Titel: DAS MOLKEREIWESEN UND SEINE MODERNEN MASCHINEN.
Autor: H. Nolet
Fundstelle: Band 326, Jahrgang 1911, S. 755
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DAS MOLKEREIWESEN UND SEINE MODERNEN MASCHINEN. Von Ingenieur H. Nolet. NOLET: Das Molkereiwesen und seine modernen Machinen. Inhaltsübersicht. Der vorliegende Artikel erklärt zunächst die Gewinnung und Verarbeitung der Rohmilch zu Trinkmilch, Butter und Käse, dann die Einrichtung der verschiedenartigen Betriebsstätten und zum Schluß die Beschreibung der einzelnen Verarbeitungsmaschinen, wobei die Separatoren, die Pasteurisierapparate, die Kühler, die Rahmreifer, die Butterfertiger und die eigenartigen Pumpen, wobei auch der in der Milchindustrie als letzte Neuheit konstruierte Schaumzerstörer spezielle Erwähnung gefunden hat. ––––– Die Pforten der Internationalen hygienischen Ausstellung in Dresden sind geschlossen und hinter uns liegt ein Bild, welches uns gezeigt hat, mit welch fieberhaftem Eifer an dem Ausbau der Hygiene in bezug auf Nahrungsmittel-Verarbeitung und -Herstellung in ganz Deutschland, ja sogar in fast ganz Europa gearbeitet worden ist. Wenngleich es schon der natürliche Trieb gebietet, alle Nahrungsmittel in hygienischer Weise zu behandeln, so wird dank der polizeilichen Kontrollen und der behördlichen Vorschriften noch dafür gesorgt, daß die Behandlung eine völlig einwandfreie wird. Welch eine wichtige Rolle die Hygiene spielt, zeigt sich speziell bei der Verarbeitung des unentbehrlichen Nahrungsmittels, der Milch. Eine erwiesene Tatsache ist, daß mit dem Ausbau dieser Wissenschaft die Ziffer der Säuglingssterblichkeit um ein Bedeutendes reduziert ist und die verschiedenen Krankheitsepidemien, wie Typhus, Tuberkulose usw., auf den Genuß von Milch kaum mehr zurückzuführen sind. Es dürfte nun interessieren, das Gebiet der rationellen Milchverarbeitung etwas eingehender kennen zu lernen, um so mehr, als sich immer mehr Techniker mit diesem Gegenstand, welcher in den letzten Jahren infolge der erzeugten Maschinen und Apparate einen ganz enormen Umfang angenommen hat, beschäftigen. Wohl selten findet man ein Fachgebiet, in dem sich vier Wissenschaften vereinigen, wie dies in der Milchindustrie der Fall ist, wo man sich ständig mit Technologie, Hygiene, Bakteriologie und Chemie zu beschäftigen hat. Einer eingehenden Beschreibung der in der Milchindustrie zur Verwendung kommenden Maschinen und Apparate soll hier erst eine kurze Zusammenfassung der Arbeitsvorgänge in der Molkerei vorausgehen. Die von den einzelnen Landwirthschaften und Gütern an die Molkerei (wir verstehen hierunter eine sogenannte Sammelmolkerei mit Kraftbetrieb, von denen es in Deutschland allein etwa 8000 gibt) abgelieferte frische Vollmilch kann drei verschiedenen Verarbeitungen zufallen; 1. der Herstellung einer konsumreifen Trinkmilch (sogen. Frischmilch), entweder roh, pasteurisiert (d.h. während kurzer Zeit auf 80 bis 99° C erhitzt und dann sofort tiefgekühlt) oder sterilisiert (d.h. während längerer Zeit unter Luftabschluß auf Temperaturen von 103–140° C erhitzt), 2. der Butterbereitung, 3. der Käsebereitung. Die als Frischmilch in den Handel kommende Milch muß von den ihr in Mengen anhaftenden Schutzteilchen durch Filtrieren gereinigt werden, zu welchem Zweck man sich der verschiedensten Kies- oder Wattefilter bedient. Am zweckmäßigsten und gründlichsten erscheint doch die Reinigung vermittels einer Zentrifuge. Hierauf wird die Milch in Pasteuren pasteurisiert oder in Sterilisatoren sterilisiert, auf deren Konstruktion noch näher eingegangen werden soll. Diesem Prozeß folgt eine schnelle Tiefkühlung auf mit Sole oder recht kaltem Brunnenwasser gespeisten Berieselungs-Kühlern. Nun wird die gekühlte Milch für den Verkauf mit geeigneten Füllmaschinen in Flaschen gefüllt oder aber in isolierten Kühlbassins aufbewahrt, so ihre volle Frische auf einige Zeit behaltend. Die zur Butterbereitung bestimmte Milch wird zunächst in einem sogen. Vorwärmer bis auf 35° C mittels Dampf vorgewärmt, um dann in einem Separator mittels Zentrifugalkraft in Rahm und Magermilch separiert zu werden, wobei gleichzeitig auch eine Ausscheidung der Schmutzteile stattfindet. Während die Magermilch nach einer Erhitzung auf mindestens 80° C zur Vermeidung von Uebertragung der schädlichen Bakterien zwecks Verfütterung an die Milchlieferanten zurückgegeben oder auch, da noch reichlicher Nährstoff darin enthalten, als Nahrungsmittel verkauft wird, wird der gewonnene Rahm (auch Sahne genannt) in einem Pasteur bis auf 85° C erhitzt, wodurch die für die Butter schädlichen Bakterien abgetötet werden. Unmittelbar hierauf wird der Rahm bis auf + 4°C rückgekühlt und dann in einen Rahmreifer gebracht, wo er unter Zusatz von saurer Milch mit präparierten Reinkulturen zur Butterungsreife gebracht wird, um am andern Tage in Butterfässern und Knetern zur fertigen Butter verarbeitet zu werden. Oertliche Verhältnisse und Viehfütterungsumstände lassen nun die Rückgabe der pasteurisierten Magermilch an die Lieferanten nicht immer zu, und wird in diesem Falle dann die Magermilch, jedoch unpasteurisiert, zur Magerkäsefabrikation oder zu Quark bestmöglichst verwandt. Hierbei wird die Magermilch in Käsekessel auf etwa 30° C temperiert und mit Zusatz von Lab und Farbstoffen tüchtig gemischt resp. gerührt. Die Kunst des Käsemachens besteht hauptsächlich darin, dem mit Lab oder Säure ausgeschiedenen Käsestoff die nötige Festigkeit zu geben und die löslichen Milchbestandteile bis zu einem gewissen Grade zu entfernen, damit der Käse für die Einleitung der ihm zugedachten Reifungsvorgänge die richtige Beschaffenheit erhält. Die Ausscheidung der löslichen Milchbestandteile muß verschiedengradig sein, je nach der Festigkeit des Käses und auch je nach dem Fettgehalte desselben. Das Fett wird in seinem emulsierten Zustande natürlich auch in den ausgefällten Käsestoff eingeschlossen. Man kann die Käse nach diesen Gesichtspunkten ungefähr einteilen: 1. Vollfette bis ¾ fette Käse: a) harte Käse (Reibkäse, Emmenthaler), b) halbweiche Käse (Tilsiter, Holländer), c) welche Käse (Camembert und andere franz. Weichkäse). 2. Halbfette Käse; a) harte Käse (Gruerzer, Parmesan), b) halbweiche Käse (Tilsiter II. Qualität), c) welche Käse (Limburger). 3. Magere Käse: a) harte und halbweiche Käse (sogenannte Handmagerkäse). b) welche Käse (geringe Sorten Limburger, Backsteinkäse). In dieser Zusammenstellung ist jeweilig eine bekanntere Käsesorte als typischer Vertreter genannt. Die Einteilung ist natürlich nicht streng durchführbar und soll nur andeuten, von welchen Faktoren die Eigenschaften des Teiges hauptsächlich abhängig sind. Die bei der Butterbereitung übrigbleibende Buttermilch findet dieselbe Verwertung wie die beim Separieren verbleibende Magermilch, während der Rückstand in der Käserei (Molke genannt) zur Viehfütterung benutzt wird. Textabbildung Bd. 326, S. 756 Fig. 1. Die hier in kurzen Umrissen geschilderte verschiedentliche Milchverarbeitung läßt erkennen, daß die von den gewonnenen Molkereiprodukten noch verbleibenden Rückstände bis zum kleinsten Rest in rentabelster Weise Verwertung finden und so die Erträgnisse der Milchwirthschaft bis an die höchste Grenze steigern. Wenn nun dieser oder jener Betrieb von dieser Hauptverarbeitungsmethode abweicht, so bedingen dies lediglich örtliche Verhältnisse. Zur näheren Orientierung bezüglich Bestimmung des Nährgehaltes und Rentabilitätsberechnung seien noch folgende Zahlen festgelegt, mit denen jeder Molkereibetrieb zu rechnen hat. Molkereien für Kraftbetrieb werden für eine tägliche Verarbeitung von 1000–100000 l und mehr gebaut. Die Milch besteht im Mittel aus: 88,3 v. H. Wasser, 3,0 Fett, 3,5 Eiweißstoff, 4,5 Milchzucker, 0,7 Salze ––––––––––– 100,0 v. H. spez. Gewicht von Milch 1,031 Wärme    „ (Voll- und Magermilch) 0,94,     „ Rahm 0,84. Rahm enthält im Durchschnitt 20 v. H. Fett, so daß 100 l Milch im Mittel 15–161 Rahm hergeben, während man für 1 kg Butter etwa 28 kg Milch gebraucht. Magerkäse wird aus Magermilch mit niedrigem Fettgehalt hergestellt und rechnet man dann etwa 9 kg Käse aus 100 kg Magermilch. Diese Zahlen gelten für modern und rentabel eingerichtete maschinelle Betriebe unter Voraussetzung, daß die zu verarbeitende Milch von gut gefüttertem und gepflegtem Vieh stammt. Nunmehr soll auf die Konstruktionen der in Betracht kommenden Maschinen und Apparate näher eingegangen werden. Da die von den Landwirten und Gütern (meist Genossenschaftlern) angelieferte Milch wie auch die zurückzugebende Magermilch nach Kilogramm bezahlt oder verrechnet wird, so seien zunächst die für diesen Zweck erforderlichen Wagen erwähnt, wovon die meisten als Laufgewichtswagen ausgeführt werden. In Ländern, wo die Eichung nicht Bedingung ist, finden die sogen. „Sinus-Wagen“ Verwendung, bei denen die Belastung auf einem Zifferblatt in Kilogramm abgelesen wird. Während die meisten Vollmilchwagen kippbar eingerichtet sind, um die angelieferte Milch in die Sammelbassins bequem einschütten zu können, sind die Wagen zur Rückgabe von Magermilch an die Lieferanten mit Zapfhähnen versehen, unter welche die Kannen zum Vollaufen gestellt werden. Die Sammelbassins sind aus Weißblech, Doppelmetall oder verzinntem Kupferblech gefertigt, deren Boden zwecks vollständiger Entleerung nach dem Ablaufhahn hin gleichmäßiges Gefälle haben. Sämtliche Hähne wie auch alle Rohre, welche Milch und Rahm passieren müssen, sind aus verzinntem Kupfer oder Messing gefertigt, damit jeder Rostgefahr vorgebeugt ist. Damit eine gründliche und bequeme Reinigung der Rohrleitungen mittels Masser und Dampf nach jeder Betriebsperiode vorgenommen werden kann, sind die einzelnen Rohrenden verhältnismäßig kurz gehalten und durch verzinnte Messingkupplungen miteinander verbunden. Daß alle mit Milch und Rahm in Berührung kommenden Teile zwecks gründlicher Reinigung leicht zugänglich sein müssen, braucht wohl nicht weiter hervorgehoben zu werden, denn der kleinste zurückbleibende Milchrest hat ungünstigen Einfluß auf die Qualität der Butter oder der Trinkmilch. Die aus Metall bestehenden Apparate werden teils mit kaltem, teils mit warmem Wasser und Soda gereinigt, dagegen bedient man sich bei den Maschinen für die Butterbereitung, welche vorwiegend aus Holz bestehen, zur Reinigung einer Soda- und Kalklösung. Textabbildung Bd. 326, S. 757 Fig. 2. Die zur Butterbereitung bestimmte Milch muß, bevor sie im Separator in Rahm und Magermilch geschieden wird, vorgewärmt werden, und zwar, um ihr möglichst viel Fett durch den Separator zu entziehen, auf etwa 35 bis 60° C Diesem Zwecke dient der sogen. „Vorwärmer“ mit oberem Antrieb, wie er in Fig. 1 dargestellt ist, welcher als doppelwandiger Kessel nach Art der Autoklaven ausgebildet ist. Der Innenmantel besteht aus verzinntem Kupfer, während der Außenmantel aus nach innen verbleitem Eisenblech gefertigt wird. Der so durch beide Kesselwände gebildete Zwischenraum von 4–5 cm dient zur Zirkulation des einzulassenden Dampfes. Zur Vermeidung von Wärmeverlusten ist der Außenmantel noch mit einer Filzisolation versehen und das Ganze von einem Stahlblech umkleidet. Nach oben hin ist der Vorwärmer durch einen Deckel verschlossen. Die in dem Deckel befindliche Oeffnung dient lediglich zur Belüftung der Milch. Die Milch gelangt durch einen seitlich angebrachten Trichter in den Apparat und wird mittels eines durch Riemen angetriebenen, durch Klauenkupplung ein- und ausrückbaren Rührwerks in rotierende Bewegung gesetzt, welches einmal das Anbrennen resp. Ansetzen der Milch vermeidet, das andere Mal aber die Milch an den Seiten des Apparates hochsteigen läßt, um oben in der verlangten Temperatur, die an einem Thermometer abgelesen wird, den Vorwärmer zu verlassen. Außer dieser Konstruktion mit oberem Antrieb baut man auch demselben Zweck dienende Vorwärmer mit unterem vollständig eingekapseltem Antrieb, auf die später bei der Beschreibung der Pasteure, mit denen diese in bezug auf Konstruktion im wesentlichen übereinstimmen, hingewiesen wird. Die Speisung geschieht mittels Frisch- oder Abdampfes, welcher im Mittel eine Spannung von 40 cm Wassersäule hat. Zur Regulierung der Dampfspannung ist ein S-förmig gebogenes Rohr, als Wassersack dienend, angebracht. Die so vorgewärmte Milch gelangt nun zu der im Molkereiwesen interessantesten Maschine, dem Separator. Textabbildung Bd. 326, S. 757 Fig. 3. Fig. 2 zeigt einen Schnitt durch den bewährtesten und am meisten gebräuchlichen Alfa-Laval-Kraftseparator neuesten Modells, welcher bei einer stündlichen Leistung von 3000 l bis auf einen Fettgehalt von etwa 0,05 v. H. in der Magermilch entrahmt; eine Leistung, die wohl kaum noch übertroffen werden kann. Der Antrieb erfolgt von einem Vorgelege mittels Schnur durch die Schnurscheibe H auf die Trommelwelle G. Ein anderer Typ der Alfa-Laval-Separatoren ist der in Fig. 3 abgebildete, welcher im Gegensatz zu Fig. 2 direkten Antrieb von der Transmission aus hat, der durch ein steilgängiges Schneckenvorgelege auf die Trommelwelle übertragen wird. Diese Neukonstruktion bietet speziell den Molkereien, die mit der Platzfrage in Schwierigkeiten sind, einen willkommenen Vorteil, da das bisher gebräuchliche Separatvorgelege etwa 2,5 m × 0,6 m Platz benötigte. Sonst sind sich beide Separatoren in der Konstruktion, Leistung und Entrahmungsschärfe vollständig gleich. Die Trommelwelle, welche etwa 6000 Touren i. d. Min. macht, ruht auf einem Rollenspurlager und trägt oben die freihängende, gut ausbalancierte und verzinnte Stahltrommel L welche mittels abgedichtetem Aufschraubdeckel K geschlossen ist Die eigenartige Aufhängung der Trommel, welche aus Fig. 2 ersichtlich ist, macht eine Extra-Ausbalancierung derselben bei dieser Konstruktion überflüssig. Der Trommelkern besteht in der Hauptsache aus etwa 80 mit geringem Abstand übereinander ausgestapelten konischen Blechtellern M, welche mit Löchern versehen und zwecks gründlicher Reinigung einzeln abnehmbar sind. Die vorgewärmte Vollmilch gelangt vom Milchhahn A über den Schwimmer und Verteiler B in das Zulaufregelgefäß C, nimmt ihren Weg durch das Mundstück D in das Zentrumrohr J und von dort zum Trommelboden. Von hier aus wird die aufsteigende Milch nun durch die Lochkanäle der Teller infolge der Zentrifugalkraft zwischen die einzelnen Teller in feinen Schichten gedrückt. Dieser Prozeß vollzieht neben der Scheidung von Magermilch und Rahm auch eine Reinigung. Der spezifisch schwere Schmutz lagert sich zu Schlamm an der Trommelwandung ab. Da der Rahm spezifisch leichter ist als die Magermilch, so drängt dieser dem Zentrum mehr zu und gelangt durch seine Rahmschraube nach dem Rahmsammeldeckel E, um dort abzufließen, während die Magermilch durch den Magermilchdeckel F den Separator verläßt. Weiter auf die Konstruktion einzugehen, dürfte sich erübrigen, da die Schnittzeichnung Fig. 2 ja die einzelnen Details erkennen läßt. Nur eins soll erwähnt werden, daß der Separator in allen seinen Teilen größte Präzision aufweist. Für Kraftbetrieb werden die Separatoren für eine Leistung von 300–3000 l stündlich, für Handbetrieb von 60–600 Std./l gebaut. Der erste Separator bedeutete natürlich einen vollständigen Umschwung in der gesamten Milchwirthschaft, die sich bis dahin meist des umständlichen Satten-Entrahmungsverfahrens bediente. Dem Separieren schließt sich die Hocherhitzung (Pasteurisieren) von Magermilch und Rahm auf 80–99° C an, zu welchem Vorgange die sogen. „Pasteure“ Verwendung finden. Diese Apparate gleichen in ihrer Konstruktion im wesentlichen den bereits beschriebenen Vorwärmern, nur daß man den Innenkessel konisch bezw. paraboloidförmig ausbildet und dem Austrittsstutzen eine senkrecht zum Radius des Apparates gehende Richtung gibt. Hierdurch und mit Hilfe des Rührwerks erreicht man eine derartig kinetrische Energie, daß die Milch oder der Rahm ohne Pumpe auf den gewöhnlich höher gestellten Kühler zwecks Tiefkühlung gebracht werden kann. (Fortsetzung folgt.)