Titel: Polytechnische Rundschau.
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 381
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Polytechnische Rundschau. Polytechnische Rundschau. Lokomotiv-Speisewasservorwärmer. Schon früher wurde versucht, den Abdampf der Lokomotiven zur Speisewasservorwärmung zu verwenden. Dabei mußte aber Rücksicht darauf genommen werden, daß die Temperatur des Speisewassers nicht zu hoch stieg, da zu warmes Wasser vom Dampfinjektor nicht mehr angesaugt wird. Bei einigen amerikanischen Eisenbahngesellschaften wurde deshalb nur der Abdampf der Westinghouse-Pumpe zur Speisewasservorwärmung gebraucht. Bei einem gewöhnlichen Injektor darf die Speisewassertemperatur etwa 45° C nicht überschreiten bei gewöhnlicher Dampfspannung für Lokomotivkessel. Versuche mit einem besonders gebauten Heißwasser-Injektor haben als Grenze 50° bei 14 at Kesselspannung ergeben. Bei einer Wassertemperatur von 18° fördert der Injektor bei 1 kg Dampf verbrauch 27 kg Wasser, bei einem Dampfüberdruck von etwa ⅓ at, bei 3½ at Dampfspannung 20 kg, bei 7 at 15 kg und bei 12,5 at nur mehr 11 kg Wasser. Der Dampfinjektor stellt selbst einen Speisewasservorwärmer dar. Um Frischdampf zu sparen, hat man Abdampfinjektoren gebaut die ebenfalls als Speisewasservorwärmer dienen. Hier können bis zu 80° C erreicht werden. Der Nachteil dieser Bauart besteht darin, daß dieser Injektor stets mit einem Frischdampfinjektor verbunden sein muß. Der Abdampfinjektor gibt etwa 10 v. H. Dampfersparnis im Vergleich mit einem Frischdampfinjektor. Bei der „London and South Western Railway“ wurde das Speisewasser im Tank durch den Abdampf vorgewärmt und dann durch eine unabhängige Pumpe in den Kessel gedrückt. Die Speisewassertemperatur konnte dabei beliebig hoch sein. Hierbei erhielt man 80° C Speisewassertemperatur und verbrauchte 13 v. H. weniger Kohlen. Bei der Georgia-Eisenbahngesellschaft in Nordamerika findet der Gaines-Vorwärmer Verwendung. Er besteht aus zwei Abdampf-Vorwärmern und zwei Rauchkammer-Vorwärmern. Dieses System gibt einen geringeren Wirkungsgrad als der Vorwärmer Bauart Trevithik, der seit 1900 bei der ägyptischen Staatsbahn erprobt wird. Hier werden 110–115° C Speisewassertemperatur erreicht. Die Speisewasserpumpe braucht dabei 2,2 kg Dampf, um 100 kg Wasser in den Dampfkessel zu drücken. Der erzielte Gewinn ist dabei 14,6 v. H. gegenüber dem gewöhnlichen Dampfinjektor. Schon im Jahre 1865 wurde eine alte Güterzuglokomotive (Nr. 209) mit einem Speisewasservorwärmer Bauart Trevithik ausgerüstet, der sich oberhalb des Dampfdomes längs der ganzen Lokomotive erstreckte und dieser ein eigenartiges Aussehen gab. Dieser Speisewasservorwärmer arbeitete befriedigend, und das Wasser in ihm wurde bis zu 110° C erwärmt. Der Auspuffdampf kondensierte fast völlig im Vorwärmer, und das austretende Kondenswasser verdarb die Ladung der unmittelbar folgenden Güterwagen. Um diesen Nachteil zu vermeiden, wurde der Vorwärmer bei der nächsten Lokomotive in (Nr. 41) die vergrößerte Rauchkammer eingebaut und bestand aus sechs Teilen. Jede Abteilung war durch eine besondere Tür zugänglich, so daß sich an der Rauchkammer sieben Türen, die Rauchkammertür mitgerechnet, befanden. Das Speisewasser konnte hier bis zu 110° C vorgewärmt werden. Bei der Lokomotive Nr. 620 wurde der Vorwärmer, der durch den Auspuffdampf geheizt wird, besonders vergrößert. Der Abdampf der Speisepumpe strömte ebenfalls in diesen Vorwärmer. An diesen Vorwärmer ist dann noch der Rauchkammer-Vorwärmer angeschlossen. Durch den Einbau eines solchen wird der Funkenauswurf gänzlich verhindert, so daß bei dieser Eisenbahn leicht entzündliche Waren in offenen Güterwagen transportiert werden können. Die Lokomotive Nr. 620 fördert Schnellzüge zwischen Kairo und Alexandrien im regulären Zugdienst mit anderen Lokomotiven derselben Bauart, ohne Speisewasservorwärmer. Aus 36500 Zugkilometern ergab sich der Kohlenverbrauch um 10 v. H. kleiner als bei den neun Lokomotiven ohne Vorwärmer, die 475000 km zusammen zurückgelegt hatten. Nachdem die Lokomotive mit Vorwärmer 48000 km zurückgelegt hatte, wurden dabei am Rauchkammervorwärmer nur geringe Abnutzungen gefunden. Die folgende Tabelle gibt die Hauptabmessungen der erwähnten Lokomotiven mit Speisewasservorwärmer Bauart Trevithik. Lokomotive Nr. 209 41 620 Bauart 0–6–0 2–4–0 4–4–0 Zylinder mm 444 × 610 444 × 610 457 × 610 Gesamtheizfläche qm 120 110 115 Rostfläche qm 1,5 1,75 1,98 Kesseldruck at 10 10 11 Abdampf-Vorwärmer-Heizfl qm 3,2 3,3 13,5 Rauchgas-Vorwärmer-Heizfl. „ 58 31 14,7 Temperatur des erwärmten    Speisewassers°C 132 111 124 [Engineering 1911, S. 143–146.] W. Kohlenkran. Für die Firma Ferrocarril de Lengreo in Spanien haben Babcock & Wilcox in London einen elektrisch betriebenen Kohlenverladekran geliefert, der dazu bestimmt ist, die in Bodenentlader ankommende Kohle in Kohlenleichter zu entladen. Der Kran besteht aus einem fahrbaren, zwei Gleise überspannenden Gerüst, das die Laufschienen für eine Auslegerkatze trägt. Die Kohle kommt von der Zeche in Spezialwagen mit Bodentüren an. Der zu entladende Wagen fährt unter dem Kranportal auf eine an einem kräftigen Querstück hängende Plattform mit Bodenöffnungen. Das Querstück hängt auf Kugeln drehbar an der Unterflasche der Katze. Nach dem Anheben der Plattform wird sie um 90° gedreht und dann festgestellt; die Längsachse des Wagens seht nun senkrecht zur Kaimauer. Die Katze führt die Plattform nun über das Schiff, in das die Kohle nach dem Oeffnen der Bodenklappen fällt. Um die Fallhöhe zu vermindern, kann man den Wagen auch noch soweit wie möglich herablassen. Das Heraufziehen der Wagen auf die Plattform geschieht durch ein elektrisch betriebenes Spill auf dem wasserseitigen Radkasten des Kranes. Der Kran besitzt eine Tragkraft von 20 t; er ist mit 25 t geprüft worden. Die Spannweite des Portales beträgt 8 m, die Ausladung der Katze 9,5 m. Die Katzenfahrschienen liegen 8,2 m über Kaisohle. Die minutl. Geschwindigkeiten sind folgende: Heben von 20 t 1,5 m. Katzefahren 15 m und Kranfahren 12 m. Das Spill verholt drei Wagen von je 15 t mit 18 m i. d. Min. Der Betrieb hat ergeben, daß man in der Stunde 12 bis 14 Wagen von 10 t Ladegewicht entladen kann. Der Betriebsstrom ist Gleichstrom von 500 Volt. Der Hubmotor leistet 14 PS bei n = 640, der Katzefahrmotor 10 PS bei n = 530, der Kranfahrmotor 12 PS, bei n = 450, und der Spillmotor 10 PS bei n = 500. Die Lastsenkgeschwindigkeit wird mittels Ankerkurzschlußbremsung geregelt; zum Halten der Last dient eine elektromagnetische Bandbremse. [Engineering 1911, I, S. 416] Ds. Die Kennziffer von Freistrahlturbinen. Die Kennziffer oder die spezifische Umlaufzahl einer Turbine ist diejenige Umlaufzahl, bei welcher eine Turbine unter einem Gefälle von 1 m eine Leistung von 1 PS abgibt. Bei Turbinen mit mehreren Laufrädern ist als spezifische Umlaufzahl diejenige eines ihrer Räder anzusehen. An dieser Bestimmung der Kennziffer, wie sie bei Reaktionsturbinen bekannt ist, kann man auch bei den mit dem Reaktionsgrade Null arbeitenden Freistrahlturbinen festhalten. Wenn man für den Wirkungsgrad der Düse 0,97 und für das Verhältnis von Umfangsgeschwindigkeit zu Wasserstrahlgeschwindigkeit 0,485 einführt, so ergibt sich für die spezifische Umlaufzahl der Wert von 223\,\frac{d}{D}; hierin sind d die Strahldicke und D der Durchmesser des Laufrades. Da das angegebene Durchmesserverhältnis, sofern die Turbine wirtschaftlich arbeiten soll, nicht größer werden darf als 1 : 10, so beträgt der Höchstwert der spezifischen Umlaufzahl 22,3, und man muß zu einer Vermehrung der Düsen schreiten, wenn die Turbine eine noch höhere spezifische Umlaufzahl erreichen soll. Mit zwei auf ein Rad wirkenden Düsen – eine vielfach verbreitete Bauart – hat man bei einem Verhältnis von Strahldicke zu Raddurchmesser = 1 : 12 ohne Einbuße am Wirkungsgrad spezifische Umlaufzahlen von 26,5 erreichen können. Bei Turbinen mit zwei getrennten Rädern kann man, da sich die Düsen gegenseitig nicht stören, auf das Verhältnis \frac{d}{D}=\frac{1}{10} zurückgehen, also nur eine höchste spezifische Umlaufzahl von 22,3 erhalten; dagegen ist die höchte erreichbare Umdrehungszahl der Doppelturbine =22,3\,.\,1,415\,.\,H\,\frac{\sqrt[4]{H}}{\sqrt{N}}, also etwas günstiger als diejenige bei einer Turbine mit zwei Düsen und einem Laufrade. Vermehrt man die Anzahl der auf ein Laufrad wirkenden Düsen auf drei, so kann man nicht mehr darauf rechnen, eine spezifische Umlaufzahl von 22,3√3 zu erreichen, weil, damit Wasserstauungen vermieden werden, \frac{d}{D} einen viel kleineren Wert als \frac{1}{10} erhalten muß. (Schauffelberger.) [Zeitschr. f. d. gesamte Turbinenwesen 1911, S. 87 bis 88.] H. Die Einheiten in der Kälteindustrie. Ein von der Association du froid gewähltes Komitee war mit der Aufgabe betraut worden, für die praktischen Bedürfnisse der Kälteindustrie Vorschläge über ein System von internationalen Einheitsmaßen zu machen, das sich einerseits an das metrische Maßsystem, andererseits an das heute in den gesamten technischen Wissenschaften übliche C-G-S-System anschließt. In einem von dem Direktor des internationalen Büros für Maße und Gewichte, Guillaume, ausgearbeiteten Bericht werden nun folgende Einheiten vorgeschlagen: 1. Für den Raum die heute üblichen, auf dem Metermaß beruhenden Einheiten und bei Winkelmessungen als Einheit einen Winkel, dessen Größe gleich dem Radius des Bogens ist. 2. Für die Zeit die Sekunde. 3. Für die Geschwindigkeit und 4. für die mechanische Wirkung (Maße, Druck, Kraft usw.) das Kilogramm bezw. die Tonne = 1 cbm reinen Wassers. Für die lebendige Kraft einer Masse das Megadyne = 1 kg 10 m/Sek.2. 5. Für den Druck das Megabaryl = Megadyne auf 1 qcm 750 mm Hg bei normaler Beschleunigung der Schwere. 6. Für die Energie (Kraft × Längeneinheit) das „Joule“ = Megadyne × 1 dm = 1 kg × 1 m2/S2 und als Einheit für die Leistung an Stelle der veralteten und in das metrische Maß nicht passenden Einheit der Pferdekraft (bezw. „Poncelet“ = 00 kg für 1 Sek.) das in der Elektrotechnik übliche Watt = Joule pro Sek. = kg m2S3. Für Temperaturablesungen wird die absolute Thermometerskala ausgehend von – 273,09° C in Vorschlag gebracht und den abzulesenden Graden die Bezeichnung Kelvin-Grade = K° gegeben. Zur Messung der Wärmemengen wird die Calorie bezogen auf 1 g bezw. 1 kg Wasser bei der spezif. Wärme 1,0000, die der Temperatur von 15° C entspricht, in Vorschlag gebracht, und für Umrechnung in Energiegrößen die Anwendung der sogen. kleinen Calorie beantragt, da diese ungefähr 4,184 Joules gleichkommt. Für die praktischen Bedürfnisse der Kälteindustrie scheint besonders die Einführung einer großen Calorie mit negativem Vorzeichen, d. i. jene Kältemenge, die notwendig ist, um 1 kg Wasser von 15°C auf 14° C zu bringen, von Bedeutung. Diese Kältemenge wird „Frigorie“ genannt. [Chem.-Ztg. 1911, S. 3.] Dr. S. Das Wasserkraft-Elektrizitätswerk am Chicago-Abwässerungskanal. Der Abwässerungskanal des Sanitary District of Chicago ist ein künstlich hergestellter Wasserlauf von 48 km Länge, welcher die Aufgabe hat, die Abwässer dieses Teiles der Stadt Chicago zusammen mit annähernd 24000 cbm Wasser aus dem Michigan-See in den Desplaines River und so über den Jllinois River und den Mississippi nach dem Golf von Mexiko zu befördern. Die Aufgabe, die man hiermit gelöst hat, bestand im wesentlichen darin, die Abwässer von dem Michigan-See fernzuhalten, welcher zur Trinkwasserversorgung von Chicago und anderen Städten dient. An seinem ursprünglichen Endpunkt bei Lockport ist der Kanal mit Schleusen versehen, welche die Menge des aus dem Michigan-See entnommenen Wassers zu regeln haben. Insgesamt sind hier sieben elektrisch betriebene Schützenwehre von 12 m Lichtweite und 6 m Hubhöhe vorhanden, sowie ein 48 m breites Klappenwehr, welches sich unier dem Wasserdruck selbsttätig einstellt und 3,6 m Hubhöhe besitzt. Durch Verlängerung dieses bereits im Jahre 1900 fertiggestellten Wasserlaufes um 3,2 km hat man nun, da der Desplaines River an dieser Stelle ein großes Gefälle aufweist, die Möglichkeit geschaffen, die Wasserkraft dieser großen, außerordentlich gleichförmigen Wassermenge nutzbar zu machen. Die Verhältnisse liegen hier so günstig, daß unterhalb dieses Wasserkraftwerkes von 40000 PS Leistung noch ein zweites von der gleichen Größe angelegt werden kann. Der Vorlauf dieses Kraftwerkes, an dessen Ende das Maschinenhaus liegt, wird dort, wo er in den Kanal einmündet, durch ein äußerst eigenartiges Stauwerk abgeschlossen, welches den Namen „Schmetterlingsdamm“ führt. Es handelt sich hierbei um den Abschluß einer 56 m weiten Kanalöffnung mit hohem Wasserdruck durch einen einzigen in der Mitte gelagerten schwingenden Schützen von 18 m Höhe, dessen unterer Zapfen im Betriebe einen Wasserdruck von 1700000 kg auszuhalten hat und als 812 mm weiter Zylinder 16 m tief im Felsboden verankert ist. Der obere Zapfen dieses Drehtores ist im Betriebe nur mit 820000 kg belastet und in einer Gitterträgerbrücke gelagert, welche mit 58 m Spannweite über den Kanal gelegt ist. Das Drehtor wird, wenn es außer Betrieb ist, in die Stromrichtung eingestellt, wobei an seinen Seiten 24 m breite Schiffahrtsrinnen frei bleiben. Soll das Tor geschlossen werden, so setzt man es zunächst mittels seines elektrischen Getriebes in Bewegung und öffnet auf der einen Seite eine Anzahl von Schützenöffnungen derart, daß sich das Tor infolge des auf einer Seite überwiegenden Wasserdruckes selbsttätig schließt. Das Gewicht des Tores beträgt 73000 kg. Das quer über den Kanal gebaute Maschinenhaus des Kraftwerkes hat 117 m Länge, 21,3 m Breite und 14,3 m Höhe und ist für acht Maschinengruppen von je 4000 KW bemessen, von denen bis jetzt sechs in Betrieb sind. Da das Werk nur ein Gefälle von 10,36 m besitzt, so hat man, um eine höhere Umdrehungszahl zu erzielen, je sechs Laufräder auf gemeinsamen wagerechten Wellen von 305 mm und 21,75 m Länge angeordnet. Diese Wellen bestehen aus drei Teilen, wovon einer aus Siemens-Martin-Stahl, einer aus Nickelstahl und einer aus geglühtem Nickelstahl hergestellt ist, um bei gleichbleibender Wellendicke die wachsenden Drehmomente sicher fortleiten zu können. Die Laufräder von 1372 mm verbrauchen bei 80 v. H. Leitschaufelöffnung 2832 cbm i. d. Min. bei 163 Umdr. i. d. Min. und 5360 PS Leistung. Die Saugkrümmer aus Beton sind im Fundament eingelassen. Mit den Turbinen sind 4000 KW-Drehstromdynamos von 6600 Volt Spannung unmittelbar gekuppelt, deren Magneträder 5486 mm besitzen. Die zugehörigen Erregermaschinen werden von zwei 600 pferdigen Turbinen angetrieben. Der erzeugte Strom wird in 18 Transformatoren auf 44000 Volt Spannung gebracht und nach Chicago geleitet, wo er zum größten Teil von den städtischen Beleuchtungsanlagen, zum Teil aber auch von Privaten verbraucht wird. [Electrical World 1911. I. S. 103–107 und 171–175.] H.