Titel: AUSGLEICHUNG BELASTETER, IN SENKRECHTER EBENE SCHWINGENDER KRANAUSLEGER.
Autor: Proetel
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 694
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AUSGLEICHUNG BELASTETER, IN SENKRECHTER EBENE SCHWINGENDER KRANAUSLEGER. Von Regierungsbaumeister Proetel in Saßnitz. PROETEL: Ausgleichung belasteter, in senkrechter Ebene schwingender Kranausleger. Inhaltsübersicht. Begriff der Ausgleichung. Beschreibung und theoretische Begründung der Ausgleichvorrichtungen von Mitchel und Williams, von der Benrather Maschinenfabrik, von Ludwig Stuckenholz und von S. Voß. Gleichzeitige Ausgleichung der Last und des Auslegergewichts mittels Seilabwicklung von einer drehbaren Kurvenscheibe. Begriff der Ausgleichung. Bei Kranen mit in senkrechter Ebene schwingendem Ausleger, sogen. Wippausleger, bewegt sich die Last während der Wippbewegung auf einer gekrümmten Bahn k (vergl. Fig. 1). Der Ausleger befindet sich also im allgemeinen nicht im Gleichgewichtszustände; zu seiner Bewegung ist außer der Ueberwindung der Reibung noch die durch das Heben der Last bedingte Arbeit zu leisten. Textabbildung Bd. 326, S. 694 Fig. 1. Die Form der Bahn k ist von der geometrischen Anordnung der Rollen und Seile abhängig. Sie wird z.B. ein Kreisbogen k1 wenn die Kopfrolle r1 am oberen Auslegerende ihren Abstand von der festen Führungsrolle r2 beim Wippen nicht ändert, d.h., wenn letztere mit dem Auslegerdrehpunkt A zusammenfällt. Sofern r2 oberhalb A liegt, wird der Abstand der beiden Rollen beim Aufrichten des Auslegers geringer, dadurch findet ein Nachlassen der Last gegen die Rolle r1 statt und die Bahn k wird flacher als der Kreisbogen; umgekehrt wird sie steiler, wenn r2 unterhalb A liegt, so daß der Abstand der beiden Rollen beim Aufrichten des Auslegers größer würde. Die Erhebung der Bahn k über die Horizontalebene durch die tiefste Lage des Lastschwerpunktes gibt ein Maß für die bei Ausführung der Wippbewegung geleistete Arbeit; letztere wird zu Null, d.h., das Lastmoment ist aufgehoben, wenn die Bahn zu einer wagerechten Geraden wird. Dieser Fall kann allein durch die geometrische Anordnung der einfachen Seilführung nicht erreicht werden, vielmehr ist dazu eine besondere Ausgleichvorrichtung erforderlich. In den letzten Jahren sind mehrere Verfahren zur Erreichung dieses Zweckes bekannt geworden, die teils vollkommene Aufhebung des Lastmomentes bewirken, teils sich auf mehr oder weniger weitgehende Annäherungen beschränken. Beschreibung und theoretische Begründung einiger neuerer Ausgleichvorrichtungen. 1. Ausgleichvorrichtung von Alfred H. Mitchelin Old-Charlton und Alfred Strover Williams in London.Deutsche Patentschrift Nr. 142878/35 b. (Vergl. Fig. 2.) Textabbildung Bd. 326, S. 694 Fig. 2. Zwischen dem Kranmast m und dem Ausleger l ist ein Lenker v eingeschaltet, dessen Endpunkt C mit dem Kranmast durch ein Gelenk verbunden ist und dessen anderer Endpunkt B mittels einer Hülse oder mittels Stützrollen so geführt ist, daß er sich nur in Richtung der Auslegerachse bewegen kann. Im Punkt D am oberen Ende des Auslegers sitzt die Rolle r1, in den Endpunkten B und C des Lenkers befinden sich die Rollen r2 und r3 Das Lastseil ist über r1 r2 r3 zur Winde geführt. Beim Aufrichten des Auslegers bewegt sich das die Rolle r2 tragende Ende des Lenkers nach dem oberen Auslegerende zu, so daß sich die Rolle r2 der Rolle r1 nähert, wodurch ein Nachlassen des Lastseils stattfindet. Sind die geometrischen Abmessungen so gewählt, daß Punkt C senkrecht über dem Auslegerdrehpunkt A liegt und Strecke A C = Strecke C B = ½ Strecke A D ist, so wird das Nachlassen des Lastseils gleich der Zunahme der senkrechten Erhebung der Rolle r1 so daß die Last in wagerechter Ebene verbleibt. Bezeichnet nämlich h die Höhe des Punktes D über der Horizontalebene durch A, a den Steigungswinkel des Auslegers, so ist h = A D • sin a, Strecke A B = 2 • B C • sin a = A D • sin a. Bei einer Zunahme des Winkels a ist also die Zunahme der Strecke A B gleich der Zunahme der Höhe h9 deshalb ist auch das Nachlassen des Lastseils gleich der Hebung der Rolle r1. Textabbildung Bd. 326, S. 695 Fig. 3. Nach dem Vorschlage der Erfinder soll die Wippbewegung durch einen auf dem Ausleger angebrachten hydraulischen Hebezylinder, welcher die Rolle r2 in Richtung der Auslegerachse auf- und abbewegt, ausgeführt werden. Obgleich diese Ausgleichvorrichtung ziemlich einfach ist, beschränkt sich ihre Anwendung doch auf kleinere Ausführungen. Einerseits ist die erhebliche Biegungsbeanspruchung des Auslegers bei weiten Auslagen ungünstig, anderseits sind die Reibungswiderstände sehr verschieden, je nachdem der Lenker mit dem Ausleger einen sehr spitzen oder einen fast rechten Winkel bildet. Auch entstehen Schwierigkeiten, wenn in das Lastseil bei größeren Lasten ein Flaschenzug eingeschaltet werden soll. 2. Ausgleichvorrichtung der Benrather Maschinenfabrik.Deutsche Patentschrift N. 164812/35 b. (Vergl. Fig. 3). Der vom Lastflaschenzug F1 ausgehende Seilstrang si geht über die Rolle r3 nach der Windetrommel W1, der von dem den Ausleger haltenden Flaschenzug F2 ausgehende Seilstrang s2 geht nach der Windetrommel W2. Die beiden Trommeln sind durch ein Getriebe miteinander gekuppelt, so daß sich das eine Seil abwickelt, wenn das andere sich aufwickelt. Ueber die Wirkungsweise der Vorrichtung heißt es in der Patentschrift: „Nimmt man, wie auf der Zeichnung angedeutet, an, daß beide Trommeln durch das Rad R gleichmäßig angetrieben werden, so wickelt sich das eine Seil auf, das andere ab, und es wird bei entsprechender Wahl der Flaschenzüge die Last sich wagerecht bewegen, während sie ohne die Kupplung des Hubwerks mit dem Windwerk gehoben werden würde, d.h., es wird infolge der neuen Einrichtung eine Arbeit QH gespart, wenn H die Höhe darstellt, um welche die Last beim Aufrichten des Auslegers angehoben wird. Der Motor zum Aufrichten des Auslegers braucht in diesem Fall nur die Reibung in den Rollen und in den Zapfen des Auslegers sowie die Reibung in dem Triebwerk zu überwinden.“ Textabbildung Bd. 326, S. 695 Fig. 4. Diese Angaben sind nicht allgemein zutreffend, denn mit dieser Vorrichtung läßt sich nur eine annähernde Ausgleichung erzielen; vollkommene Ausgleichung könnte nur dann erreicht werden, wenn mindestens eine der Windetrommeln W1 W2 eine Aufwicklungsfläche mit veränderlichem Durchmesser erhielte. Im folgenden wird nachgewiesen, bis zu welchem Annäherungsgrade die Ausgleichung mit zylindrischen Trommeln höchstens gebracht werden kann. Die für die geometrische Anordnung in Betracht kommenden Seilrollen seien nach Ausweis der Fig. 4 mit r1 r2 und r3, r4, ihre Entfernungen voneinander bei beliebiger Auslegerstellung mit e1 e2 bezeichnet. Wird der Ausleger nach oben gedreht, so wird die Entfernung e1 der Rollen r1 ,r3 um ein gewisses Maß verringert, das mit ∆e1 bezeichnet werden mag; ebenso wird der Abstand e2 der Rollen r2 und r4 um ∆e2 verringert. Ist k1 die Uebersetzung des Flaschenzuges F1 k2 diejenige des Flaschenzuges F2 und k3 diejenige des Getriebes, so ist die Senkung ∆t der Last gegen die Rolle r1. \Delta\,t=\frac{\Delta\,e_1}{k_1}+k_3\,.\,k_2\,\frac{\Delta\,e_2}{k_1}. Da e1 und e2 sich proportional ändern, so kann man setzen e2 = c • ∆e1, also \Delta\,t=\Delta\,e_1\,\left(\frac{1}{k_1}+c\,.\,\frac{k_2\,k_3}{k_1}\right), oder, wenn man für den konstanten Klammerausdruck das Symbol λ einführt, ∆t = λ • ∆e1, und bei unendlich kleiner Bewegung d t = λ • d e1, Ist l der Abstand der Rolle r1 vom Auslegerdrehpunkt A (Auslegerlänge), b der Abstand der Rolle r3 von A, y der Winkel zwischen l und b und a der Neigungswinkel der Auslegerachse gegen die Wagerechte, so ist e12 = b2 +l2 – 2 b l cos γ. Nimmt man eine unendlich kleine Auslegerdrehung an, so erhält man die Abnahme von e1 durch Differentiieren; es ist 2 e1 d e2 = 2 b l sin γ d γ, also d\,e_1=\frac{b\,l\,\mbox{sin}\,\gamma}{e_1}\,d\,\gamma. Beachtet man, daß d γ = – d a und daß die Summe der Winkel γ + a einen konstanten Wert φ hat, so wird d\,e_1=-\frac{b\,l\,\mbox{sin}\,(\varphi-\alpha)}{e_1}\,d\,\alpha Also ist die Senkung der Last gegen die Rolle r1: d\,t=-\lambda\,\frac{b\,.\,l\,\mbox{sin}\,(\varphi-\alpha)}{e_1}\,d\,\alpha . . . . 1) Dagegen ist die Zunahme der Höhe h der Rolle r1 über der Wagerechten durch A d h = d (l sin a) = l cos α d a . . . . 2) Die Bedingung vollkommener Ausgleichung ist – d t = d h. Man erkennt, daß die beiden Ausdrücke am gleichartigsten werden, wenn man φ = 90° wählt; dann ist d\,t=-\lambda\,\frac{b\,.\,l}{e_1}\,\mbox{cos}\,\alpha\,d\,\alpha . . . . 1a) Bei vollkommener Ausgleichung müßte \frac{\lambda\,b}{e_1}=1 . . . . 3) sein; dies ist aber, wie man sieht, unmöglich, weil der Quotient \frac{\lambda\,.\,b}{e_1} nicht konstant, sondern von der je nach der Auslegerstellung veränderlichen Größe e1 abhängig ist. Es fragt sich nun, welche Werte der unabhängigen Konstanten λ und b für die Ausgleichung am günstigsten sind und bis zu welchem Grade letztere überhaupt gebracht werden kann. Beachtet man, daß e_1=\sqrt{b^2+l^2-2\,b\,l\,\mbox{sin}\,\alpha}, und setzt man das Verhältnis b : l = n, so erhält die Bedingungsgleichung 3) die Form: \lambda\,.\,\frac{n}{\sqrt{n^2+1-2\,n\,\mbox{sin}\,\alpha}}=1 . . . . 4) Diese Bedingung kann um so genauer erfüllt werden, je mehr der Faktor \frac{n}{\sqrt{n^2+1-2\,n\,\mbox{sin}\,\alpha}}, wofür im folgenden das Symbol M gesetzt wird, sich einem konstanten Wert nähert. Er ändert sich aber mit dem Winkel a, und zwar ist seine Zunahme Z=d\,\left(\frac{n}{\sqrt{n^2+1-2\,n\,\mbox{sin}\,\alpha}}\right)=-\frac{\mbox{cos}\,\alpha}{n\,\left(1+\frac{1}{n^2}-\frac{2}{n}\,\mbox{sin}\,\alpha\right)^{3/2}}\,d\,\alpha=-\frac{n^2\,\mbox{cos\,\alpha}}{(n^2+1-2\,n\,\mbox{sin}\,\alpha)^{3/2}}\,.\,d\,\alpha . 5) Man erkennt, daß diese Zunahme nur dann Null wird, wenn entweder n = 0 oder n = ∞ ist. Beide Werte sind praktisch unbrauchbar. Um die durch die Funktion Z ausgedrückte Zunahme von M noch weiter auf ausgezeichnete Werte zu untersuchen, bilde man die Ableitung des Faktors \frac{\mbox{cos}\,\alpha}{n\,\left(1+\frac{l}{n^2}-\frac{2}{n}\,\mbox{sin}\,\alpha\right)^{3/2}} nach n und setze sie gleich Null. Es ergibt sich nach einfacher Zwischenrechnung \mbox{cos}\,\alpha\,\frac{\sqrt{1+\frac{1}{n^2}-\frac{2\,\mbox{sin}\,\alpha}{n}}\,\left[1+\frac{1}{n^2}-\frac{2\,\mbox{sin}\,\alpha}{n}+3\,\left(\frac{\mbox{sin}\,\alpha}{n}-\frac{l}{n^2}\right)\right]}{n^2\,\left(1+\frac{l}{n^2}-\frac{2\,\mbox{sin}\,\alpha}{n}\right)^{3/2}}=0. Hieraus folgen die beiden Bedingungen für ausgezeichnete Werte: 1. \sqrt{1+\frac{l}{n^2}-\frac{2\,\mbox{sin}\,\alpha}{n}}=0 oder n2 – 2 sin a • n + 1 = 0, d.h. n=\mbox{sin}\,\alpha\,\pm\,\sqrt{\mbox{sin}^2\,\alpha-1}; Dieser Wert ist imaginär, weil der Ausdruck unter der Wurzel stets negativ ist; 2. 1+\frac{1}{n^2}-\frac{2\,\sin\,\alpha}{n}+3\,\left(\frac{\mbox{sin}\,\alpha}{n}-\frac{1}{n^2}\right)=0, woraus folgt n2 + sin a • n – 2 = 0, d.h. n=-\frac{\mbox{sin}\,\alpha}{2}\,\pm\,\sqrt{\frac{\mbox{sin}^2\,\alpha}{4}+2}. Da nur ein positiver Wert n in Betracht kommt, gilt nur das + Zeichen. Man überzeugt sich leicht, daß dieser Wert den endlichen Faktor der Zunahme Z (absolut genommen) zu einem Maximum macht. Der Winkel a ändert sich in den meisten Fällen ungefähr zwischen 25° und 75°; die zu diesen beiden Endwerten und zu dem Mittelwert 50° gehörigen, das Maximum von Z erzeugenden Werte n sind a n 25° 1,218 50° 1,082 75° 1,012. (Fortsetzung folgt.)