Titel: VERFAHREN ZUR ERMITTLUNG DES SCHWUNGRADES BEI MASCHINEN MIT KURBELGETRIEBEN.
Autor: Leopold Feigl
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 529
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VERFAHREN ZUR ERMITTLUNG DES SCHWUNGRADES BEI MASCHINEN MIT KURBELGETRIEBEN. Von Leopold Feigl in Wien. FEIGL: Verfahren zur Ermittlung des Schwungrades bei Maschinen mit Kurbelgetrieben. Inhaltsübersicht. Es wird ein Verfahren angegeben, mittels welchem man das Schwungradgewicht aus dem Ueber- bezw. Horizontaldruckdiagramm ermitteln kann. Angabe von Zahlenwerten zur Konstruktion der hierzn nötigen Hilfskurve. ––––– Das Gewicht des Schwungrades wird bei Maschinen mit Kurbelgetrieben in der Regel mittels des Tangentialdruckdiagramms bestimmt. Das an sich einfache Verfahren wird durch häufige Ausführung desselben Vorganges (Ermittlung des Tangentialdruckes aus dem Ueberdruck) langwierig, so daß man in der Praxis sehr oft von einer zeichnerischen Bestimmung der Ueber- bezw. Unterschußflächen, aus deren Größe man das Schwungradgewicht rechnet, absieht, und das Gewicht nach Faustformeln bestimmt. Es läßt sich nun das Verfahren zur Ermittlung des Tangentialdruckdiagramms derart ausbilden, daß die wiederholte Bestimmung der Tangentialdrücke vollständig entfällt und bloß die nothwendigen Planimetrierungen vorzunehmen sind. Dieses Verfahren soll durch die folgenden Ausführungen erläutert werden. Bezeichnet man den Ueberdruck auf den Kolben mit pu, den Tangentialdruck mit t, beide bezogen auf die Flächeneinheit des Kolbens, die Länge des Kurbelhalbmessers mit r, die des Hubes mit s = 2 r, die momentane Ausweichung der Kurbel aus der Totlage mit φ, jene der Pleuelstange mit ß, so lassen sich die folgenden Gleichungen aufstellen: t=p_u\,.\,\frac{\mbox{sin}\,(\varphi+\beta)}{\mbox{cos}\,\beta} . . . . . 1) pu · ds = t · r · dϕ . . . . . 2) Setzt man \frac{\mbox{sin}\,(\varphi+\beta)}{\mbox{cos}\,\beta}=m . . . . . 3) so kann man Gleichung 1 auch schreiben: t = pu · m . . . . . . 4) Gleichung i und 4. besagen, daß Ueberdruck. und Tangentialdruck für ein und dieselbe Kolbenstellung (Kurbelstellung) einander proportional sind, und daß der Proportionalitätsfaktor m eine Funktion dieser Stellung ist. Aus Gleichung 2 folgt, daß die Flächen des Ueberdruck- und Tangentialdruckdiagramms einander gleich sein müssen. Denken wir uns diese Flächen in der üblichen Weise durch Planimetrieren ermittelt und in Rechtecke verwandelt, deren Grundlinien s bezw. \frac{s\,\pi}{2} sind, so ergeben sich die Höhen der Rechtecke wie folgt: p_m^n=\frac{1}{s}\,\int_0^{\pi}\,p_u\,.\,d\,s . . . . . . 5) t_m=\frac{2}{s\,\pi}\,\int_0^{\pi}\,t\,r\,d\,\varphi . . . . . . 6) Man bezeichnet diese Höhen als die mittleren Drucke. Zwischen ihnen besteht das Verhältnis: t_m=\frac{2}{\pi}\,.\,p_m^n . . . . . . 7) Sie sind also einander proportional; der Proportionalitätsfaktor \frac{2}{\pi} ist konstant, d.h. unabhängig von der Kurbelstellung. Aus den Gleichungen 4 und 7 folgt, daß die Differenzen (pu – pum) und (t – tm) für die gleiche Kurbelstellung einander nicht proportional sein können, woraus sich als nothwendige Folge ergibt, daß die entsprechenden Ueber- und Unterschußflächen einander nicht proportional sein können. Da man nun das Schwungrad mit Rücksicht auf die Ungleichmäßigkeiten der Tangentialdrücke und nicht der Kolbenüberdrucke bemißt, kann das Ueberdruckdiagramm in der eben erwähnten Form hierzu nicht verwendet werden. Wenn man jedoch das Ueberdruckdiagramm zur Ermittlung von Ueber- und Unterschußflächen benutzen will, die denen des Tangentialdruckdiagramms proportional sind, so muß man die Ueberdrücke mit Größen zusammensetzen, die dem mittleren Tangentialdruck tm proportional sind, und zwar muß es derselbe Proportionalitätsfaktor sein, wie zwischen t und pu bei der gleichen Kurbelstellung. Man kann daher die Gleichung aufstellen: t – tm = m (pu – y) . . . . 8) Kombiniert man die Gleichungen 8 und 4, so erhält man: y=\frac{1}{m}\,.\,t_m . . . . . 9) Textabbildung Bd. 326, S. 530 Fig. 1. Gleichung 9 gibt uns das Mittel an die Hand, jene Ersatzkurve im Ueberdruckdiagramm zu konstruieren, die der Geraden des mittleren Druckes im Tangentialdruckdiagramm entspricht. Zeichnet man (Fig. 1) den Kurbelkreis, so muß man zunächst die Wege S0 bis S6, die zu den Kurbelstellungen \overline{O_0} bis \overline{O_6} gehören, ermitteln. Es ist für die folgende Konstruktion ohne Einfluß, ob man die Wege mittels Bogenprojektion oder auf Grund eines Ersatzverfahrens, das den Weg genau ermitteln läßt, bestimmt. In Fig. 1 sind sie mit Hilfe einer Methode gefunden, die im 58. Band der Zeitschrift für Mathematik und Physik vom Verfasser veröffentlicht wurde.L. Feigl, Die Ermittlung der Bewegungsverhältnisse von Kurbelgetrieben in einfacher zeichnerischer Behandlungsweise. Z. f. M. u. Ph. 1910, Heft 1/2. S. 173 ff.Man macht \overline{O\,O_1}=\frac{r^2}{l}, zieht durch O1 Parallelen zu den Kurbelstellungen und verbindet die Schnittpunkte dieser Geraden mit dem Kreis 1', 2'. . . mit den Punkten 11 21 usw. Die Schnittpunkte S1 S2. . . dieser Geraden mit der Abszissenachse ergeben die Kolbenstellungen. Die Richtungen der Pleuelstange erhält man, wenn man die Punkte I', II' mit I bezw. II verbindet. Die Beweise für diese Konstruktionen befinden sich in der vorerwähnten Arbeit. Um nun die Werte y zu finden, trägt man tm von O auf der Ordinatenachse auf und legt durch den Punkt a3 Parallelen zu den vorerwähnten Schubstangenrichtungen. Diese schneiden von den Kurbelstellungen die Längen y ab. Betrachten wir z.B. das Dreieck a1Oa3, so ist ∡a1 O a3= ∡ (90 – φ) und ∡ a3 a1 O = ∡ (φ + β), d. f. \frac{\overline{O\,a_3}}{\mbox{sin}\,(\varphi+\beta)}=\frac{\overline{O\,a_1}}{\mbox{cos}\,\varphi}., \overline{O\,a_1}=\frac{\mbox{cos}\,\varphi}{\mbox{sin}\,(\varphi+\beta)}\,.\,t_m=\frac{1}{m}\,.\,t_m, \overline{O\,a_1}=y_1. Die so ermittelte Kurve hat zwei unendlich ferne Punkte, und zwar für φ = 0 und φ = 180°. Für φ = 90° wird y3 = S3 A3 = tm. Die Fläche unter dieser Kurve hat, wie leicht nachzuweisen, die Größe t_m\,.\,\frac{s\,.\,\pi}{2}. Für unendliche Schubstangenlänge wird die Kurve gegen die Ordinatenachse symmetrisch. Textabbildung Bd. 326, S. 530 Fig. 2. In Fig. 2 ist die Anwendung des Verfahrens auf einen einfachen Fall (Dampfdiagramm ohne Kompression) gezeigt. Zunächst muß das Ueberdruckdiagramm planimetriert werden, wodurch man pum erhält. Dann bestimmt man nach Gleichung 7 tm tm trägt man an der richtigen Stelle, das ist für φ = 90°, auf. Nun kann man die Größen y nach Fig. 1 ermitteln. Planimetriert man hierauf die Fläche a b c und subtrahiert sie von t_m\,.\,\frac{\pi}{2}\,.\,s, so erhält man die Fläche (c d ∞ + ∞ h a). In Fig. 2 ist der Einfachheit halber nur der Hingang berücksichtigt worden. Die oberwähnten Flächen sind die Ueber- und Unterschußflächen. Der Vortheil dieses Verfahrens gegenüber dem jetzt gebräuchlichen ist bedeutend. Die Form der y-Kurve hängt nur vom Maßstab der Größe s ab. Wenn man diesen Maßstab für alle Ermittlungen festlegt, was in der Praxis ohnedies geschieht, da s gewöhnlich zu 100 mm gewählt wird, so bleibt die Form der y-Kurve ungeändert; man kann sie mit den zur Planimetrierung nothwendigen Ordinaten y0 bis y10 auf durchsichtiges Papier zeichnen und über das Ueberdruckdiagramm legen, vorausgesetzt, daß man tm für φ = 90° eingezeichnet hat. (\overline{S_0\,A_0} in Fig. 2). Die ganze Arbeit besteht in diesem Falle in zwei Planimetrierungen. Als Nachtheil dieser Methode könnte angeführt werden, daß die y-Kurve in der Nähe der Totlagen nicht genügend genau konstruiert werden kann. Dieser Nachtheil ist nicht als bedeutend anzusehen, da einerseits nur kurze Stücke der ansteigenden Aeste der Kurve verwendet werden, anderseits zwischen φ = 0° und φ = 10° bezw. φ = 170° und φ = 180° beliebig viele Zwischenpunkte errechnet werden können. Für praktische Verhältnisse läßt sich die Kurve genügend genau unter Zugrundelegung der in nachstehender Tabelle angegebenen Werte für \frac{1}{m} bestimmen. φ 10° 20° 30° 40° 50° 60° 70° 80° 90° 100° 110° 120° 130° 140° 150° 160° 170° 180° \frac{1}{m} 4,81 2,46 1,70 1,35 1,12 1,05 0,99 0,98 1,00 1,05 1,14 1,29 1,48 1,85 2,38 3,43 6,39