und somit nach Gleichung 2 ω in diesem Augenblick ein Extremum werden muß. Man erhält aus Gleichung 4: \omega_m=\omega_a+\frac{M_1}{J}\,\left[(a-b)\,\Delta\,T-\frac{\Delta\,T^2}{2\,T}\right] . . 5) Nach der unter 1 getroffenen Annahme kann man nun: ΔT = (ab) T . . . . . 6) setzen, und indem man noch \omega=\frac{\pi\,.\,n}{30} (n = Tourenzahl) setzt, so ergibt sich die einfache Beziehung: n_m=n_a+\frac{30\,.\,M_1}{\pi\,.\,J}\,[a-b]^2\,.\,\frac{T}{2} . . . 7) mit deren Hilfe die maximale Drehzahl nm leicht ermittelt werden kann. Zwecks Prüfung, inwieweit die Voraussetzung linearer Momentenänderung bei veränderlicher Drehzahl erfüllt ist, wurde mit Hilfe der aus dieser Voraussetzung abgeleiteten Gleichung 4 sowie des theoretischen Turbinendiagramms in Fig. 1 unter Annahme einer 40prozentigen Steigerung der Drehzahl mit einer angenommenen Vollentlastung (a = 1 : b = 0) die Momentenkurve aufgezeichnet. (In der Fig. 4 ausgezogen). Textabbildung Bd. 326, S. 121 Fig. 2.Lineare Aenderung des Drehmoments. Textabbildung Bd. 326, S. 121 Fig. 3.Lineare Aenderung der Leistung. Wie nun aus Fig. 4 zu ersehen ist, weicht die so erhaltene Momentenkurve von der Geraden stark nach unten ab und es besteht eine größte Differenz von etwa 30 v. H. Das gleiche tritt ein, wenn man die Momentenkurve für den Fall einer plötzlichen Totalbelastung und den gleichen Voraussetzungen wie oben, konstruiert, nur weicht dann die Momentenkurve nach oben von der Geraden ab. (In Fig. 4 ausgezogen.) Die außerdem in Fig. 1 als Funktion der Tourenzahl dargestellte Aenderung des Drehmomentes zeigt, daß diese Aenderung eine ganz verschiedene ist, je nachdem eine Belastung (d.h. Tourenabfall) oder Entlastung (d.h. Tourenerhöhung) vorliegt. Als Ergebnis dieser Ueberlegungen folgt somit, daß für größere Abweichungen von der normalen Drehzahl die Annahme linearer Momentenänderung nicht mehr zulässig ist, da sie namhafte Fehler im Gefolge haben kann. b) Lineare Variation der Leistung. Unter den gleichen Voraussetzungen wie oben ist der in jedem Augenblick vorhandene Leistungsüberschuß ausgedrückt durch die Formel: \Delta\,L_1=(a-b)\,L_1-\frac{L_1}{T}\,t . . . 1') wo L1 = maximale Turbinenleistung in mkg/Sek. Textabbildung Bd. 326, S. 121 Fig. 4. Als zweite Gleichung gilt dann wieder: J\,\frac{d\,\omega}{d\,t}=\Delta\,M_1=\frac{\Delta\,L_1}{\omega} . . . 2') Substituiert man dann wiederum ΔL1 aus Gleichung 1 in Gleichung 2 und integriert, so ergibt sich: J\,.\,\frac{\omega^2}{2}=\left[(a-b)\,t-\frac{t^2}{2\,T}\right]\,L_1+\mbox{ Konstante} . 3') Ist nun ωa die Winkelgeschwindigkeit zu Beginn und ω diejenige zu Ende der Entlastung, so folgt: \omega^2={\omega_a}^2+\frac{2\,.\,L_1}{J}\,\left[(a-b)\,t-\frac{t^2}{2\,T}\right] . 4') d.h. ω variiert mit t in den Koordinaten einer Ellipse (s. Fig. 3). Es ist wiederum im Augenblick: t = ΔT = (a – b) T nach Gleichung 6 ω = ωim d.h. ein Maximum, da in diesem Zeitpunkt ΔL1 = 0 wird. Man erhält aus Gleichung 4': {\omega_m}^2={\omega_a}^2+\frac{2\,.\,L_1}{J}\,(a-b)^2\,.\,\frac{T}{2} . . 5') und indem man L1 = 75 N1 und \omega=\frac{\pi\,.\,n}{30} . . . 6') setzt, folgt: {n_m}^2={n_a}^2+\left(\frac{30}{\pi}\right)^2\,\frac{150\,.\,N_1}{J}\,(a-b)^2\,.\,\frac{T}{2} . 7') welche Gleichung ähnlich gebaut ist wie Gleichung 7. Um wiederum zu prüfen inwieweit die Voraussetzung linearer Variation der Leistung bei veränderlicher Drehzahl erfüllt ist, wurde unter Zuhilfenahme der aus dieser Voraussetzung abgeleiteten Gleichung Gleichung 4' des theoretischen Turbinendiagrammes (Fig. 1) und unter Annahme einer 40prozentigen Steigerung der Drehzahl bei Vollentlastung, die Leistungskurve aufgezeichnet (in Fig. 4 punktiert). Wie Fig. 4 zeigt, ist die Abweichung der so erhaltenen Leistungskurve von der Geraden relativ gering, denn sie beträgt nunmehr im Maximum etwa 10 v. H. Eine ähnlich verlaufende Leistungskurve erhält man für eine plötzliche Totalbelastung bei sonst gleichen Voraussetzungen wie oben. In Fig. 1 ist dann außerdem noch der Verlauf der Leistung als Funktion der Drehzahl bei plötzlicher Total Be- und Entlastung eingezeichnet und es ist aus der Figur zu ersehen, daß die beiden Kurven einen ähnlichen Verlauf aufweisen. Textabbildung Bd. 326, S. 122 Fig. 5. Es erhellt somit, daß selbst bei größeren Aenderungen der Drehzahl die Annahme linearer Leistungsvariation in allen praktisch vorkommenden Fällen genügend genaue Resultate liefern dürfte, wohingegen die Annahme linearer Momentenvariation, in diesen Fällen namhafte Fehler im Gefolge haben kann. Wie aus Gleichung 7 und 7' leicht zu ersehen ist, kann nm durch Anbringung genügend schwerer Schwungmassen innerhalb gewisser Grenzen niedrig gehalten werden. Von gleichem Einfluß ist eine Verkleinerung der Schließ- bezw. Oeffnungszeit T. Ein allzuschweres Schwungrad ist aber, abgesehen von den nicht zu unterschätzenden Kosten, auch deshalb nicht vorteilhaft, weil infolge der Erhöhung der Lagerreibung ein ständiger Energieverlust und schnellere Abnutzung der Lager selbst in Kauf genommen werden muß. Ebenso darf, sofern keine Druckregulierung vorhanden ist, die Vergrößerung der Verstellgeschwindigkeit, also eine Verkleinerung der Verstelldauer T, nicht allzuweit getrieben werden; den außer den technisch-konstruktiven Schwierigkeiten, die sich dem entgegenstellen, kann ein zu kleines T infolge der dadurch bedingten Druckschwankungen einerseits zu Rohrbrüchen führen und andererseits kann diese Maßregel für die Regulierung gerade das Gegenteil der erstrebten Wirkung zur Folge haben. Dies ist speziell dann der Fall, wenn das Arbeitswasser durch relativ lange Rohrleitungen zugeführt wird. Da nämlich jede Veränderung der Beaufschlagung mit einer Vergrößerung oder Verkleinerung des Wasserflusses, also der Rohrgeschwindigkeit C verbunden ist, macht sich bei kleinen Oeffnungs- und Schlußzeiten die Wirkung der Massenträgheit des im Rohre fließenden Wassers in hohem Maße geltend und äußert sich in Form von Druckschwankungen, die ihrerseits wieder die momentane Arbeitsleistung der Turbinen sehr stark beeinflussen.s.u.a. Allièvi-Dubs „Allgemeine Theorie über die veränderliche Bewegung des Wassers in Rohrleitungen“. Springer, Berlin, 1909, II. Kap., § 6, Fig. 4. Textabbildung Bd. 326, S. 122 Fig. 6. Die Untersuchung dieses Einflusses bildet das eigentliche Thema der vorliegenden Abhandlung, bevor wir jedoch auf dasselbe eintreten, sollen im folgenden Abschnitt noch kurz einige Formeln zur Berechnung von Schwungmomenten entwickelt werden, gültig für die Fälle, wo nur kleine Druckschwankungen zu erwarten sind. (Fortsetzung folgt.)